Schweitzer Fachinformationen
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Wir alle haben Wunden aus der Vergangenheit
"Ich liebe dieses Haus fast so sehr wie ich dich liebe. Aber du hast recht, irgendwo tief in meinem Inneren denke ich, dass es uns kein Glück bringt."
1985: Es ist ein wunderschöner Abend auf dem Anwesen von Schloss Allsberg, doch Katja und ihr Mann Enzio können ihn nicht genießen. Katja, die vor fünf Jahren in den Besitz des Anwesens gelangt ist, hat gerade ihre dritte Fehlgeburt in zwei Jahren erlitten und spürt nichts als Verzweiflung.
Da erhält Enzio plötzlich einen Anruf, der ihn erstarren lässt. Sein Vater ist bei einem rätselhaften Autounfall in Südtirol tödlich verunglückt und mit ihm seine junge Geliebte, die ihm gerade erst eine Tochter geschenkt hat. Katja sieht es bei aller Bestürzung als Zeichen des Himmels. Sie adoptieren die kleine Anna, die fortan in Allsberg aufwächst.
Als bei Enzio ein Gehirntumor diagnostiziert wird, bittet Katja ihre Schwägerin Giovanna mit deren Sohn Carlitos, den letzten Tröger, nach Allsberg zu ziehen, um sie bei ihren zahlreichen Aufgaben zu unterstützen. Anna und Carlitos wachsen gemeinsam auf und übernehmen nach und nach die Familiengeschäfte. Werden sie die Zukunft von Schloss Allsberg sichern können?
Ein Familienroman über Mutterglück, zwei starke Frauen, die Verbindung über Generationen hinweg, um Versöhnung und den Kampf um ein Leben, dem die Zukunft gehört.
Allsberg, später Eppan, im Herbst 1985
Es war ein wunderbarer Abend im unterfränkischen Allsberg. Wieder schien es, als ließe die untergehende Sonne die Westfassade des Schlosses in Flammen aufgehen.
Katja und Enzio waren zu einem Spaziergang im Park aufgebrochen, doch heute war ihnen die Schönheit des Hauses, in dem sie wohnten, unwichtig. Ihre Gedanken weilten anderswo.
Am Morgen hatte Enzio Graf von Altspaur seine Ehefrau Katja aus der Frauenklinik in Würzburg abgeholt, wo sie wegen einer Fehlgeburt einige Tage zuvor eingeliefert worden war. Seit sie im Frühsommer 1983 geheiratet hatten, war es schon die dritte gewesen.
"Weißt du was, Enzio? Ich denke manchmal, dass sich das Schicksal daran gewöhnt hat, bei uns alles unnormal laufen zu lassen. Seit wir hier so plötzlich, so vollkommen ohne Vorbereitung alles übernommen haben, läuft so manches schief."
"Du übertreibst, hier passiert nichts Unnormales. Du tust ja gerade so, als ob eine Schuld auf uns laste, weil wir jetzt hier leben. Das einzig Unnormale ist, dass es uns bisher nicht gelungen ist, Kinder zu bekommen."
Aufgrund unerwarteter und dramatischer Ereignisse waren sie vor knappen fünf Jahren in den Besitz des Schlosses mit seiner Landwirtschaft, seinen Weinbergen, seinem Wald und vielem mehr gekommen. Katja war die nichteheliche Tochter des Bruders vom letzten Baron von Tröger auf Allsberg. Dessen beide Söhne, Karl und Anton, hatten kurz hintereinander durch tragische Unfälle ihr Leben verloren und bald schon folgte der vollkommen verzweifelte Vater seinen Söhnen, indem er sich das Leben nahm.
Die Familie von Tröger war damit im Mannesstamm erloschen und es hatte Katja oblegen, diese Tatsache für alle Welt sichtbar zu machen, als sie über dem offenen Grab ihres geliebten Onkels das Familienwappen zerbrach.
Katja und Enzio bewohnten das riesige Schloss allerdings nicht allein, denn Groma, die Mutter des letzten Barons, und dessen drei Schwestern, Donata, Huberta und Philippa, wohnten dort im Erdgeschoss.
