Schweitzer Fachinformationen
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»Himmelherrgott noch mal! Dieser verdammte Gatsch!«, schimpfte Bergmann, der hinter Sandra über eine Baumwurzel stolperte und beinahe hinfiel. Vergeblich versuchte er, den Matsch von den Profilsohlen seiner Sportschuhe an einem Felsen am Wegesrand abzustreifen.
»Hör lieber zu fluchen auf. Immerhin befinden wir uns in der Nähe vom Pilgerweg nach Mariazell«, zog Sandra ihn auf. Auch sie musste ihre Schritte sorgsam setzen, um mit ihren Gummistiefeln auf dem durchweichten Waldboden nicht auszurutschen. Wenigstens hatte der Regen während der knapp anderthalbstündigen Autofahrt von Graz nach Ainberg an der Mürz etwas nachgelassen. Dem leichten Nieseln würde ihre alte, kaum mehr imprägnierte Jacke schon noch standhalten, hoffte sie wenigstens. Den Regenschirm, der ihr im Wald nur hinderlich gewesen wäre, hatte sie lieber gleich im Wagen gelassen.
Nach etwa 100 Metern blieb Sandra stehen, den Blick auf das Display ihres Handys gerichtet. Vom Kollegen der Tatortgruppe hatte sie sich die GPS-Daten des Einsatzortes durchgeben, statt sich vom Parkplatz beim Dorfwirt in Ainberg abholen zu lassen. Hier musste irgendwo die Stelle sein, an der sie vom markierten Weg nach links abzweigen sollten, um den direkten Weg zum Leichenfundort zu nehmen. Der war zwar von zwei Seiten, das letzte Stück jedoch nur zu Fuß erreichbar. Ob man nun, wie die beiden Ermittler, von unten oder aber von oben kam. Sandra sah sich um und entdeckte einen schmalen Pfad, der tiefer in den Wald hineinführte. »Hier lang«, sagte sie zu Bergmann gewandt und marschierte weiter. Der Chefinspektor war ihr dicht auf den Fersen. Zu dicht. Die nassen Zweige der jungen Fichte, die Sandra mit ihrer Schulter streifte, schnalzten ihm mitten ins Gesicht.
»Aua! So pass doch auf, verdammt«, maulte er.
»Das war die Strafe Gottes für deine Flucherei. Alles okay mit dir?« Sandra drehte sich um. Ins Auge war jedenfalls nichts gegangen. Missmutig wischte sich Bergmann mit dem Handrücken die Wassertropfen vom unrasierten Kinn. Sandra überprüfte die Koordinaten auf ihrem GPS-Handy noch einmal und nahm die Kapuze ab, um zu lauschen.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, wollte Bergmann wissen.
»Die Felswand befindet sich linkerhand – exakt, wo sie sein sollte. Und ich höre Stimmen …«
»Vermutlich Engelsstimmen«, spottete Bergmann.
»Hörst du sie etwa nicht? Los, komm schon!« Sandra setzte sich wieder in Bewegung.
Bergmann folgte ihr weiter durch den Wald, diesmal in etwas größerem Abstand, bis sie die gesuchte Lichtung erreichten. Am anderen Ende der Wiese standen einige Leute am Waldrand. Aus dieser Entfernung konnte Sandra nicht viel erkennen. Außer, dass es sich um uniformierte Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr handelte. Die Gestalten in den weißen Overalls gehörten der Tatortgruppe des LKA an. Der Tatort selbst musste hinter dem rot-weiß gestreiften Polizeiabsperrband im dunkleren Wald liegen und war von hier aus nicht einsehbar.
An die 100 Meter wateten Sandra und Bergmann durchs Gras, das ihr bis zur Hüfte reichte. Entsprechend durchnässt waren ihre Hosenbeine, als sie ans Ziel gelangten. Wenigstens waren Sandras Füße dank der Gummistiefel trocken geblieben. Im Gegensatz zu Bergmanns, der unaufhörlich hinter ihrem Rücken schimpfte.
Vorhin auf der Fahrt hatte er ihr endlich verraten, was sie am Einsatzort erwartete. Ein gehängter Mann und ein getöteter Hund. Nichts, was sie nicht schon einmal gesehen hätten, hatte Sandra bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls geglaubt. Jetzt wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie sich gründlich geirrt hatte. Der bizarre Anblick der Leichen ließ sie auf der Stelle erstarren. »Heiliger Bimbam«, entkam es ihr.
