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Ein paar Schritte weiter stand eine katholische Kirche, aus der in einem fort Buben in Sonntagsanzügen und weißgekleidete Mädchen mit Haarkränzen strömten, immer paarweise und mit ernsten Gesichtern. Ich blieb stehen und sah zu, aber es wollte und wollte nicht enden. Das Kirchenschiff musste wohl riesig sein, aber dafür war der Bau zu klein. Wir setzten uns unter einer Palme auf eine Bank, doch die Zahl der Kinder nahm nicht ab. Sie liefen, entdeckte ich, weiter oben hinunter zum Fluss und stiegen dort über Fallreeps in die wartenden Schiffe, mit denen sie eine Rundfahrt oder Reise begannen. Ich konnte nicht aufhören zu schauen, erst als die Hitze zu groß wurde, brachen wir auf. Es blieb ein Tag der Kinder .
Aus einer Synagoge traten dreizehnjährige Buben, gekleidet für die Bar-Mizwa, das Fest der Volljährigkeit. Sie trugen eine Kippa auf dem Hinterkopf, den Oberkörper in den Tallit gehüllt, den rechteckigen, weißen Gebetsschal mit blauen oder schwarzen Streifen und Fransen an den Ecken, um den linken Arm und die Stirn geschlungen die Tefillin, lederne Gebetsriemen mit je einer ledernen Kapsel, die, wie mir Elias Schneider erklärte, Schriftrollen mit handgeschriebenen Zitaten aus der Tora enthalten.
Sie warfen in einem fort sichtbare Wörter in hebräischer Schrift in die Luft, die dabei musikalische Töne von sich gaben und sich zu einer Kantate fügten. Auf dem Platz vor der Synagoge feierten unzählige Männer, ebenfalls ausgestattet mit Gebetsriemen, Gebetsschals und Kippas. Auf Tischen im Freien waren opulente Blumengebinde zu sehen. Die Frauen saßen um die Tische herum. Sie trugen, fuhr Elias Schneider mit seinen Erklärungen fort, Perücken, »Sheitel«, wie es Brauch ist und die Thora in einer der 613 Mizwot (Gesetze, Gebote und Verbote) vorschreibt. Die Männer fingen inzwischen zur plötzlich heiteren Musik zu tanzen an, indem sie sich an den Händen fassten und rhythmisch im Kreis bewegten. Nach einer Pause feierten die zwölfjährigen Mädchen ihre Bat-Mizwa. Bei beiden Festen gab es eine Eigentümlichkeit, an der ich mich nicht sattsehen konnte: den Bonbonbrauch, so Elias Schneider, bei dem Bonbons unter dem Ausrufen von »Masel tov« (»viel Glück«) in die Luft geworfen und von den Kindern aufgesammelt und gegessen werden. Die Bonbons waren in allen Farben leuchtende Punkte, welche die Köpfe der nun Volljährigen, nachdem sie sie geschluckt hatten, vergoldeten.
Vor den muslimischen Moscheen wurde der Miradsch, der »Himmelfahrt Mohammeds, also seiner Jenseitsreise« gedacht, führte Elias Schneider gleich wieder aus. Dabei soll Mohammed auf dem Pferd al-Buraq und in Begleitung des Erzengels Gabriel nächtens von Mekka in der Nähe der Kaaba in das Jenseits aufgestiegen, Heiligen, Himmel und Hölle und zuletzt Gott begegnet und dort, wo heute der Felsendom in Jerusalem errichtet wurde, zur Erde zurückgekehrt sein.
»Dante Alighieri hat das Buch des arabischen Gelehrten und Dichters Abu I-Ala al Ma'arri in lateinischer Übersetzung gelesen, bevor er die >Göttliche Komödie< verfasste«, sagte Elias. Von da an sprachen wir uns nur noch mit unseren Vornamen an. Miradsch bedeute »Leiter«. Die Reise beginne damit, dass die Engel Gabriel und Michael in der Nacht zum Propheten kamen und ihm das Herz öffneten, es mit Wasser vom Brunnen Zamzam reinigten und mit Glauben und Weisheit füllten. Hierauf kletterten Mohammed und Gabriel die »Gottesleiter« hinauf in den Himmel, erzählte Elias. Muslime verbrächten diese Nacht betend und nachdenkend, es sei ein verborgenes Fest. Aber hier in der Wüstenstadt löse jedes Beten und Nachdenken »Geistesblitze« aus, ein Feuerwerk ohne Donner. Würde dabei jemand von einem der überwältigend zahlreichen Blitze getroffen, könne er die Jenseitsreise Mohammeds wiederholen. Bei Einbruch der Dunkelheit liefen wir hinaus - jeder von uns beiden mit einem Spazierstock aus Metall in der Hand, den wir zum Himmel hinaufstreckten, um als lebendige Blitzableiter getroffen zu werden - und warteten darauf, dass ein Blitz in uns einschlagen möge, jedoch vergeblich. Trotzdem, ich hatte wohl kaum schönere Nächte verbracht - abgesehen von jenen in der Umarmung mit Malia - als diese mit dem immerfort farbig aufleuchtenden, dann wieder in Dunkelheit versinkenden Himmel, mit unendlich größeren und detailreicheren Farb- und Lichteffekten als bei einem Feuerwerk. Auch Elias war begeistert, obwohl er das Fest bereits einige Male erlebt hatte, und trotz verschiedener Versuche mit Blitzableitern noch nie getroffen worden war. Als wir, bevor es hell wurde, zum Fluss hinunter spazierten - noch immer stiegen aus Moscheen Lichtmosaike in den Himmel -, sahen wir schon von Weitem ein Leuchten und Funkeln im Wasser, von dem wir annahmen, es handle sich um Spiegelungen des Lichtgewitters. Doch als wir näher kamen, erkannten wir, dass wir uns getäuscht hatten. Es war, als ob der Fluss in Flammen aufginge, doch Elias klärte mich auf, dass es das Lichtermeer des indisch-hinduistischen Krathong-Festes war. Dabei werden aus Bananenblättern kleine lotosförmige Schiffchen gefertigt, von deren Bezeichnung das Fest seinen Namen hat, und im Fluss oder auf Seen ausgesetzt. Der Fluss war beiderseits von einer ungeheuren Menschenansammlung gesäumt, die sich in traditionellen asiatischen Trachten zum Ufer hindrängten, um ihre Schiffchen auf das Wasser zu setzen. Und nicht genug damit, waren die spielzeugkleinen Boote mit Räucherstäbchen, flackernden Kerzen, Geldscheinen und Wunschzetteln gespickt, denen die Menschen ihre geheimen Wünsche anvertraut hatten, damit diese von ihnen in die Zukunft getragen würden. Auch will man damit Unheil verbannen, während Liebespaare oft gemeinsam zwei Krathongs auf die Reise schicken, um nie getrennt zu werden. Außerdem, erzählte Elias, wird die Wassergöttin Mae Khongkha, der man das Wasser verdankt, dadurch geehrt.
