Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Blasmusik und laute Gespräche erfüllten den Gastraum. Zufrieden ließ Alfred seinen Blick über die Festgesellschaft schweifen. Die Gäste in der Hochzeitsschenke unterhielten sich angeregt miteinander. Neben ihm setzte sich Sophie an den Tisch. Sie lächelte ihn fröhlich an und gab ihm einen Kuss. In ihrem schwarzen taillierten Brautkleid mit weißem Schleier und dem frühlingshaften Blumenkranz sah sie schöner aus als alle anderen Hochzeiterinnen, die er bisher gesehen hatte.
Besorgt deutete sie zu seiner Mutter. »Meinst du, Luise vermisst deinen Vater? Irgendetwas scheint sie zu bedrücken.«
Alfred sah zum Tisch seiner Familie. Dort saß seine Mutter bei seinen Schwestern Maria und Emilie mit deren Anhang. Er beobachtete sie eine Weile. Tatsächlich schien Luise irgendetwas zu beschäftigen. Der Kummer darüber, dass sein Vater die Hochzeit nicht mehr miterleben konnte, war es nicht. Denn seine Mutter sah anders aus, wenn ihr etwas auf der Seele lag. Es war mehr ein Ausdruck von Wut auf ihrem Gesicht. Aufgebracht diskutierte sie mit Maria.
»Ich denke nicht, dass es wegen Vater ist«, meinte er, zu Sophie gewandt. »Aber ich werde trotzdem kurz zu ihr hinübergehen. Es interessiert mich, was der Grund für ihre Aufregung ist.«
»Ja, schau du mal nach dem Rechten«, pflichtete Sophie ihm bei und wandte sich ihrer Brautjungfer zu.
Während Alfred zu seiner Familie an den Tisch ging, spielte die Musikkapelle zur nächsten Tanztour auf. Mit rund 15 Mann saßen seine Musikkameraden dicht beieinander im Gastraum. Er fühlte sich geehrt, dass sie für ihn und Sophie musizierten. Mit dabei waren seine Freunde Deddo, Hinke und sogar sein Schwager Konrad. Alle feierten gemeinsam mit ihnen. Nur ein Gast fehlte, sein Vater Matthäus. Ihn hätte es sicher mit Stolz erfüllt, die Hochzeit seines Sohnes zu erleben. Zumal er Sophie sehr gemocht hatte. Als Alfred sie ihm das erste Mal vorgestellt hatte, war Matthäus ganz angetan von der jungen Fotografentochter aus der Stadt. Mit der geplanten Vermählung war er sofort einverstanden gewesen. Der Hochzeitstag war ihm allerdings nicht vergönnt. Trotz alledem sollten sie heute fröhlich sein, hatte Luise zu Alfred gesagt. Sein Vater hätte es sicherlich nicht anders gewollt.
Alfred setzte sich zu seiner Familie und blickte seine Mutter fragend an. »Ist irgendetwas passiert?«
Luise schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Nein. Was soll schon sein?«
Er musterte sie skeptisch. »Ich sehe doch, dass dich irgendwas wurmt. Das kannst du vor mir nicht verbergen.«
Maria wandte sich an Luise. »Das meine ich auch. So schlimm ist es nicht. Also kannst du es ihm sagen.«
Erwartungsvoll blickte Alfred seine Mutter an. Sie rang sichtbar mit sich. »Was soll schon sein?«, begann sie verlegen. »Die Sailer Agnes hat nichts Besseres zu tun, als euren Gästen alte Schauermärchen aufzutischen. Und das an eurem Hochzeitstag!«
»Wieso? Was erzählt sie denn?«, fragte er neugierig.
