Schweitzer Fachinformationen
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»Noch können wir weglaufen, es ist nicht zu spät«, flehte Niklas und blieb zögerlich auf der letzten Stufe stehen.
Oliver, der vorgegangen war, legte ungerührt den Finger auf den Klingelknopf und drückte. »Das ist das letzte Paar, Nikki. Sei lieb!«
Niklas, der direkt von der Arbeit kam, löste mit einem geschickten Handgriff den Knoten seiner Krawatte, um sie in der Tasche seines Jacketts verschwinden zu lassen.
»Am besten, du überlässt das Reden ganz mir«, sagte Oliver.
Seufzend schloss Niklas zu seinem Freund auf. »Bitte sehr.«
Gespannt standen sie an jenem Januarabend im mäßig beleuchteten Flur einer Mietskaserne im Düsseldorfer Süden und warteten, dass man ihnen die Tür öffnete. Sie kannten die Frauen nur vom Telefon und hatten in einem ersten Gespräch den Eindruck gewonnen: Dieses Mal könnte es klappen.
»Wie sehe ich aus?« Oliver rückte seine gelbe Baseballkappe zurecht.
»Wie ein kleiner Junge vor seinem ersten Date.«
Niklas zog ihn an sich und küsste zärtlich seine knubbelige Nase. Da öffnete sich die Tür. Vor ihnen stand eine Frau in Jeans und einem schlichten hellblauen Männershirt. Das glanzlose strohgleiche Haar trug sie sportlich kurz geschnitten, und ihr Teint verlangte dringend etwas Farbe. Groß und drahtig war sie, schmal genug, um sich hinter einem Laternenpfahl umziehen zu können - selbst Niklas hatte ein breiteres Becken als sie. Die Mutter seiner Kinder hatte er sich ganz anders vorgestellt.
»Seid ihr meine Väter?«, sagte die Frau mit einem Schmunzeln.
»Wenn du unsere Mutter bist«, entgegnete Oliver.
Sie reichte ihnen die Hand. »Ich bin Kordula. Schön, dass ihr da seid.«
Ihre Gastgeberin trat einen Schritt zurück, und Oliver zog seinen Freund in die Wohnung. Niklas sah sich um: Der Flur war in Hellgelb gestrichen oder vielmehr: gewischt, mit einem Schwamm. Er hatte nie verstanden, wie Menschen, die Farbe in ihr Leben bringen wollten, bei unentschlossenen Tönen wie Blasslila oder Himmelblau landeten. Aber noch schlimmer fand er die Wischtechnik. Solche Wände mochten in billige Pizzerien passen, wo man im Stehen aß und zwei fuffzich zahlte. Fehlten nur noch Tassen mit aufgedruckten Katzengesichtern.
»Ist schlechter Geschmack eigentlich erblich?«, flüsterte Niklas hinter vorgehaltener Hand. Oliver boxte ihn warnend in den Bauch und zerrte ihn weiter.
In der überheizten Küche trafen sie auf Andi. Kordulas Freundin saß am Tisch und war damit beschäftigt, eine Holzlokomotive zu leimen, deren Schornstein abgebrochen war. Sie nickte den Gästen aus einem grauen Jogginganzug zu. Vorne waren ihre Haare gestutzt, wie bei Kordula; hinten jedoch, im Nacken, wuchsen sie, und damit das niemandem entging, hatte sie ein paar der längeren Strähnen rot eingefärbt.
Kordula setzte Wasser auf und erkundigte sich nach den Getränkewünschen der Männer. Oliver wollte Kakao trinken, musste aber mangels Angebot auf Tee ausweichen, während Niklas mit einem Kopfschütteln signalisierte, dass er ganz verzichtete: Er wollte sich an sein Schweigegelübde halten. Außerdem war er schon jetzt von den Frauen enttäuscht, obwohl er nicht mal allzu viel von dem Treffen erwartet hatte.
»Und, wie viele Frauen habt ihr schon getroffen?«, fragte Kordula und nahm zwei Becher aus dem Schrank. Katzenfrei, wie Niklas erstaunt feststellte.
Oliver sagte den Spruch, mit dem er am letzten Wochenende bereits Angelika und Urte glücklich gemacht hatte: »Ihr seid die Ersten.«
Kordula goss kochendes Wasser über ein Teesieb mit wildem Kraut. Einen Becher behielt sie für sich, den anderen servierte sie Oliver, der neugierig daran roch und die Nase verzog.
Von nebenan ertönte Babygeschrei. Andi erhob sich, und es klang mehr nach einem Befehl denn nach einer Bitte, als sie Niklas aufforderte, den Daumen fest auf den geleimten Schornstein zu pressen. Dann verließ sie den Raum.
»Ihr habt also schon ein Kind!« Oliver setzte sich zu Niklas an den Tisch und rührte unentschlossen in seinem Getränk.
»Es ist Andis Tochter«, erklärte Kordula. »Martha ist vierzehn Monate alt. Ein gutes Alter, um ein Geschwisterchen hinterherzuschicken.«
Oliver erkundigte sich nach Zucker, und Kordula holte ein Glas Honig aus dem Schrank.
»Was ist denn mit Marthas Vater?« Niklas witterte plötzlich eine Chance, schnell und unkompliziert aus der Nummer herauszukommen, und vergaß darüber sein Gelübde.
»Ist im Herbst nach Griechenland gezogen, zu seinem neuen Lover. Deshalb haben wir uns geschworen: nie mehr mit Singles.«
Kordula setzte sich zu den Männern und trank ihren Tee. Dabei schmatzte sie zufrieden.
»Was trinken wir hier eigentlich Leckeres?«, fragte Oliver, der bereits den dritten Löffel Honig in seinen Becher rührte.
