Schweitzer Fachinformationen
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Charlotte Sandmann starrt auf einen von drei Bildschirmen und flucht leise vor sich hin. »Warum klappt das nicht, verflixt.« Es wurmt sie, dass sie so untalentiert ist, was das Zurechtschneiden und Vertonen der Filme angeht, die sie für YouTube produziert und die immer aufwendiger werden. Als Bloggerin und Produkttesterin hat sie es zu einem gewissen Bekanntheitsgrad geschafft und ist längst auch auf Twitter, Facebook und Instagram zu finden, wo ihr Millionen Abonnenten folgen. »Wendy, wo steckst du, wenn ich dich einmal brauche?«, schimpft sie vor sich hin.
»Ich bin doch da«, erklingt es leicht verschnupft hinter ihr.
Charlotte, die von allen Lotte genannt wird, dreht sich erleichtert zu Wendelin um, der soeben mit einer Tüte Chips in der Hand den Raum betritt.
»Bin ich froh, dass du auftauchst. Lass uns eben den Schnitt von unserem letzten Videodreh fertig bekommen. Meinst du, wir schaffen das rechtzeitig bis morgen?«
»Ich weiß überhaupt nicht, warum du dich immer so aufregst, ist doch alles gechillt.« Wie ein nasser Sack lässt er sich auf den Stuhl fallen und greift in seine Chipstüte.
Lotte kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn bei Wendy ist immer alles gechillt. Allerdings nur, solange er seine geliebten Paprikachips hat.
»Sollte irgendwann der Tag kommen, an dem du mal nicht gechillt bist, weiß ich, dass es dann ums nackte Überleben geht. Getreu dem Motto: Falls ihr mich jemals rennen seht, tut es mir nach, denn dann gibt es einen wichtigen Grund.«
»Genau, du hast es erkannt, und nun lass mich meine Arbeit machen, soll ja fertig werden«, sagt er und greift erneut in die fettige Tüte.
Lotte schüttelt sich, während sie ihn dabei beobachtet, wie er die mittlerweile ölig glänzende Tastatur bearbeitet. Bisher hat sich niemand getraut, Wendy die Chips am Arbeitsplatz wegzunehmen, obwohl er schon vor einem Jahr zu ihrer Wohngemeinschaft gestoßen ist und seitdem alle mit seinem Verhalten in den Wahnsinn treibt. Stattdessen ist Lotte dazu übergegangen, die Tastatur zu ersetzen, wenn nötig.
Ein Blick auf die Uhr lässt sie zusammenfahren: »Sag mal, wollte Tara nicht um diese Uhrzeit hier sein und ein paar coole neue Outfits mitbringen?«
»Tara, keine Ahnung.«
Tara, Lottes Stylistin, hat ein Händchen für ausgefallene Kleidung, die sie oft aus Secondhand-Läden oder auf Trödelmärkten entdeckt. Lotte selbst hat leider zu wenig Zeit, um in Ruhe nach ausgefallenen Stücken zu stöbern, aber ihren extravaganten und ausgefallenen Kleidungsstil will sie trotzdem beibehalten.
Ein Blick auf Wendelin reicht, um zu wissen, dass er sich längst in seinem nerdigen Computerhimmel befindet und nicht mehr ansprechbar ist.
Siedend heiß fällt ihr der Termin mit dem Architekten Timo Frei ein. Sie sieht auf ihr Handy und schüttelt verwundert den Kopf. Normalerweise kann man sich darauf verlassen, dass er sich meldet, sollte sie nicht pünktlich oder er verhindert sein. Außerdem weiß er, wo er sie antreffen kann, wenn sie nicht im Haus ist, denn der Arbeitsplatz mit den Computern und Drehort für ihre YouTube-Videos befindet sich in der umgebauten Garage des Hauses, ist bequem über den Hof zu erreichen und dient zugleich Wendy als Unterkunft. Der Architekt hat die Räumlichkeiten zweckmäßig und modern umgestaltet.
Um sicherzugehen, dass sie nichts übersehen hat, wirft sie erneut einen Blick auf ihr Handy, doch es findet sich weder ein Anruf noch eine SMS. Merkwürdig.
Gerne hätte sie mit ihm abschließend die Details für das Geländer der Galerie im ersten Stock des Haupthauses besprochen, denn es besteht seit Monaten aus einem Holzprovisorium. Außerdem sollten die andauernden Renovierungsarbeiten endlich abgeschlossen werden. Aber auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an. Sie seufzt und überlegt, den frei gewordenen Termin für einen Einkauf im Tierfutterhaus zu nutzen.
Schnell entschlossen tippt sie eine Nachricht an Tara ins Handy, um ihr zu mitzuteilen, dass sie jetzt erst mal unterwegs ist, auch Timo Frei schickt sie eine kurze Nachricht, ob er den Termin vergessen hat.
Sie denkt an ihren kleinen Zoo, denn mittlerweile besitzt Lotte einige Tiere, Tendenz steigend. Ihre menschlichen Mitbewohner, Wendy, Greta und Max, nehmen ihre Tierliebe mit Humor. Allerdings bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, da Lotte das Anwesen, bestehend aus dem Haupthaus und der großen umgebauten Garage, gehört. An ihre Mitbewohner hat sie einzelne Zimmer vermietet, darunter auch die Garage, wobei Wendy die Miete durch seine exzellente Arbeit begleicht.
Lotte tritt aus der Garage in den Hof und schließt einen Moment die Augen, um die ersten warmen Sonnenstrahlen im April zu genießen.
