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Viele haben den Klimawandel zur «Menschheitsaufgabe», gar zu einer der größten Aufgaben dieser Zeit erklärt.[1] Diese Bezeichnung ist treffend, da sie doch gleich zwei Facetten der Herausforderung hervorhebt, die durch die Veränderungen des Klimas entsteht. Zum einen geht der Klimawandel alle an: Jeder einzelne Mensch auf dem Planeten wird früher oder später von seinen Folgen unmittelbar betroffen sein - wenn er es nicht jetzt schon ist. Dasselbe gilt für alle künftigen Generationen. Zum anderen stellt der Begriff die Verantwortung in den Mittelpunkt, die für die Menschheit mit den klimatischen Veränderungen einhergeht. Der Klimawandel erscheint nur vordergründig als etwas, das Menschen äußerlich «geschieht». Er ist vielmehr eine Folge des Verhaltens von Menschen - des Verhaltens in vielen Jahren der Menschheitsgeschichte.[2] Deshalb handelt es sich um eine Menschheitsaufgabe: Wo wir heute stehen, hängt unmittelbar damit zusammen, wie wir und unsere Vorfahren leben und gelebt haben bzw. welchen Umgang wir mit den natürlichen Ressourcen pflegen, die uns umgeben. Der Klimawandel erscheint also deshalb als eine Frage der Verantwortung, als eine Menschheitsaufgabe, weil der Mensch durch sein Verhalten zum Klimawandel beigetragen hat und weiterhin dazu beiträgt.
Aber worauf richtet sich die Verantwortung? Auf den ersten Blick erscheint die Antwort sehr einfach: Weil der vom Menschen verursachte Ausstoß von Kohlenstoffdioxid wesentlich dafür ist, wie (schnell) sich die klimatischen Bedingungen auf dem Planeten verändern,[3] muss es darum gehen, Verhaltensweisen zu unterbinden bzw. zumindest zu reduzieren, die zum Ausstoß von CO2 führen. Hierin liegt der Schlüssel zur Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme sehr verbreitet, jeder Staat, jedes Unternehmen und jeder einzelne Bürger sei dafür verantwortlich, seinen eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren, bestenfalls auf null.[4] Wie tief sich diese Vorstellung bereits in das Bewusstsein vieler Menschen gegraben hat, zeigt sich zum Beispiel dann, wenn die Nase gerümpft wird über die Nachbarin, die bereits zum dritten Mal in diesem Jahr eine Flugreise unternimmt, oder die Eltern, die ihr Kind unbeirrt mit dem Pkw zur Schule bringen, anstatt mit dem Fahrrad zu fahren oder zu laufen. Es zeigt sich weiter an dem moralischen Zeigefinger gegenüber SUV-Fahrern, Swimmingpool-Besitzern und dem Konsumenten tierischer Lebensmittel oder anderer Produkte, die im Verdacht stehen, einen besonders großen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.
Die Beispiele zeigen, wie weit die Erwartungshaltung vieler reicht, wenn es darum geht, die Verantwortung des Gegenübers in Sachen Klimawandel abzustecken. Ernährung, Fortbewegung, Wohnen - nichts scheint mehr bloße Privatangelegenheit zu sein. Weil sich nahezu jede Lebensäußerung des Menschen in einen Ausstoß von CO2 übersetzen lässt, erlangt alles eine Bedeutung und wird letztlich dem Zugriff moralischer Bewertungen anderer ausgesetzt. Ausbuchstabiert werden diese in verschiedenen politischen Lagern, von Seiten zivilgesellschaftlicher Gruppen, in Medien und Wissenschaft. Dabei lautet der verbreitete Grundtenor, dass jeden die Verantwortung trifft, Maßnahmen zur Reduktion des eigenen CO2-Ausstoßes zu ergreifen - häufig begleitet von der Mahnung, dass bislang viel zu wenig getan wurde, dass nicht ausreicht, was gegenwärtig unternommen wird und dass die Zeit, die der Menschheit noch bleibt, möglicherweise nicht genügt, um der Aufgabe des Klimaschutzes gerecht zu werden.
Dem stehen jene gegenüber, die jede Verantwortung für den Klimawandel - sei es von privater oder staatlicher Seite, sei es von Unternehmen - deutlich zurückweisen. Entstanden ist dabei nicht zuletzt eine eigenständige Literaturgattung, die die vermeintliche «Klimalüge» anprangert,[5] womit gemeint ist, dass die empirischen Grundlagen des vom Menschen verursachten Klimawandels für sich genommen bestritten werden. Entweder, weil es den Klimawandel gar nicht gebe oder, weil zumindest der Mensch keinen Anteil daran habe,[6] werden innerhalb dieses Meinungsspektrums sämtliche denkbaren Pflichten zur Abwendung der klimatischen Veränderungen bestritten.