Das Zusammenleben mit den vier Damen war nicht immer ganz leicht, denn nur Groma hatte verstanden, warum ihr Sohn testamentarisch die bürgerliche Katja Riedmüller als seine Erbin eingesetzt hatte. Deren Vater, Magnus Freiherr von Tröger war es nicht gelungen, Therese Riedmüller, die gefeierte Schauspielerin, dazu zu bringen, ihn zu heiraten.
Groma kommentierte das immer so: "Von ihrer Mutter hat sie die Schönheit und den Nachnamen bekommen, von meinem Sohn nur die roten Haare."
Katja und Enzio hatten sich auf eine Bank gesetzt und beobachteten nun das Spiel der Abendsonne auf der Fassade von Schloss Allsberg. Den Kopf an die Schulter ihres Mannes gelehnt, flüsterte sie:
"Ich liebe dieses Haus fast so sehr wie ich dich liebe. Aber tief in meinem Inneren denke ich, dass es uns kein Glück bringt. Fühle ich mich als unrechte Besitzerin, weil, um es zu werden, meine beiden Vettern und mein Onkel sterben mussten? Es war mir doch nicht an der Wiege gesungen, hier zu wohnen und all das verwalten zu müssen."
"Weißt du was, Katja? Wenn du so denkst, dann ist es womöglich am gescheitesten, wenn wir uns eine Auszeit nehmen."
Erschreckt richtete sich Katja auf und schaute ihrem Mann zornig in die Augen.
"Spinnst du? Wieso sollte ich mich von dir trennen? Hast du etwa eine andere?"
"Du verstehst mich falsch. Komm, lass dich fest umarmen und küssen. Nicht wir sollten uns trennen, sondern wir sollten einmal Abstand finden von diesem Moloch, der uns alle Aufmerksamkeit und zu viel Zeit abfordert. Ich habe dir schon oft gesagt, wie sehr ich dich dafür bewundere, wie du den vernachlässigten Wald in der Rhön wieder in die Gewinnzone bringst, ohne ihn gleich abzuholzen. Bald wird der Wald dort schöner und gepflegter sein denn je."
"Glücklicherweise hilft mir mein Vetter Percy Zott, der Enkel von Gromas Bruder. Du weißt ja, ich verstehe von Forstwirtschaft nichts."
"Mag sein, aber du hast die Fähigkeit, Menschen zu führen und zu begeistern, manchmal geht das an die Grenzen deiner Kräfte, und das ist nicht gut für dich und auch nicht für unsere Ehe."
"Du musst reden! Seit Jahren beschäftigst du dich ausschließlich mit dem Weinbau."
"Das ist ja schließlich mein erlernter Beruf."
"Okay, der Umzug des Kellereibetriebes von Fahr drunten am Main nach Allsberg hier oben, das war kein Pappenstiel. Zuvor musste der alte Hof im Dorf mit all seinen Stallungen abgerissen werden und Keller, Lager und Abfüllanlagen nach dem neuesten Stand der Technik eingebaut werden. Das hat dich vollkommen absorbiert, manchmal dachte ich, dass dein Kopf auch noch nachts im Weinkeller herumschweift."
"Das erinnert mich an ein Lied, das wir im Französischunterricht gelernt haben. Da wünscht sich einer, im Weinkeller begraben zu werden."
"Na, das kenn ich doch auch!"
Und so sangen die beiden:
Si je meure je veux qu'on m'enterre dans la cave où il y a du bon vin .
Hand in Hand liefen sie so auf das Schloss zu. Nur mehr die Spitzen der beiden Türme wurden von der Sonne umspielt.
Vor dem Hauptportal blieb Enzio stehen und drehte seine Frau etwas zur Seite, sodass sie sich nun gegenüberstanden, und dann sagte er mit eindringlicher Stimme:
"Wir sollten uns wirklich überlegen, mal ein paar Wochen wegzufahren, die letzten Jahre waren sehr anstrengend."
Der darauffolgende Tag war ein Donnerstag, Tag des jour fixe, an dem sich alle Bewohner des Schlosses nach dem Mittagessen bei Katja und Enzio zum "Käffchen" trafen. Die beiden hatten diese Treffen eingeführt, um der Schlossgemeinschaft einen Rahmen zu geben, sich zu treffen und miteinander zu reden. Wie sich herausgestellt hatte, war dieses wöchentliche Treffen auch ein wunderbarer Gerüchteverhinderer.
