Schweitzer Fachinformationen
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Vorwort
Wir haben täglich mit Risiken zu tun. Viele sind überschaubar, und wenn wir sie falsch einschätzen, hat das kaum Folgen. Wenn Sie 100 Euro in eine Aktie investieren, dann tut es Ihnen nicht weiter weh, wenn Sie einen Teil davon verlieren. Kann ein Risiko jedoch schmerzhafte und bleibende Schäden verursachen, dann sprechen wir von einer Bedrohung. Wenn Sie ein Ferienhaus am Rand einer Klippe kaufen, dann erreicht das Risiko dieses Niveau der Bedrohung. Klimawandel, Stürme und Erosion bedrohen Ihre Investition und womöglich sogar Ihr Leben, wenn Sie tatenlos dabei zusehen, wie sich die Abbruchkante allmählich Ihrem Haus nähert.
Mit unseren Entscheidungen können wir zumindest einen gewissen Einfluss auf unser Schicksal nehmen. Diese Entscheidungen werden allerdings komplizierter, wenn es um kollektive oder gesellschaftliche Risiken geht, die in die Zuständigkeit der Politik fallen. Sollen wir Krieg führen? Soll der Staat eine Branche mit Finanzspritzen retten? Soll die Politik den Kohlendioxidausstoß besteuern, um den Klimawandel zu bremsen? Auf Entscheidungen wie diese haben wir als Einzelne nur sehr bedingt Einfluss, doch die möglichen Konsequenzen für jede und jeden von uns sind gewaltig. Ein Blick auf die Finanzkrise des Jahres 2008 oder den unschlüssigen Umgang mit der Coronapandemie reicht, um zu verstehen, dass schlechte Politik unsere Ersparnisse vernichten und das Leben und die wirtschaftliche Existenz von Millionen von Menschen bedrohen kann. Kollektive Entscheidungen sind deutlich schwieriger als die von Einzelnen. Und manchmal kommt es nicht einmal zu einer Entscheidung, weil sich die Politiker nicht einig werden.
Als Wirtschaftswissenschaftler beschäftige ich mich mit Risiken und deren Konsequenzen. Im Jahr 2006 beobachtete ich die astronomischen Preise auf dem privaten Immobilienmarkt, einen beängstigenden Anstieg der Hypothekenverschuldung und einen Bauboom, bei dem so viel gebaut wurde, dass neue Häuser keine Käufer mehr fanden. Ich warnte, dass diese beispiellose Blase bald platzen und die Welt in eine Rezession und eine Finanzkrise stürzen würde. Damit machte ich mir keine Freunde. Kritiker verspotteten mich als Untergangspropheten »Dr. Doom« und wollten nichts von meiner Forderung nach Gegenmaßnahmen hören. So nahmen die Dinge ihren Lauf. Am Ende stand die Weltfinanzkrise, der Immobilienmarkt der Vereinigten Staaten und einiger anderer Länder kollabierte, und das Finanzsystem und die Weltwirtschaft wurden bis in ihre Grundfesten erschüttert.
Risiken und Bedrohungen lauern überall. Einige entwickeln sich nur langsam, andere sind deutlich gefährlicher als andere. Die größten Bedrohungen ziehen besonders langsam herauf, weshalb es so schwierig ist, Gesellschaft und Politik zu einer Reaktion zu bewegen. In diesem Buch möchte ich die größten Bedrohungen skizzieren, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist. Einige davon könnten uns schon sehr bald treffen, andere erst in etwas fernerer Zukunft. Unter diesen »Megabedrohungen« verstehe ich einschneidende Probleme, die gewaltigen Schaden anrichten und Elend verursachen können und die sich weder einfach noch rasch beseitigen lassen.
Kriege klammere ich in diesem Buch aus, auch wenn sie großes Leid verursachen, wie zuletzt der brutale Einmarsch Russlands in die Ukraine. Kriege sind so alt wie die Menschheit; einige sind regional, andere erfassen die ganze Welt; einige enden rasch, andere ziehen sich über viele Jahre hin. Aber Kriege sind keine neue Bedrohung, und ihre Vermeidung fällt nicht in mein Fachgebiet, auch wenn ich auf den folgenden Seiten geopolitische Megabedrohungen erörtere, die Kriege zwischen den Weltmächten provozieren und Menschen und Wirtschaft stark in Mitleidenschaft ziehen könnten. Als Megabedrohungen bezeichne ich vielmehr übergreifende wirtschaftliche, finanzielle, politische, geopolitische, technische, medizinische und klimatische Herausforderungen. Einige dieser Bedrohungen könnten durchaus einen Kalten Krieg auslösen oder auch zu militärischen Auseinandersetzungen führen. Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich zehn Bedrohungen auf uns zukommen sehe, die so existenziell und dringlich sind, dass wir ihnen mit klarem Blick entgegentreten müssen, um zu verhindern, dass sie uns vernichten.
Gerade in Sachen Wirtschaftskrisen haben wir ein ausgesprochen kurzes Gedächtnis. Von einigen kurzen Unterbrechungen abgesehen, hat die Welt seit Ende des Zweiten Weltkriegs eine lange Phase des Friedens, des wachsenden Wohlstands und der Produktivität erlebt. Das vergangene Dreivierteljahrhundert war eine Zeit der relativen Stabilität. Rezessionen waren, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kurz. Innovationen haben unsere Lebensqualität verbessert. In den meisten Ländern konnte jede neue Generation ihren Lebensstandard gegenüber dem ihrer Eltern und Großeltern verbessern.
