Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die Systemaufstellung gehört zu den szenischen Verfahren: Konkrete Ereignisse werden in Raum und Zeit abgebildet. Dadurch entsteht eine Art »bewegtes« Bild, und damit kann man Rückschlüsse auf die Dynamiken ziehen, die einem bestimmten Ereignis innewohnen.
Der Wunsch, komplizierte oder komplexe Verhältnisse und Beziehungen in eine Szene zu fassen, ist alt. Deshalb wohl gehören szenische Darstellungen zu den Grundpfeilern fast aller Kulturen. Sie belegen, dass es die Menschen seit frühesten Zeiten faszinierte, die Essenz von Ereignissen in einem Raum-Zeit-Abschnitt zu verdichten und darzustellen, also in Szene zu setzen.
Die Szene macht etwas möglich, was kein Bericht leisten kann: Sie vermittelt das Wesentliche einer Situation in und mit einer lebendigen Bildfolge. Sie leistet aber auch mehr als ein einzelnes Bild, weil sie von einer Herkunft in eine Zukunft weist und damit einer Bewegungsrichtung - einer Intention - Ausdruck verleiht.
Um Situationen fundiert - unter Berücksichtigung der ihnen zu Grunde liegenden Komplexität - zu erfassen, braucht man neben explizitem Wissen implizites Wissen. Darunter verstehen wir ein Wissen, das zwar vorhanden, aber für die bewusste Reflexion nicht ohne Weiteres zugänglich ist. Deshalb fällt es uns auch nicht ganz leicht, implizites Wissen konkret zu fassen. Dennoch gehört ein großer Teil von Expertise und Exzellenz in diese Wissensdimension: die Genialität des Forschungsteams, die Intuition des Managers, die Präzision des Feinmechanikers, die Schnelligkeit der Läuferin, das Gespür des Therapeuten, die Innovationskraft des Unternehmens usw.
Bildlich gesprochen ist das explizite Wissen mit jenem Teil des Eisbergs zu vergleichen, der sich oberhalb des Wasserspiegels dem Auge eines Betrachters darbietet. Der weitaus größere Teil entzieht sich jedoch den Blicken, und man kann nur ahnen, wie gewaltig der ganze Berg sein mag und welche Spannungen in ihm herrschen könnten. Gerade die klassischen betriebswirtschaftlichen Informationssysteme greifen beim impliziten Wissen zu kurz. Sie fokussieren fast ausschließlich auf das explizite Wissen. Damit bilden sie nur einen kleinen Teil von dem ab, was eine Situation in all ihren Aspekten ausmacht.
In vielen Fällen ist es aber nützlich, sich ein Bild vom Ganzen zu verschaffen. Genau hier bietet sich nun die Systemaufstellung an: Effektiv, schnell und unkonventionell kann man Informationen über Sachverhalte gewinnen, die sonst nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Das Verfahren macht es möglich, in Situationen, die ein hohes Risiko bergen, fundierte Entscheidungen zu treffen, weil hier sämtliche Anteile des Wissens mit ins Kalkül einbezogen sind.
Durch die ressourcen- und lösungsorientierte Art des Vorgehens, welche die kollektive Intelligenz mit hinzuzieht, wird »nebenher« der Zusammenhalt in den Teams gefördert. Dies ist ganz besonders wichtig vor schwierigen Entscheidungen. Gerade in solchen Situationen kann eine konstruktive und auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Auseinandersetzung zielführend sein. Beschlüsse werden dann mitgetragen, selbst wenn der Weg der Umsetzung steinig ist.
In Systemaufstellungen werden mit Hilfe von Stellvertretern bzw. Repräsentanten - einer Art Rollenspieler - Aspekte einer komplexen Situation im Raum dargestellt. Dabei kommt es in doppelter Hinsicht zu einer Klärung: Einerseits wird die Situation visualisiert - in Szene gesetzt -, und andererseits lassen sich sukzessive kreative Lösungsoptionen herausarbeiten. In diesem Kapitel geben wir einen Überblick, wie man mit dieser ungewöhnlichen Methode in komplexen Entscheidungssituationen Informationen gewinnen kann. In Abschnitt 1.3 zeigen wir anhand eines Beispiels auf, wie die Beteiligten mit einer Aufstellung die Antwort auf eine schwierige Frage fanden.
Im Gegensatz zu den Rollenspielen - sie sind in Arbeitskontexten vielen geläufig - erhalten die Repräsentanten bei der Systemaufstellung keine Handlungsanweisungen. Denn über Regieanweisungen käme in erster Linie das explizite Wissen zum Ausdruck. Die Repräsentanten beziehen ihren »Rollentext« gleichsam durch die im »Spielfeld« möglich werdende »repräsentierende Wahrnehmung« (Varga von Kibéd u. Sparrer 2000, S. 98): Sie werden für das implizite Wissen buchstäblich zu Resonanzkörpern. Ihre Körperwahrnehmungen sind die Daten, aus denen Informationen zu einem Sachverhalt gewonnen werden. Im Unterschied zum Soziogramm konzentriert man sich nicht auf ein statisches Bild, sondern auf eine Bildfolge, die den Weg zur Lösung weist.