»Ach! Irgendeinen Aberglauben!«
Luise sagte nichts weiter, doch Emilie drängte sie. »Er glaubt ja sowieso nicht an solche Geschichten, Mutter.«
Alfred wurde ungeduldig. »Nun erzähl schon!«
Trotz der Musik im Gastraum beugte sich Luise zu ihm über den Tisch und sprach mit gedämpfter Stimme. Niemand anderer der Hochzeitsgäste sollte etwas davon hören. »Ich war vorhin bei Agnes drüben, und da hat sie mir von dem alten Geschwätz ihrer Großmutter erzählt. Die habe gesagt, dass beim Hochzeitsessen nie ein Stuhl frei bleiben dürfe, weil sich sonst der Gevatter Tod darauf setzt. Und weil der Platz von Adelbert während dem Essen verwaist war, hat sie gleich allen anderen Gästen von diesem Unfug erzählt. Die dumme Gans!«
Alfred blickte zum Tisch nebenan, an dem seine jüngste Schwester Irma mit den Kindern saß. Der Stuhl seines Schwagers war immer noch unbesetzt. Alfred scherzte mit seiner Mutter. »Aha! Einer von uns wird also in den nächsten Stunden tot umfallen, weil Adelbert zu seiner kalbenden Kuh in den Stall musste.«
Luise schnaubte verärgert. »Ich weiß auch, dass es nur ein Ammenmärchen ist! Aber Agnes soll so einen Blödsinn für sich behalten und nicht im ganzen Prinz Max herumerzählen. Darüber redet morgen sicher ganz Neufrach!«
Er schmunzelte und versuchte, sie zu beruhigen. »Jetzt mach dir keine Gedanken über dieses Geschwätz. Oder darüber, was morgen im Dorf getratscht wird. Sophie und ich haben heute unseren Ehrentag. Den wollen wir in fröhlicher Stimmung feiern.«
»Hast du es Irma erzählt?«, bohrte Maria bei ihrer Mutter nach.
»Wo denkst du hin!«, entgegnete Luise entsetzt. »Das werde ich ihr sicher nicht sagen. Sonst regt sie sich auch darüber auf!«
»So ist es«, meinte Alfred und nickte. »Adelbert müsste ja sowieso bald zurückkommen. Hoffen wir, dass seine Kuh das Kalb gesund zur Welt gebracht hat und er mit der Arbeit fertig ist. Die Kellnerin hat ihm sicher einen vollen Teller zurückgestellt. Schließlich soll ihm unser Festmahl nicht entgehen.«
»Haben die Gäste im Nebenzimmer denn genug zum Essen bekommen?«, wollte Luise wissen.
»Nur diejenigen, die uns einen Geldschein in die Suppenschüssel gelegt haben«, nahm er sie auf den Arm. »Ich habe vorhin beim Gratulieren genau beobachtet, wer wie viel gegeben hat.«
»Da kannst du lang drauf warten, dass dabei viel Geld rauskommt«, meinte Maria nüchtern. »Bei unserer Hochzeit war nicht so viel drin, wie wir uns erhofft hatten.«
Alfred zwinkerte ihr zu. »Die Leute werden gedacht haben, dass ihr von der Linde schon genug an ihnen verdient habt.«
»Sei bloß froh, dass du die Schmiede von Vater geerbt hast!«, ereiferte sich Maria. »Die wirft sicher mehr Geld ab als unser Wirtshaus.«
Luise fuhr gekränkt dazwischen. »Von euch kann sich sicher keiner beschweren. Euer Vater und ich haben darauf geachtet, dass jeder etwas bekommt, nicht nur Alfred.«
»Ist schon gut, Mutter«, beruhigte Maria sie. »Ich habe es ja nicht ernst gemeint.«
»Das will ich bloß hoffen«, murrte Luise.
»Ich habe meine Schwester schon richtig verstanden«, sagte Alfred und lachte. »So! Jetzt geh ich mal nach nebenan und frag unsere Gäste, ob sie wirklich satt geworden sind.«
»Genau! Lass dich als Bräutigam ruhig mal bei ihnen blicken«, forderte Luise ihn auf.