Diese lange Phase des relativen Wohlstands neigt sich heute leider dem Ende zu. Die Epoche der Stabilität endet, und eine Zeit der akuten Instabilität, des Konflikts und des Chaos bricht an. Wir sehen uns Bedrohungen gegenüber, wie sie die Menschheit noch nie erlebt hat - und diese Bedrohungen hängen eng miteinander zusammen.
Wir stehen am Rande einer Klippe, und der Boden unter unseren Füßen gibt nach. Trotzdem glauben die meisten Menschen noch immer, dass sich die Zukunft nicht wesentlich von der Vergangenheit unterscheiden wird. Das ist ein folgenschwerer Irrtum. Die Warnsignale sind klar und unmissverständlich. Wirtschaftliche, technische, politische, geopolitische, gesundheitliche und Umweltgefahren haben sich zu etwas viel Größerem aufgeschaukelt und werden die Welt bis zur Unkenntlichkeit verändern. Willkommen im Zeitalter der Megabedrohungen.
Wir müssen lernen, in Alarmbereitschaft zu leben. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Gewissheiten von einst - Arbeitsplatzsicherheit, eine intakte Umwelt, der Sieg der Menschheit über Infektionskrankheiten, der Frieden zwischen den Großmächten - lösen sich in Luft auf. Die Nachkriegsjahrzehnte des Wirtschaftswachstums und Wohlstands, die nur von vorübergehenden Phasen der Inflation und Rezessionen unterbrochen wurden, gehen zu Ende, und es drohen Wirtschafts- und Finanzkrisen, wie sie die Menschheit seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre nicht mehr erlebt hat. Diese Krisen werden noch verschärft durch den Klimawandel, den demografischen Kollaps, die nationalistische Mobilmachung gegen Welthandel und Migration, den globalen Konkurrenzkampf zwischen China (und seinen De-facto-Verbündeten Russland, Iran und Nordkorea) und dem Westen sowie eine technische Revolution, die in kürzerer Zeit mehr Arbeitsplätze vernichten wird als jede andere vor ihr.
Dieses Buch beschreibt die zehn größten Bedrohungen, die auf uns zukommen. In dieser Zusammenstellung wird sichtbar, wie sie sich überschneiden und gegenseitig verstärken. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Schuldenbergen und Schuldenfallen, billigem Geld und Finanzkrisen, künstlicher Intelligenz und Arbeitsplatzverlust, Entglobalisierung, geopolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten, Inflation und Rezession, Währungskrisen, Ungleichverteilung und Populismus, globalen Pandemien und Klimawandel. Jede dieser Krisen behindert uns bei der Bekämpfung der anderen. Eine einzige dieser Bedrohungen wäre schon schlimm genug. Zehn Megabedrohungen gleichzeitig sind eine ganz andere Dimension.
In der Folge analysiere ich jede Bedrohung in einem eigenen Kapitel und bewerte dann unsere kollektiven Aussichten, heil aus ihnen herauszukommen. Um es vorwegzunehmen: Ohne großes Glück, beispielloses Wirtschaftswachstum und unwahrscheinliche globale Kooperation wird dies kein gutes Ende nehmen. Zu tief stecken wir im Schlamassel.
Wir haben unser Schicksal selbst in der Hand. Viele der hier beschriebenen Megagefahren haben sich aus politischen Entscheidungen ergeben, die eigentlich als Lösung für konkrete Probleme gedacht waren: fehlgeleitete Deregulierung der Finanzmärkte, unkonventionelle makroökonomische Politik, auf Kohlendioxidemissionen basierende Industrialisierung, Produktionsverlagerung ins Ausland, die Entwicklung der künstlichen Intelligenz oder die Förderung Chinas auf dessen Weg zu einer international konkurrenzfähigen Macht, um nur einige zu nennen.
Wenn wir die hier erörterten Megabedrohungen bewältigen wollen, müssen wir uns von einigen lieb gewonnenen Annahmen verabschieden. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass in der Industrie wegrationalisierte Stellen durch neue und bessere Arbeitsplätze in anderen Sektoren ersetzt werden, wie dies früher so oft der Fall war. Wir können nicht erwarten, dass Steuersenkungen, Liberalisierung des Handels und Deregulierung wirtschaftliche Kräfte freisetzen, die für alle Menschen gleichermaßen von Vorteil sind. Unser Überleben könnte vielmehr davon abhängen, die Freiheit des Einzelnen dem nationalen und globalen Gemeinwohl unterzuordnen. Wenn wir nicht zu nachhaltigem Wachstum für alle finden, dann laufen wir Gefahr, in ein finsteres Zeitalter der Stammeskriege zurückzufallen, in dem widerstreitende Interessen endlose nationale und internationale Konflikte schürten und nur Verlierer zurückblieben.
Dieses Buch nimmt zwar eine mittelfristige Sicht ein und beschäftigt sich mit Megagefahren, die in den kommenden zwei Jahrzehnten unsere Zukunft bedrohen, doch die ersten dunklen Wolken zogen schon 2022 auf: Die Rückkehr der Inflation in den Industrienationen und die zunehmende Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession ließen eine »Stagflation«, die Kombination dieser beiden Phänomene, wahrscheinlicher werden; die Anhebung der Leitzinsen durch die Zentralbanken vergrößerte die Instabilität...
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