Schweitzer Fachinformationen
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Es ist fünf vor zwölf. Wenn in der laufenden Verhandlung Insiderinformationen nach außen dringen, kann alles scheitern. Der Countdown läuft, aber wer stoppt den Täter?
Ralf Rötgen knallt einen Stapel Unterlagen auf den Tisch und brüllt: »So eine Scheiße darf nie wieder passieren!« Er sieht in die betretenen Gesichter seiner Kollegen. Die Situation ist ernst. Die Halbleiterbranche ist ein Haifischbecken. Jedem war klar, dass die Übernahme heikel werden würde. Selbst auf oberster Ebene hatte man lange über Sinn und Unsinn dieses Schrittes gestritten. Am Ende gab es ein Machtwort aus dem Vorstand und man hatte sich auf eine abgestimmte Kommunikation bis zum Abschluss der ersten Verhandlungen verständigt. So lange sollte alles topsecret behandelt werden. Ralf Rötgen zitiert aus einem Schreiben, das ihn am Vormittag über den zentralen Posteingang erreicht hatte:
Herrn Ralf Rötgen
Persönlich/vertraulich!
Sie stehen kurz davor, den größten Fehler Ihrer bis dato so bilderbuchhaften »Karriere« zu machen. Den Kauf der TamTeck werden Sie nicht »überleben«. Anstatt sich eine Spielwiese für Ihr Ego zu schaffen, sollten Sie besser das Kerngeschäft anpacken. (.) Man sieht auf den ersten Blick, dass die Zahlen geschönt, und die TamTeck deutlich überbewertet ist. Da hat noch einmal jemand »die Braut hübsch gemacht«.
Dadurch wird unsere Lage nicht besser, sondern immer ernster. Das Wasser steht uns bis zum Hals. Leider lassen Sie uns keine andere Möglichkeit, das Unternehmen, seine Mitarbeiter, und letztendlich auch Sie(!) zu schützen!
Geben Sie Ihre diesbezüglichen Pläne besser auf, sonst sehen wir uns gezwungen, die in der Anlage befindliche Studie in Kürze der Belegschaft zugänglich zu machen. Der Schritt in die Medien ist dann auch nicht mehr weit. Und dann waren Sie die längste Zeit der strahlende Saubermann . (.)
Damit ist dann wohl alles gesagt .
Hochachtungsvoll,
besorgte Mitarbeiter
Dieser Text entspricht sinngemäß dem originalen Brief, Namen wurden geändert, Fehler und besondere Merkmale wurden dem Original entsprechend sinngemäß übernommen.
Dem anonymen Schreiben beigefügt war die Kopie eines internen Dokumentes der Geschäftsentwicklung, in dem von der Stilllegung einer größeren Forschungseinrichtung und der Streichung von zweihundert Stellen nach der Fusion ausgegangen wird.
Tatsächlich war dieser einschneidende Schritt notwendig, um das Unternehmen strategisch neu auszurichten. Das Marktumfeld hatte sich innerhalb der letzten beiden Jahre so verändert, dass ein Weiter-so in den sicheren Konkurs geführt hätte. Die Fusion mit der Firma TamTeck war ein dünner Strohhalm, um das Geschäft der LithioNanoTec im Kern zu retten und zukunftsfähig zu machen. Um den Zusammenschluss zu ermöglichen, waren im Vorfeld defizitäre Geschäftsbereiche rigoros eingestellt worden. Dabei hatte sich das Unternehmen gut innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens bewegt. Ralf Rötgen war sich seiner Verantwortung zu jedem Zeitpunkt bewusst und hatte seine Entscheidungen dementsprechend getroffen. Der ganze, teilweise schmerzhafte Prozess war so sozialverträglich wie möglich aufgesetzt worden. Die dennoch drastischen Maßnahmen hatten natürlich trotzdem Verunsicherung und Angst in der Belegschaft ausgelöst. Die aktuelle Verhandlung war eine der wenigen verbleibenden Chancen. Doch der Deal war noch nicht in trockenen Tüchern. Wenn er eine Chance haben sollte, brauchte Rötgen Stabilität in seiner Belegschaft und jeden Einzelnen seiner hoch spezialisierten Wissenschaftler. Deshalb stellte in dieser Phase jede Störung von außen eine ernste Gefahr dar. Ein Scheitern hätte sechshundert weitere Jobs gekostet.
Auch dieser Fall ist ein klassischer Einsatzbereich für die Sprachprofiler der Agentur für forensische Textanalyse. Der Auftrag lautet: Überführen Sie den anonymen Täter! Unser Auftraggeber: Ein Unternehmen, das »stille« Ermittlungen - ohne Staatsanwaltschaft - wünscht. Unsere wichtigste Aufgabe: Klarheit schaffen! Denn neben allen strategischen Herausforderungen, vor denen Herr Rötgen jetzt steht, wäre sein größtes Problem, einen nicht identifizierten Maulwurf in den eigenen Reihen zu wissen.
