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Jeder Mensch hat Emotionen. Sie werden automatisch in allen Situationen ausgelöst, »färben« unser Erleben und beeinflussen unser Handeln. Emotionen machen Momente wie auch Erinnerungen lebendig und bedeutsam. Diese emotionalen Vorgänge laufen, ob wir es wollen oder nicht, ohne unseren Einfluss ab und wir sind uns dessen nicht immer bewusst.
In der Wissenschaft wird angeregt über die Frage diskutiert, was genau Emotionen sind. Eine einheitliche Definition existiert nicht. Es gibt sogar mehrere Wörter, die im Alltag mehr oder weniger das Gleiche bedeuten: Affekt, Gefühl, Emotion und Stimmung.
Affekte sind die angeborenen und biologisch verankerten Grundprogramme, die durch äußere Einflüsse oder psychische Vorgänge ausgelöst werden. Damit ist überwiegend das körperliche Empfinden gemeint wie das Erröten bei Scham oder das Herzklopfen bei Angst. Affekte können unbewusst auftreten.
Den Begriff Gefühl verwenden wir vorwiegend, um das subjektive und uns selbst bewusste Erleben zu beschreiben. Ein passendes Beispiel hierfür sind partnerschaftliche Gespräche, in denen Sie versuchen, Ihr eigenes Erleben auszusprechen, um vom anderen besser verstanden zu werden. Hierzu beginnen Sie vielleicht mit den Worten »Ich fühle mich in diesem Moment so einsam oder verletzlich«.
Der Begriff Emotion wird meist gleichbedeutend mit Gefühl verwendet; wir verwenden ihn auch als wissenschaftlichen Oberbegriff dieses Themenbereichs.
Während affektive Reaktionen meist sehr rasch auftreten und ablaufen können, beschreibt die Stimmung die längerfristige Gefühlslage. Manchmal ist man z. B. den ganzen Tag über gedrückt oder freudig gestimmt.
Wie beschrieben, bezeichnen Affekte die biologisch verankerten Aspekte des Gefühlslebens. Das affektive System ist in unsere basalen Hirnabschnitte eingebaut und gehört zur »Grundausstattung« des menschlichen Körpers. Diese Hirnabschnitte, die so ähnlich wie die vieler Tieren aufgebaut sind, haben eine enge Verbindungen zum Körper. Über das vegetative Nervensystem beeinflusst unser affektives System ohne unser Wissen Herzschlag, Atmung, Darm- und Blasenaktivität wie auch Pupillengröße, Speichelproduktion und unsere Fähigkeit zur Sexualität. Ohne diese automatische Verbindung wären wir praktisch nicht lebensfähig, da sie unseren Körper in die Fähigkeit versetzt sich zu entspannen, sich zurückzuziehen oder sich zu verteidigen.
Zwischen diesen basalen Gehirnabschnitten bestehen enge und komplexe Verbindungen mit den höheren Hirnabschnitten wie der Großhirnrinde. Dieser Bereich ermöglicht intellektuelle Fähigkeiten wie Selbstreflexion und Selbstregulation und die Fähigkeit die mentalen Prozesse des Gegenübers zu verstehen und darüber nachzudenken. Diese Fähigkeiten grenzen uns von der Großzahl der Tiere ab. Diese Verbindungen im Gehirn sind dafür verantwortlich, dass unser affektives System mit seinen basalen Abschnitten durch positive wie auch negative biografische Erfahrungen beeinflusst wurde. Im umgekehrten Wechsel haben unsere weitere Wahrnehmung und unser Denken Einfluss auf unser zukünftiges Erleben. Unser affektives System hält jedoch kein eindeutiges Schild in unserem Bewusstsein hoch. Wir nehmen die Einflüsse unserer Vergangenheit und die aktuellen Affekte zum Großteil nicht bewusst wahr; unser Bewusstsein muss sich diese erst erschließen. Die Sequenz mag wie folgt ablaufen: Auf der Straße sehe ich einen Streit. Mein Herz klopft, ich bin unruhig und zittere. Ich habe Angst! Erst nach einer Weile merke ich selbst, oder auch erst durch die Hilfe meines Therapeuten oder meiner Therapeutin, dass mich dieser Streit des Paares an meine eigene Kindheitserfahrung erinnert hat. Meine Eltern haben einmal vor mir über genau dasselbe Thema gestritten und ich hatte damals heftige Angstsymptome.
Die Fähigkeit Angst und andere Emotionen wahrzunehmen wird erst im Laufe der Entwicklung erworben. Babys und Kleinkinder haben noch keine Konzepte von Emotionen, geschweige denn Worte. Sie lernen diese Konzepte erst durch Eltern und andere wichtige Bezugspersonen kennen. Kinder nutzen ihr affektives System im Verlauf ihres Lebens, um psychosoziale Umwelteinflüsse zu integrieren und als Emotionen ihrer komplexen Gefühlserfahrungen wiederzugeben.