»Ich liebe dich, Khongkha«, rief gerade ein dicker Mann mit Zylinder, »und bitte dich um Verzeihung, dass wir Menschen das Wasser verschmutzt haben und weiter verschmutzen!«
Er hielt einen Sonnenschirm in der Hand, der rote Flammen zeigte. Wir wühlten uns durch die Menge, doch bis zum Ufer hinunter schafften wir es nicht. Daher gingen wir zurück hinauf auf die Straße und sahen von oben auf die Menschenansammlung und ihr Treiben hinunter, während der Himmel über uns mit dem Feuer unter uns eine unglaubliche Lichtervereinigung erzeugte, ein »Hochzeitsfest des Lichts«, wie es Elias nannte. Jetzt, im ungeheuren Lichterrausch, fühlten wir nichts als Liebe. Eine gewaltige Prozession maskierter Menschen in glitzernden Kostümen und mit farbigen, teuflischen Monstermasken und Blumengirlanden strömte unter tragbaren bunten Zelten zum Klang einer bizarren Musik auf der Straße flussaufwärts. Ein Zug feierlich geschmückter Elefanten, auf denen Priester saßen, folgte ihnen. Fakire zeigten ihre Leidensfähigkeit. Diener beschenkten die Neugierigen, die gar nicht mehr wussten, wohin sie schauen sollten, Musik erscholl, es wurde getanzt und gebetet, am meisten jedoch gelacht. »Es ist das Diwali-Lichterfest für die Göttin des Reichtums und Glücks Lakshmi«, rief mir Elias zu.
Als der Morgen anbrach, verschwanden alle Menschen rasch, und die Feierlichkeiten erstarben. Doch Elias wusste von einer Ausnahme.
»Heute ist Vesak, der Tag der Buddhisten, an dem an die Geburt, die Erleuchtung und den Tod Buddhas gedacht wird. Dort drüben ist der Tempel!«
Er deutete mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger in eine Richtung, während wir bereits losmarschierten. Überall stießen wir noch auf Herumstehende, schwatzende und lachende Menschen und überraschend viele Kinder. Doch auf dem Platz vor dem buddhistischen Tempel herrschte taktvolle Stille. Das Fest hatte bereits begonnen. Der Tempel war gedrängt voll mit Menschen, die Räucherstäbchen, Kerzen und Blumen mit sich trugen, um sie zu opfern. Der Altar war mit Blumen übervoll bedeckt. Die buddhistische Fahne - vertikal: blau, gelb, rot, weiß und orange und nach dem letzten Strich dasselbe horizontal - war bereits gehisst, und die Gläubigen begannen Lobgesänge auf Buddha, seine Lehrer und Schüler zu singen.
Wir warteten, bis die Feierlichkeiten zu Ende waren, und sahen dann auf dem Platz Hunderte Gasballons in den Farben der Flagge zum Himmel aufsteigen. Wir besuchten anschließend mit einer Gruppe Altersheime und Spitäler. Ich verstand nicht, weshalb es diese Institutionen noch gab, und auch Elias wollte meine Fragen nicht beantworten.
»Du musst selbst dahinterkommen«, sagte er. Gleich darauf, als er meine Ratlosigkeit erkannte, gab er mir den Hinweis, dass sie der Läuterung dienten, wenn jemand sich nicht um einen Angehörigen, der krank oder alt gewesen war, gekümmert hatte. Die Gebäude waren von Buddhisten überlaufen - trotzdem herrschte Ordnung. Mehrfach ließen Einzelpersonen Vögel, die in Käfigen gestorben waren, frei oder schenkten Armen, die für ihren Geiz büßten, einzelne Broschen, goldene Halsketten oder Ringe, andere wiederum rezitierten den ganzen Tag überlaut Mantras. Alle Buddhastatuen, die wir sahen, waren beleuchtet . Elias erklärte mir dazu, dass die Gläubigen Gutes tun wollten, da ihnen an diesem Tag dafür besonders gedankt würde.
Zu Mittag stießen wir auf eine Prozession des Rituals »drei Schritte - eine Verbeugung«, die mich anfangs irritierte. Die Gläubigen bewegten sich auf den Knien vorwärts und verbeugten sich nach jedem dritten Schritt. Dabei beteten sie um Frieden und taten Buße. Mehrfach wurden wir außerdem...
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