»Jawohl, Mutter!«, antwortete er in militärischem Ton und schmunzelte dabei. Heute war er besonders gut zu Späßen aufgelegt. Luise schüttelte ohne Worte den Kopf.
Entschlossen stand Alfred auf und ging hinüber. Im Vorbeigehen dankte er seinen Musikkameraden, die eine Pause einlegten. Im Nebenraum des Gasthauses machte er bei den Gästen aus der Nachbarschaft die Runde. Wie es die Tradition verlangt, hatten er und Sophie das ganze Dorf zur abendlichen Hochzeitsschenke eingeladen. Bei Simon von der Mühle blieb er stehen. »Und, was macht die Arbeit?«, fragte er den Müllermeister.
»Mehr schlecht als recht«, antwortete dieser. »Vor einem Monat habe ich geglaubt, wir bekommen ein Hochwasser wie vor sechs Jahren. Damals hat es uns alles fortgerissen.«
»Gott bewahre!«, sagte Alfred. »Ich erinnere mich noch daran. Mein Vater hatte einen ganzen Sack voll Nägel für den Wiederaufbau geschmiedet, gell?«
»Ja, genau. Das Mühlenwehr war kaputt und der ganze untere Stock unter Wasser. Alles war dahin! Ich hoffe bloß, dass uns das nie wieder passiert!«
Alfred pflichtete ihm bei und setzte seine Runde fort. Bei einigen Gästen hielt er einen kleinen Schwatz, bevor er seinen Rundgang beendete. Als er in den großen Gastraum zurückkam, spielte die Musikkapelle wieder auf. Er wollte seine Braut zum Tanz holen, doch Sophie war nicht am Platz. Alfred sah sich um, aber sie war nirgends zu sehen. Er setzte sich zurück an den Tisch und stupfte Karolina. Die Brautjungfer war mit ihrer Mutter im Gespräch und drehte sich zu ihm um.
»Wo ist Sophie hin?«, fragte er.
»Sie musste aufs Klo.«
»Ist sie schon länger weg? Die Musik spielt einen schönen Walzer. Ich würde gern mit ihr tanzen.«
»Sie müsste gleich da sein«, versicherte Karolina und wandte sich wieder ab.
Ungeduldig lauschte Alfred der Musikkapelle. Der Platz des Brautführers neben ihm war frei, denn Utz war beim Tanzen. Neugierig kam Luise herüber und setzte sich auf dessen Stuhl. »Wollt ihr denn nicht tanzen?«, fragte sie verwundert.
»Das würde ich ja gern. Aber meine Braut ist auf dem Klo.«
Sie lächelte verlegen. »Dann leiste ich dir kurz Gesellschaft.« Voller Stolz tätschelte sie seinen Arm. »Ganz vornehm siehst du heute aus, mein Bub!« Sie seufzte. »Wenn dich bloß dein Vater so sehen könnte.« Einen Moment saßen sie wortlos beieinander und beobachteten das heitere Treiben.
»Ich setz mich jetzt zu Richard hinüber«, sagte Luise. »Wenn er und ich schon allein auf der Hochzeit sind, wollen wir wenigstens miteinander reden und fröhlich sein. Dein Vater und Sophies Mutter hätten das bestimmt genauso gesehen.«
»Da hast du sicher recht«, stimmte Alfred ihr zu.
Der Walzer war inzwischen zu Ende, und die Musikkapelle spielte als Nächstes eine Polka. Jetzt wollte er sich nicht mehr länger gedulden und zupfte Karolina abermals am Ärmel. »Kannst du mal nachschauen, wo Sophie ist? Sie müsste doch längst zurück sein!«
Die Brautjungfer ging sogleich hinaus zu den Toiletten. Wenige Minuten später kam sie zurück. Ihr Gesichtsausdruck war ratlos. »Auf dem Klo ist sie nicht. Vielleicht ist sie nebenan?«...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.