Dabei schlagen die Emotionen in beiden Lagern mitunter besonders hoch. Während die einen die «Klimakatastrophe» am Horizont aufziehen sehen und damit in vielen Fällen große Existenzängste verbinden,[7] fühlen sich die anderen durch diverse Szenarien bedroht, in denen sie ihren eigenen Lebensstil zum Schutz vor dem Klimawandel mitunter erheblich - aus ihrer Sicht: zum Schlechteren - ändern müssten. Die erwartbare Folge einer massiven Diskursverschlechterung ist längst eingetreten. «Klimaleugner» sprechen kaum mehr mit «Greta-Jüngern» und umgekehrt. Wer die eigene Meinung nicht teilt, wird schnell als «Gegner» diffamiert - mit dem Ergebnis, dass es nicht länger gelingt, Sachargumente über die hohen Mauern gegenseitiger Antipathie zu heben.
Dies hat nicht zuletzt negative Folgen für die Debatten innerhalb des Teils der Bevölkerung, der sich durchaus einig ist im Hinblick auf den Anteil des Menschen am globalen Klimawandel. Denn die Frage der Verantwortung in Sachen Klimawandel begrenzt sich nicht darauf, bestimmte naturwissenschaftliche Erkenntnisse anzuerkennen oder nicht. Bei dieser Anerkennung handelt sich dabei vielmehr lediglich um eine (wenn auch bedeutsame) Basis dafür, den Gegenstand der Verantwortung und deren Träger weiter zu konkretisieren. Letzteres kommt allerdings zu kurz, wenn sich vorrangig darüber gestritten wird, ob der Klimawandel tatsächlich im Wesentlichen vom Menschen verursacht wird bzw. was es über die Person des Gegenübers aussagt, wenn sie diese Prämisse teilt oder nicht teilt. So finden wir uns aktuell in einer Situation wieder, in der sachliche Diskussionen über die Reichweite der Verantwortung im Zusammenhang mit dem Klimawandel schnell durch einen eigentümlichen Bekenntniszwang verstellt sind: «Klimaleugner - Ja oder nein?» Doch wenn diese Frage in Einklang mit der weit überwiegenden naturwissenschaftlichen Einschätzung des menschlichen Beitrags zum Klimawandel verneint worden ist, bleibt es häufig dabei - jedes weitere Fragen nach den konkreten Konturen der Verantwortung, die sich daraus ergibt, erscheint schnell als Relativierung des soeben geleisteten Bekenntnisses und weckt Zweifel an der Redlichkeit der eigenen Person.
Auf diese Weise ist die Debatte über den Klimawandel in den letzten Jahren zunehmend zu einer Frage der richtigen Haltung verkommen. Je nachdem, in welchem Lager man steht, erweist es sich als richtig oder falsch, von der menschlichen Verursachung des Klimawandels überzeugt zu sein. Wir erleben insoweit eine gewisse Parallele zu gesellschaftlichen Diskussionen, die während der Corona-Pandemie geführt wurden. Auch damals ließen sich gesellschaftliche Gruppen ausmachen, die grundlegende epistemische Zweifel äußerten und von diesem Standpunkt aus in kein sinnvolles Gespräch darüber eintreten konnten, wie mit dem Virus angemessen umzugehen wäre - denn wer abstreitet, dass es das Corona-Virus überhaupt gibt, wird notwendig jedwede staatliche Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung als im Kern verfehlt betrachten. Während der Pandemie hat dies zu einem verbreiteten Lagerdenken geführt, das sachlichen Gesprächen entgegenstand: Andersdenkende sprachen nicht länger miteinander, sondern bloß noch übereinander.[8] Dies hatte nicht zuletzt die für den gesellschaftlichen Diskurs besonders negative Folge, dass mehr oder weniger jeder, der Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen äußerte, über den Kamm derer geschoren wurde, die bereits die epistemischen Grundlagen der Pandemie bestritten - selbst wenn er dies selbst gar nicht tat. Denn viele, wenn nicht die meisten Menschen, die nicht mit der offiziellen Corona-Politik einverstanden waren, bestritten gar nicht, dass die Gesellschaft mit einem neuartigen Virus konfrontiert war, das für bestimmte Bevölkerungsgruppen ein hohes Letalitätsrisiko aufwies. Stattdessen richtete sich ihre Kritik auf die Wertungen, die den politischen Entscheidungen zugrunde gelegt wurden, und damit auf die normative Seite der...
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