Die Aufstellung schafft eine Art kommunikativen Raum, oder ein »Wissensfeld«, wie Albrecht Mahr es nennt, das den Repräsentanten über den spezifischen Platz in einem Beziehungsgefüge unmittelbaren Zugang zu den tiefer liegenden Schichten einer »hinterfragten« Situation verschafft.
Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine konsistente Theorie für diesen Aspekt des dynamischen Diagnoseschemas »Aufstellung«. Die oft so eindrücklich beobachtbaren repräsentierenden Wahrnehmungen der als Stellvertreter aufgestellten Personen harren noch einer wissenschaftlich fundierten Erklärung. Hinweise auf die Funktionsweise der in Aufstellungen wirkenden »basalen Grammatik« gibt die Bild- bzw. die Sprachspieltheorie des Philosophen Ludwig Wittgenstein (Sparrer 2006, S. 81 ff.). Ihr zufolge »bildet« Sprache Strukturen der Wirklichkeit adäquat »ab«. Andere Erklärungsversuche greifen auf das Konzept der »morphischen Resonanz« des Biochemikers Rupert Sheldrake zurück, das er auf der Basis der Theorie des morphogenetischen Feldes entwickelte (Sheldrake 1981). Neuere Erklärungsversuche ziehen die Quantenphysik heran (Schneider 2007, S. 18 ff.). Und auch die Erkenntnisse der Neurobiologie liefern Hinweise, um das Phänomen der Informationsübertragung von System zu System zu erklären. Aus allen Theorien lässt sich ableiten, dass kollektive Intelligenz innerhalb der Beziehungen der Elemente zueinander - also in den Beziehungsverhältnissen oder im Beziehungsfeld - und nicht in den Elementen selbst »eingelagert« ist. Die Elemente bringen die Qualität von Beziehungen nur zum Ausdruck.
Systemaufstellungen liefern somit handlungsnahe Darstellungen von Wirkungszusammenhängen in lebenden Systemen, also beispielsweise in Organisationen. Als Navigationsmethode zur Lösung komplexer Entscheidungsprobleme nutzen sie die Sprache des Körpers und des Raumes: Die Aspekte einer zu untersuchenden Situation werden mit Hilfe von Stellvertretern im Raum dargestellt - oder eben »aufgestellt«.
In der Regel geht man wie folgt vor: Eine Person oder ein ganzes Team mit einem konkreten Anliegen - einem ungelösten Problem oder einer schwierigen Frage - wählt aus einem Kreis von Workshop-Teilnehmern Repräsentanten für die relevanten Aspekte einer Fragestellung aus. Diese Aspekte können je nach Thema einzelne Personen oder Gruppierungen sein, z. B. in einer Konfliktsituation. Es können aber auch abstrakte Elemente sein, wie die sich gegenseitig ausschließenden Optionen eines Dilemmas oder das Ziel und die Hindernisse in einer blockierten Situation. Ebenfalls ausgewählt wird ein Repräsentant als »Fokus« für die Perspektive, aus der die Person die Problemsituation wahrnimmt. Anschließend stellt diese Person die Repräsentanten im Raum auf. Dabei folgt sie ihrer Intuition oder ihrem »inneren Bild« (Weber 1995, S. 181 ff.).
In der nun folgenden Phase der Aufstellung fragt die Aufstellungsleiterin bzw. der Aufstellungsleiter reihum die Körperwahrnehmungen der Repräsentanten ab. Aus diesen »repräsentierenden Wahrnehmungen« kann man Dynamiken erschließen, die einer problematischen Situation zu Grunde liegen: In der Regel handelt es sich um dysfunktionale oder die Entwicklung hemmende Muster. Durch das sukzessive Umstellen der Repräsentanten und das Abfragen ihrer Wahrnehmungen eröffnen sich Lösungsoptionen wie von selbst. Die Körperresonanzen der Repräsentanten geben den Anstoß für eine Intervention. Dabei kann selbst die kleinste Umstellung eines Repräsentanten Unterschiede bei den Körperwahrnehmungen der anderen Repräsentanten hervorrufen. Dies liefert den Hinweis für die weitere Umstellung von einem oder auch mehreren Repräsentanten.
Im Verlauf der Aufstellung gilt es eine Konstellation zu entwickeln, in der die Repräsentanten in einer für sie stimmigen Beziehung zueinander stehen. Diese wird von ihnen körperlich zum Beispiel als »Entlastung«,...
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