Heute waren nicht nur Groma und die Tanten gekommen, Tante Phips hatte auch ihren geschiedenen Ehemann Peer mitgebracht.
Zu Beginn berichtete Katja von ihrer bedauerlichen Fehlgeburt und sie merkte, dass ihr eine wohltuende Welle des Mitgefühls entgegenschlug. Die Tanten und Groma mochten ihre berechtigten Eigentümlichkeiten haben und zum Tratschen neigen, aber sie hatten alle das Herz auf dem rechten Fleck.
Es wurden noch die Tagesereignisse besprochen, und als es eigentlich schon Zeit war, zu gehen, sagte Tante Phips, sie müsse Katja noch was fragen. Statt dies zu tun, druckste sie herum, was dazu führte, dass alle dachten, nun komme etwas ganz besonders Wichtiges. Schließlich war es Peer, ihr Ex, der mit der Sprache herausrückte:
"Ich bin jetzt pensioniert worden und da habe ich mir überlegt, dass ich gerne nach Allsberg ziehen würde."
Nach einer etwas verlängerten Schrecksekunde brach homerisches Gelächter über den beiden los:
"Weshalb habt ihr euch denn dann scheiden lassen? Zweiter Frühling und so?"
Als schließlich Tante Donata auch noch sang: "In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine .", klatschte Groma in die Hände:
"Schluss jetzt! Erstmal erklärt ihr bitte, was das Ganze soll."
Tatsächlich war die Sache einfach und gut durchdacht. Die Ehe war über dem Tod ihres Sohnes Sven zerbrochen und solange Peer noch auf Botschafterposten im Ausland lebte, war es einfach gewesen, dass jeder seiner Wege ging. Aber jetzt, als Diplomat im Ruhestand, sollte er da in Bonn oder Bad Godesberg mit all den anderen Ehemaligen vergangene Heldentaten besingen?
"Nein, die Scheidung bleibt bestehen, aber Philippa und ich denken, dass wir nicht zu weit voneinander entfernt leben sollten. Wir sind uns ja nicht zuwider."
In diesem Moment beobachtete Katja, wie ihre Tante errötete, als wäre sie ein Schulmädchen. Das rührte sie derart, dass sie spontan beschloss, Ja zu sagen. Sie kam aber nicht mehr dazu, denn das Telefon klingelte.
Enzio nahm den Hörer ab und es dauerte nur Sekunden, bis er erbleichte, sich auf den nächsten Stuhl setzte und gebannt dem zuhörte, was ihm da vermittelt wurde.
Als er auflegte, berichtete er, sein Vater sei am Morgen in Eppan nach einem starken Unwetter mit dem Auto in seinen Weinbergen unterwegs gewesen. Er habe nach dem Rechten sehen wollen, als unerwartet eine Mure abging, die das Fahrzeug mit seinen beiden Insassen mitgerissen habe. Sie hätten keine Chance gehabt.
Katja sprang von ihrem Stuhl auf und umarmte ihren Mann, um ihn zu trösten. Danach aber rief sie ihrem Onkel zu: "Ja, Peer. Das "Wie" besprechen wir, wenn wir von der Beerdigung zurückkommen. Aber jetzt müssen wir weg."
Es dauerte nicht lange, bis der Cutaway mit schwarzer Weste und Katjas Trauerkleid samt verschleiertem Hut eingepackt waren.
Katja chauffierte, wofür ihr Mann dankbar war. Es war immer noch der grüne Mercedes, den vor Jahren ihr Onkel Schorsch angeschafft hatte. Die unerwartete Nachricht hatte Enzio schwer getroffen. Seit den ereignisreichen Tagen um Weihnachten 1980 war der Kontakt zu seinem Vater fast eingeschlafen. Es war kurz nach seinem Abschluss an der Weinbauschule in Laimburg, als ihm sein Vater eröffnete, nach dem Studium zahle er nun nichts mehr für den Lebensunterhalt des Sohnes. Für Enzio war es nur folgerichtig gewesen, daraufhin vorzuschlagen, dann solle der Vater ihm das Weingut übergeben. Der alte Graf lehnte das vehement ab. Enzio musste damals unter sehr schwierigen und zum Teil erniedrigenden Bedingungen einen Job suchen. Erst eine von Groma geschickt eingefädelte kleine Intrige ermöglichte es, dass er...
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