Emotionen stellen somit eine Schnittstelle von Körper, Umwelt und Psyche dar und haben eine Körper-, Verhaltens- und Erlebniskomponente. Die erste Komponente beschreibt das körperliche Erleben von Emotionen. Dieses Erleben will nicht nur im Körper bleiben, sondern geht, ob man will oder nicht, mit einem Wunsch einher (zweite Komponente). Emotionen führen zu Verhaltensimpulsen (Intentionen), zum Beispiel sich durchzusetzen, sich zu verteidigen, sich zurückzuziehen oder auf jemanden liebevoll und unterstützend zuzugehen (dritte Komponente). Jede Intention geht dabei mit einem oder mehreren persönlichen Erlebnissen einher (vierte Komponente).
Stellen Sie sich einmal vor, Sie wurden von einem Bekannten beleidigt. Sie ärgern sich hierüber. Im Körper würden Sie die Wut vielleicht als einen Druck im Bauch spüren und davon ausgehend eine Wärme, die über die Brust in die Hände und den Kopf geht. Vielleicht spüren Sie eine Kraft in den Armen und ballen die Fäuste. In Ihrem Erleben bemerken Sie wohl eine Anspannung und eine Einengung der Gedanken auf das, was Sie geärgert hat (bzw. auf den, der Sie geärgert hat). Als Verhaltensimpuls merken Sie wohl den Drang sich zur Wehr zu setzen, etwa laut »Stopp« zu sagen oder gar zuzuschlagen. Während Schlagen sicherlich keine angemessene Reaktion ist, kann die Energie, welche durch den Ärger mobilisiert wird, dabei helfen sich durchzusetzen. Diese Empfindung mag Sie motivieren, eine Grenze zu setzen und sich selbst zu behaupten, und hilft eine gesunde Entscheidung zu treffen. Durch Ihre emotionale Reaktion kann Ihr Gegenüber Ihren Ärger erkennen und erleben, dass Sie wirklich verletzt wurden.
Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung haben Schwierigkeiten mit ihren Emotionen, obwohl die basalen Gehirnabschnitte funktionieren. Durch ihre Biografie haben sie gelernt, dass Emotionen in negativen Beziehungserfahrungen resultierten. Kränkungserfahrungen führten teils zu heftigen Emotionen, die sie als bedrohlich erlebten. So nutzen sie mit aller Kraft Abwehrmechanismen, um ihre Emotionen zu kontrollieren. Funktioniert dies nicht, kommt es zu ausgeprägten Angstsymptomen oder Depressivität.
Die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange mit der Frage, welche Emotionen es gibt und wie sie am besten klassifiziert werden können. Seit Aristoteles, aber wahrscheinlich schon viel länger, wurde versucht Basisemotionen zu identifizieren, die biologisch verankert sind und bei allen Menschen vorkommen. Der Neurowissenschaftler Jaak Panksepp2, einer der bekanntesten Emotionsforscher der Welt, erforschte Säugetiere und identifizierte sieben basale Affektsysteme. Er schreibt diese immer groß, um sie klar zu kennzeichnen:
SEEKING (Neugier/Interesse)
LUST (Lust)
CARE (Fürsorge)
PLAY (Spiel/Freude)
FEAR (Angst)
RAGE (Wut)
PANIC/GRIEF (Trennungsangst/Trauer)
Paul Ekman erforschte, welche emotionalen Gesichtsausdrücke von verschiedenen Kulturen auf der Welt erkannt werden, und identifizierte diese als Basisemotionen. Er ging davon aus, dass ein Banker aus Frankfurt die Basisemotionen eines Ureingeborenen Australiens nachvollziehen könne. Ekman identifizierte so sechs Basisemotionen: Wut, Ekel, Angst, Freude, Trauer und Überraschung. Seine Ergebnisse wurden jedoch auch kritisiert. So gehen einige Forscher davon aus, dass er nicht etwa Basisemotionen bestätigt habe, sondern eher die Fähigkeit von Menschen verschiedener Kulturkreise sich in unterschiedliche Emotionskonzepte hineinzuversetzen.
Wir gehen von einer Verbindung dieser wissenschaftlichen Sichtweisen aus; zum einen, weil die Ergebnisse von Panksepps Grundemotionen bislang nicht widerlegt wurden und von den wissenschaftlichen Vertretern des Emotionskonzepts nicht zitiert werden. Zum anderen sehen wir die konzeptuelle Sichtweise als essenziell für Menschen. Erst durch Emotionskonzepte erleben Menschen ihre eigenen basalen Affekte in Zusammenhang mit ihren Lebenserfahrungen. Dazu zählen beispielsweise Emotionen wie Scham, welche wohl erst ab dem zweiten bis dritten Lebensjahr entsteht, wenn wir ein Bewusstsein darüber entwickeln, was andere möglicherweise über uns denken.
Für das Verständnis von Persönlichkeitsstörungen und für die Psychotherapie halten wir vorwiegend folgende Emotionen für wichtig: Freude, Ärger, Trauer, Ekel, Neid, Scham, Schuld und Angst.
Da Angst, Anspannung und Stress bei psychischen Störungen und für den therapeutischen Prozess essenziell sind,...
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