Schweitzer Fachinformationen
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G. Rudolf und P. Henningsen
In den Zeugnissen aus allen Epochen der abendländischen Geschichte begegnen uns Überlegungen zum Verhältnis von Körper und Seele, Geist und Natur im Zusammenhang mit Krankheit und Gesundheit. Derartige psychosomatische Gedanken waren bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts selbstverständlich in die Medizin integriert; mit dem Aufkommen einer streng naturwissenschaftlichen Medizin traten sie in den Hintergrund und tauchten Anfang des 20. Jahrhunderts als Gegenbewegung wieder auf. Am bekanntesten wurden psycho-analytische Ansätze, wie sie von Freud initiiert und von seinen Schülern weiterentwickelt wurden, ferner philosophisch-anthropologische Entwürfe, wie sie Viktor von Weizsäcker entwickelt hat, oder psychophysiologische Ansätze, wie wir sie seit Pawlow oder Cannon im Vorfeld der Stressforschung finden. In Deutschland nahmen Psychosomatische Medizin und Psychotherapie nach dem Zweiten Weltkrieg eine besonders intensive Entwicklung: Es entstanden zahlreiche Kliniken für stationäre Psychotherapie, und ambulante psychoanalytische Behandlung wurde als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen anerkannt (1967). Seit der Approbationsordnung von 1970 wurden Psychosomatische Medizin und Psychotherapie als scheinpflichtiges Unterrichtsfach im medizinischen Unterricht verankert und in neu gegründeten Universitätsabteilungen gelehrt. Als erste universitäre Einrichtung war bereits 1950 die Psychosomatische Klinik Heidelberg unter Leitung Alexander Mitscherlichs eingerichtet worden. Den Versuch einer Integration internistischer und psychosomatischer Ansätze in der universitären Medizin verfolgten vor allem Thure von Uexküll und seine Schüler.
1992 wurde nach langer berufspolitischer Diskussion vom Deutschen Ärztetag die Einführung eines Facharztes beschlossen, dem die Bezeichnung "Arzt für Psychotherapeutische Medizin" gegeben wurde. Im gleichen Jahr veröffentlichte der Wissenschaftsrat seine Leitlinien für die Reform des Medizinstudiums. Darin heißt es: "Gesundheit und Krankheit müssen als ein komplexes, vielfach verwobenes Gefüge verstanden werden, in dem biologische, psychologische und soziale Elemente von Gesundheit und Krankheit als gleichwertige Bedingungen der menschlichen Existenz zu begreifen sind."
Jede medizinische Disziplin hat es im Umgang mit Krankheit und Gesundheit mit diesen Ebenen des biologischen, psychologischen und sozialen Geschehens zu tun, doch richten die einzelnen Fächer den Fokus ihrer wissenschaftlichen Aufmerksamkeit und den Akzent ihres praktischen Handelns mehr auf die eine oder die andere Ebene. Im Folgenden soll eine vergleichende Betrachtung der Ebenen - die freilich engstens verwoben sind und nur künstlich auseinander gehalten werden - deutlich machen, wo Psychosomatik ihre Akzente setzt und worin sich ihre Sichtweise von der eines typisch organmedizinischen Faches unterscheidet.
Organsystem im Mittelpunkt Sie erfasst die Krankheit im traditionellen medizinischen Sinne. Im Mittelpunkt des Interesses steht das erkrankte Organ oder Organsystem, an ihm wird die Krankheit objektiviert. Die Befunde beziehen sich auf die Morphologie der Organe, auf mikroskopisch sichtbare Gewebestrukturen und auf Funktionsstörungen, die technisch oder laborklinisch erfasst werden.
Das zugehörige Modell von Krankheit sieht den Körper als ein vernetztes, zelluläres, neuronales, endokrines System, dessen Gleichgewicht entweder durch Defekte oder durch äußere oder innere Reize gestört werden kann; beides führt zu vielfältigen Dysregulationen, die Prozesse der Gegenregulation und Bewältigung in Gang setzen (Beispiel: die Entzündung eines Gewebes als Folge einer gestörten Autoimmunregulation oder als Antwort auf eingedrungene Erregers).
Die therapeutische Intervention erfolgt in diesem biologisch-naturwissenschaftlichen Modell auf physikalischem Wege (z. B. durch Operationen oder Bestrahlungen), mit chemisch-pharmakologischen Mitteln (Medikamente) oder rehabilitativ durch Maßnahmen der Entlastung und Umstellung, Umgewöhnung.