Plötzlich dringt lautes Bellen aus dem Innern des gegenüberliegenden Hauses zu ihr. Sie stutzt, denn der einzige Hund, der es an Frau Yoko vorbei ins Haus schaffen kann, ist Bully, Timo Freis Hund. Ist er doch da, aber ohne ihr Bescheid zu geben? Verwirrt folgt sie dem Lärm, tritt ein und erschreckt sich fast zu Tode, als ihr Chris, die gelbe Gelscheitelamazone aus der Halle, aufgeregt entgegenflattert.
»Mayday, Mayday«, krächzte der Papagei.
Ihr Puls erhöht sich. In Vorahnung darauf, dass etwas Schlimmes geschehen ist, blickt sie geradeaus und versucht zu verstehen, was der Anblick, der sich ihr bietet, bedeutet. Ihre Schritte werden langsamer, bis sie schließlich stehen bleibt, die Hand vor dem Mund, der zu einem Schrei aufgerissen ist.
In der Mitte der geräumigen Halle, nur wenige Schritte von ihr entfernt, liegt ein regloser Körper.
Der einzelne Schrei, der in ihr aufsteigt, verhallt an den hohen Wänden. Tausend Gedanken strömen auf sie ein, doch einer übernimmt die Vorherrschaft: Vielleicht lebt die Person noch?
»Oh, mein Gott!«, stößt sie keuchend aus, als sie den Architekten Timo Frei, ihren Termin, erkennt.
Eine Blutlache hat sich um seinen Kopf gebildet, und seine Augen starren an die Decke. Um ihn herum liegen abgebrochene Holzstücke auf dem Boden verteilt. Das Geländer. Sie sieht nach oben in die Galerie des ersten Stocks. Das Loch erinnert an das aufgerissene Maul eines Monsters und zeugt von dem Unglück, das gerade geschehen ist.
Ich muss den Puls prüfen. Als sie sich zu Frei hinunterbeugt, erklingt zeitgleich ein tiefes Knurren.
Erschrocken weicht sie zurück.
Sie kennt den Hund. »Aber natürlich, Bully«, flüstert sie, mehr zu sich selbst. Ausgesprochen finster blickt er drein, und sie versteht die Warnung.
Beschwichtigend hebt sie die Hände und versucht einen ruhigen Ton anzuschlagen, was gar nicht so einfach ist. »Ruhig, ich will deinem Herrchen nur helfen. Ich tue ihm nichts, versprochen.« Hoffentlich erinnerte sich das Tier an die Wurst, die sie ihm bei fast jedem Besuch hinter Freis Rücken gibt. Ganz leicht wackelt jetzt das Hinterteil des Tieres. Dadurch ermutigt, bringt sie den letzten Meter hinter sich.
»Du bist ein guter Hund, nachher gibt´s ne Wurst, ja?«
Sie beugt sich herunter und tastet vorsichtig am Hals des Architekten nach dem Puls.
Als hätte er verstanden, dass von ihr keine Gefahr ausgeht, macht Bully neben seinem Herrchen Platz und legt den Kopf auf die Vorderpfoten. Traurig sieht er sie an, nicht ohne jede ihrer Bewegungen genauestens zu verfolgen.
Sie legt ihre Finger auf den Hals von Timo Frei, doch sie kann nichts mehr spüren. Panik steigt in ihr auf. »Leute, hört mich jemand?«, ruft sie in die Stille hinein.
»Ist niemand da? Greta, Max?« Ihre Stimme wird von den Wänden reflektiert und hallt ungehört zu ihr zurück. Keiner ihrer Mitbewohner reagiert auf ihr Rufen. Im ersten Stock bleiben die Türen geschlossen. Wendy kann sie nicht hören, da er zu weit weg ist, und die anderen soll doch der Teufel holen.
Während sie überlegt, was zu tun ist, spürt sie den Blick des Hundes auf sich. In seinem vorgeschobenen Unterkiefer stehen spitze Reißzähne in gefährlichen Zacken schräg aus seinem Maul. Bullys Erscheinungsbild lässt keinen Zweifel aufkommen, zu was er im Notfall fähig ist. Nichtsdestotrotz muss sie Hilfe holen.
Langsam richtet sie sich auf und zieht ihr Handy aus der Hosentasche. Nachdem sie den Notruf abgesetzt hat, beschließt sie, mit dem Hund Totenwache zu halten.
Lotte hat sich bisher immer vorgestellt, dass es einem wie eine Ewigkeit erscheint, wenn man bei einem Notfall auf Polizei und Krankenwagen warten muss. Wie vermutet, erscheint ihr das Warten endlos, obwohl gerade mal zehn Minuten vergangen sein können, seit sie Timo Frei entdeckt hat.
Immerhin lässt der Hund weiterhin ihre Nähe zu und hat sie weder gebissen noch in einzelne Stücke zerlegt.
»Qué putada!«, schimpft Chris, die Gelbscheitelamazone, vor sich hin. Und Lotte nutzt die Zeit, um sich mit ihren verschütteten Spanischkenntnissen abzulenken.
»Qué putada. So ein Mist heißt das, wenn ich mich recht entsinne.«
»Qué cabrón! Hijo de puta!«
»Hurensohn? Chris, muss das jetzt sein?«
»Caramba!«, singt er unbeeindruckt weiter, als ein Räuspern und ein Klopfen von der Hintertür bis zu ihnen dringt....
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