»Schafgarbe«, informierte ihn Kordula. »Mir zerreißt es immer fast den Unterleib, wenn ich meine Regel kriege. Schafgarbe beruhigt.«
Oliver hörte auf zu rühren und verschloss das Honigglas.
»Wie lange seid ihr beiden zusammen?«, fragte Kordula.
»Sechs Jahre, zwei Monate und elf Tage.« Oliver legte seinem Freund zärtlich die Hand in den Nacken und kraulte ihn. Niklas trug sein Haar recht kurz, obwohl sein Freund seit Jahren bettelte, er möge es wachsen lassen. Oliver litt an und vor allem unter Haarausfall, den er mit Tabletten aus einem Algenextrakt aufzuhalten und mit Baseballkappen in allen Farben des Regenbogens zu kaschieren versuchte, und forderte mehr Phantasie von Niklas - das sei er seinem starken Haarwuchs schuldig. Aber dem mangelte es nicht an Ideen: Ab einer Länge von zwei Zentimetern begann sein Haar sich zu kräuseln und war nicht zu bändigen. Und Niklas hasste Dinge, die sich nicht bändigen ließen.
»Dann habt ihr also das verflixte siebente Jahr noch vor euch.«
Kordula lächelte, als hätte das Paar den wichtigsten Test schon bestanden. Doch die Prüfung hatte gerade erst begonnen. Ob in ihren Familien Erbkrankheiten bekannt waren? Konnte einer von ihnen musische Begabungen vorweisen? Und wie verhielt es sich mit den monatlichen Einkünften?
Die Männer schienen alles zu Kordulas Zufriedenheit beantwortet zu haben, Niklas konnte vor allem bei der letzten Frage punkten. Doch dann schnitt Kordula ein scheinbar nebensächliches Thema an.
»Und wo wohnt ihr in Düsseldorf?«
»Niklas hat eine Wohnung in Oberkassel, und ich lebe in Köln.«
Kordulas Lächeln wurde rissig. »Ihr wohnt getrennt?«
»Sonst hätten wir es nicht auf sechs Jahre gebracht«, erklärte Niklas.
»Ganz zu schweigen von den zwei Monaten und den elf Tagen«, witzelte Oliver, aber diesmal lächelte Kordula nicht.
»Mein Mann braucht viel Zeit für sich«, erklärte er.
Niklas nahm Olivers Hand und biss hinein. Es war seine Art zu sagen: Und du hast ungern Zeit für dich, weil du dich nicht selbst beschäftigen kannst.
»Aua, Nikki!«, machte Oliver, ohne seine Hand wegzuziehen.
Dann biss Niklas nochmal, zärtlicher, um zu sagen: Und nenn mich nicht immer Nikki. Ich bin schließlich kein bayrisches Cowgirl.
»Und warum willst du dann Kinder haben?«, fragte Kordula, unbeeindruckt vom Zirkus der Männer. »Zeit für dich hast du dann keine mehr.«
Niklas war nicht gekommen, um sich belehren zu lassen, erst recht nicht von Menschen mit hellgelb gewischten Wänden. Ihm lag eine Bemerkung auf der Zunge, aber Oliver zuliebe hielt er sich zurück.
»Ich stelle mir unser Projekt jedenfalls nicht so vor, dass ihr die Kinder nur am Wochenende holt und sich darauf unser Kontakt beschränkt«, fuhr Kordula fort. »Dafür stelle ich meine Eierstöcke nicht zur Verfügung.«
Herausfordernd musterte sie Niklas, als spürte sie, wie sein Widerstand immer stärker anwuchs.
»Andi und ich wünschen uns eine große Familie. Wir wollen mit den Vätern gemeinsame Sachen unternehmen, Wandern in der Eifel oder mal eine schöne Radtour.«
»Warum nicht«, sagte Oliver.
Kordulas Vorschlag und vor allem die leichtfertige Reaktion seines Freundes schockierten Niklas so sehr, dass ihm der Schornstein umknickte. Er steckte ihn schnell wieder auf die Lok, um keinen Ärger mit Andi zu bekommen, die eben mit einem kleinen verschlafenen Bündel in die Küche zurückkehrte.
»Du hältst es schief!« Sie drückte dem verdutzten Oliver das Kind in die Hand und drapierte geschickt ein Spucktuch über seiner Schulter. Dann verscheuchte sie Niklas von seinem Platz. Offenbar vertraute sie ihr Kind ohne weiteres fremden Männern an; um die blöde Spielzeuglok aber kümmerte sie sich lieber selbst.
»Hallo, du kleine Maus!« Oliver wandte sich mit kindlichem Singsang an das Baby und schien plötzlich einen größeren Stimmumfang zu haben als Mariah Carey. »Haben wir dich geweckt?«
»Du kannst ganz normal mit ihr sprechen«, sagte Andi, ohne von ihrer Bastelarbeit aufzuschauen.
»Ich habe aber gelesen, dass man mit höheren Tönen am besten das Gehirn von Babys erreicht.« Oliver zog für Martha eine kleine Show mit seinen albernsten Grimassen ab, und die Kleine dankte es ihm mit einem strahlenden Lächeln.
»Marthas Gehirn sicher nicht.« Kordula nahm ihm das Kind ab, das nun wieder anfing zu weinen. »So was ist sie nicht gewohnt.«
Oliver zog eine letzte Grimasse, die nur Niklas sehen konnte. Den beschlich das dumpfe Gefühl, dass der Abend nicht ganz so reibungslos verlief, wie sein Freund es sich gewünscht hätte.
»Habt ihr schon über die Befruchtung gesprochen?«, schaltete sich Andi wieder ein und erklärte den verdutzten Männern, dass sie bei der kleinen Martha gute Erfahrung mit der Bechermethode gemacht hätten.
Oliver starrte angewidert auf seinen...
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