Wissenschaftstheorie Fragen wir nach der Wissenschaftstheorie dieser Ebene, so sehen wir, dass vor allem die Forschung, partiell auch die Praxis sich auf die Prinzipien naturwissenschaftlicher Empirie stützen. Diese postulieren eine strikte Trennung des Subjekts (des Wissenschaftlers) vom Objekt seiner Wissenschaft und etablieren die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität. So werden Qualitäten des Körpers bzw. seiner Organe oder Funktionen quantifiziert, d. h. sie werden unter standardisierten Bedingungen oder unter experimentell variierten Bedingungen gemessen und gewichtet; die gewonnenen Daten werden sodann in biometrisch-mathematischen Modellen auf Ähnlichkeit und Unterschiede hin berechnet und gegen Zufallswahrscheinlichkeit abgesichert.
Eine naturwissenschaftlich verstandene Medizin richtet den Fokus ihrer rationalen Bemühungen auf diese Ebene. Was dabei eben kursorisch umrissen wurde, stellt in Wahrheit ein riesiges Gebiet dar, das sich in zahlreiche klinische Fachgebiete und vorklinisch-naturwissenschaftliche Bereiche aufgliedern lässt. Ob es sich um die Epidemiologie von Krankheiten, die Pharmakodynamik von Medikamenten, den Biomagnetismus des Herzens oder den Stoffwechsel von Bakterien handelt, stets gelten die Regeln der empirischen Analytik. Die Faszination dieses Modells liegt darin, dass durch die analytisch zergliedernde Forschungsweise immer neue naturwissenschaftliche Details des Systems entdeckt und ständig neue, chemische und physikalische Eingriffsmöglichkeiten entwickelt werden; für viele verknüpft sich damit ein Gefühl des unaufhaltsamen naturwissenschaftlichen Fortschritts.
Einstellung der Psychosomatik Welche Einstellung hat die Psychosomatik zu dieser Ebene? Ältere Psychosomatiker wie beispielsweise von Uexküll haben dieses Modell - sofern es einen Ausschließlichkeitsanspruch erhebt - heftig kritisiert. Es erscheint ihm als ein seelenloses Maschinenmodell, das der Natur des Menschen nicht gerecht wird und ihn als Objekt der Naturwissenschaft notwendigerweise dehumanisiert. Heute stellt sich die Frage nicht mehr, ob das naturwissenschaftliche oder ein anderes Paradigma letztendlich die Oberhand behalten wird, sondern welches auf der jeweiligen Ebene handlungsleitend sein soll und wie sich die ganz unterschiedlichen methodischen Zugangsweisen der verschiedenen Ebenen einander annähern lassen. Kein klinischer Psychosomatiker kann die biologischnaturwissenschaftliche Ebene ausgrenzen. Sie bildet stets einen wichtigen Pol seines Denkens und Handelns, wie sich aus Wortverknüpfungen wie Psycho-Immunologie, Psycho-Onkologie usw. ablesen lässt.
Schon in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg betonten Vertreter einer Heilkunde, die sich psychosomatisch verstand (wenngleich sie sich noch nicht so nannte), dass es nicht Organe, sondern Menschen, nicht Krankheiten, sondern Kranke zu behandeln gelte (z. B. Georg Groddeck). Viktor von Weizsäcker hat diesen Aspekt der Personalität in einer philosophisch fundierten medizinischen Anthropologie entwickelt und im Laufe von Jahrzehnten ausdifferenziert.
Kennzeichen des Subjekts Es ist zu untersuchen, wie sich unser Krankheitsmodell verändert, wenn wir die Persönlichkeit des Erkrankten in den Mittelpunkt rücken. Die Folgen dieses Perspektivenwechsels sehen wir deutlich im Umgang mit dem Körper. Auf der biologischen Ebene ist der Körper mit seiner Organmorphologie und seinen Organfunktionen Gegenstand naturwissenschaftlicher Objektivierung; er ist Objekt der Untersuchung und Behandlung. Auf der personalen Ebene dagegen ist der Körper ein Teilaspekt des menschlichen Subjekts (Aspekt der Leiblichkeit). Das Subjekt (hier synonym mit Person gemeint) ist dadurch ausgezeichnet, dass es selber denkt, meint, empfindet, Absichten hat, Wertungen vornimmt; es hat Kognitionen und Emotionen, die auf seinen Erfahrungen basieren:
Das Subjekt hat eine Ausrichtung auf seine Geschichte, durch die es geprägt wurde. Es bezieht sein Selbstverständnis und sein Weltbild aus seinen Erfahrungen in der eigenen Biografie.
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