Anonyme Schreiben treten in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf. Die aus Illustrierten ausgeschnittenen und aufgeklebten bunten Buchstabentexte sind - und waren schon immer - die absolute Ausnahme. Jede andere Form ist tägliche Praxis: handgeschrieben oder gedruckt auf Papier, per E-Mail von anonymen ausländischen Servern aus, bis hin zu Textnachrichten auf dem Smartphone, deren Absender technisch nicht zurückverfolgt werden kann.
Briefe, wie im Fall der LithioNanoTec AG, sind immer auch Spurenträger und sollten deshalb sorgfältig kriminaltechnisch untersucht werden. Das Sichern von Fingerabdrücken, Faserspuren oder DNA-Anhaftungen sind klassische kriminalistische Ermittlungsansätze. Genau wie die Analyse des Papiers, des Schreibmittels, der Handschrift oder des Druckverfahrens. Das Sprachprofiling verfolgt einen neuen, einen anderen Ansatz.
Durch sprachwissenschaftliche Methoden können auch Täter überführt werden, die sich der klassischen Ermittlungsmethoden bewusst sind und deshalb absichtlich tarnen oder täuschen. Genauso wie jene, die aus der Anonymität des Internets heraus bedrohen, verleumden oder erpressen. Der Sprachprofiler hat einen großen Vorteil auf seiner Seite. Denn ein Täter, der sein Ziel erreichen will, muss immer eines tun: Er muss kommunizieren!
Sprache hat immer einen persönlichen Stil. Denn Sprache ist ein hochgradig schöpferischer Prozess. Bei der Wahl jedes einzelnen Wortes, jeder Einleitung, jeder Anrede, jeder Höflichkeitsform, jeder Zeitform, jeder Redewendung, jedes Satzzeichens, jeder Groß-und Kleinschreibung, jeder Aktiv- oder Passivkonstruktion, jeder Betonung und jeder Reihenfolge, jedes Haupt- und jedes Nebensatzes muss der Akteur Entscheidungen treffen.
Ein wesentlicher Aspekt des Sprachprofilings ist, dass wir unsere gesprochene Sprache, genau wie auch geschriebene Texte, zum größten Teil unbewusst bilden. Wir folgen dabei Mustern, die tief in uns verankert sind. Diese Muster entstehen, weil unsere Sprache von Anfang an durch unser soziales und kulturelles Umfeld geprägt wird. Beispielsweise durch unsere Eltern, die Familie, Freunde, Schule, den Beruf und nicht zuletzt durch unsere ganz individuellen persönlichen Interessen. Wir haben sie so verinnerlicht, dass wir sie nicht mehr bewusst wahrnehmen. Vielleicht haben auch Sie in Ihrem Umfeld Menschen, die bestimmte Formulierungen, wie zum Beispiel »nicht wirklich«, »dementsprechend« oder »echt jetzt?« so häufig verwenden, dass Sie sich fragen, ob ihnen diese Auffälligkeit überhaupt bewusst ist.
»Sie stehen kurz davor, den größten Fehler Ihrer bis dato so bilderbuchhaften >Karriere< zu machen.« Allein diesen Satz hätte der Täter auf hundert verschiedene Arten und Weisen formulieren können. Hat er aber nicht. Er hat nicht formuliert: »Sie stehen kurz vor dem größten Fehler Ihres Lebens .«, er hat geschrieben »bis dato« und nicht »bis heute«, »bisher« oder »bislang«. Statt bei der Sache zu bleiben, hat er einen polemischen zweiten Halbsatz gewählt, und das Wort »Karriere« in Anführungszeichen gesetzt. Auch das hätte er nicht tun müssen. Aber ist unsere Sprache wirklich so einmalig wie unser Fingerabdruck?
Ein Fingerabdruck ist einmalig und unveränderbar. Der Kriminalist muss bei der Spurensicherung genau wissen, wo das Suchen Sinn macht. Während ein Laie auf der Tischplatte suchen würde, sucht ein Profi auch darunter. Genauso ist es bei der Textanalyse. Oft sind es die subtilen, auf den ersten Blick nicht sichtbaren Muster, die am Ende zum Täter führen. Der Kriminalist braucht für jede Oberfläche den richtigen Pinsel, das perfekte Pulver, die passende Folie und in schwierigen Fällen besonderes Licht oder Chemikalien. Beim Sichern hat er nur eine einzige Chance. Wenn er handwerklich einen winzigen Fehler macht, ist die Spur für immer verloren. Die Spuren, die der Sprachprofiler auswertet, sind robuster. Der »Tattext« ist dokumentiert, schwarz auf weiß, auf immer und ewig. Um Muster zu erkennen, brauchen wir kein Original. Uns genügt eine gute Kopie. So beginnt unsere Arbeit oft schon, während das Tatschreiben noch bei der Kriminaltechnik liegt.
Der »sprachliche Fingerabdruck« hat gegenüber den Papillarlinien...
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