»Ist der Mann inzwischen identifiziert?«, sprach Bergmann den männlichen der beiden uniformierten Kollegen am Polizeiabsperrband an. Sandra schlüpfte hinter dem Chefinspektor unter dem Flatterband durch und betete zur Begrüßung ihre Namen und Dienstränge herunter, den Blick noch immer auf die Leichen gerichtet.
Inspektionskommandant Hannes Trummer stellte sich und die jüngere Inspektorin Daniela Stix von der örtlichen Polizeiinspektion ebenfalls vor, ehe er Bergmanns Frage beantwortete. »Seine Identität ist uns nach wie vor unbekannt. So was hab ich noch nie gesehen …« Trummer war sichtlich erschüttert.
»Also ist er nicht aus dieser Gegend?«
»Wenn’s einer von uns ist, kann ich ihn beim besten Willen nicht erkennen«, meinte Stix, nicht minder schockiert.
»Ich auch nicht«, stimmte ihr Trummer zu.
»Wurde jemand vermisst gemeldet?«, fragte Bergmann.
Trummer und Stix schüttelten synchron die Köpfe. »Bei uns jedenfalls ned«, antwortete er.
»Wie sieht es denn mit Hunden aus?«, wollte der Chefinspektor wissen.
»Hä?« Trummer verstand nicht.
Stix schwieg. Die kleine, aber umso pummeligere Polizistin war bleich um die Nase, was angesichts der grotesk anmutenden Leichen nachvollziehbar war.
»Na, es gibt doch sicher einige Hunde in der Gegend«, half Sandra dem Inspektionskommandanten auf die Sprünge.
»Ach so. Ja freilich«, bestätigte Trummer.
»Na also. Ich brauche eine Liste mit allen Hundehaltern aus der Umgebung. Und schreibt die Rassen der Hunde dazu, sofern es sich nicht um Zwergpinschpudeldackel oder Exemplare in Rattengröße handelt«, ordnete Bergmann an.
»Jetzt gleich?«, fragte Trummer nach.
»Wenn ihr derzeit keine anderweitigen Verpflichtungen habt, als entsetzt im Wald herumzustehen …«
»Nein … Ja, wir kümmern uns sofort drum.«
»Moment noch«, hielt Bergmann die Uniformierten auf. »Wer hat die Leichen denn gefunden?«
»Ach so. Ein Pilger aus Hartberg. Almer Gerhard heißt er. Ein Hauptschullehrer«, berichtete Trummer.
»Und den habt ihr einfach gehen lassen?«
»Nein, ich hab vor lauter … ich hab nur vergessen, es zu erwähnen. Der Zeuge und seine Pilgergruppe warten beim Dorfwirt in Ainberg auf ihre Einvernahme. Sie sind zu fünft. Alles Lehrer.«
»Auch das noch …« Bergmann seufzte.
»Wollt’s die Namen haben?«, fragte Stix.
»Nicht jetzt. Sagt ihnen, sie sollen sich gedulden. Wir kommen dann. Sobald wir hier fertig sind.«
»Dann …«, wiederholte Trummer, »jawoll.« Seine flache Hand wanderte zackig an den Rand der Kappe, die zum Schutz vor dem Regen mit einer transparenten Plastikhaube überzogen war.
»Ungefähr in einer Stunde«, wurde Sandra konkreter. »Die Liste mit den Hunden könnt ihr mir mailen. Wenn’s Neuigkeiten zu dem Fall gibt oder euch irgendwas dazu einfällt, ruft mich umgehend an, ja?«
Trummer nickte und steckte ihre Visitenkarte ein. Verunsichert blickte er von der Abteilungsinspektorin zum Chefinspektor.
»Was ist? Worauf wartet ihr denn noch? Gemma, gemma!«, schnauzte Bergmann ihn an und wedelte die örtlichen Polizisten mit den Händen aus seinem Blickfeld.
Die beiden beeilten sich, den Tatort zu verlassen, um ihrem Auftrag nachzukommen.
»Das sind vielleicht zwei Komiker«, murmelte Bergmann und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Schauplatz des Verbrechens zu.
»Vermutlich sind den beiden noch niemals Leichen in einem derartigen Zustand untergekommen«, nahm Sandra die Dorfpolizisten in Schutz.
»Na, das eine oder andere Unfallopfer werden Dick und Doof doch schon vom Baum gekratzt haben. Ist ja schließlich auch kein besonders schöner Anblick, oder?« Bergmanns Augen waren auf die Leiche des Mannes gerichtet.
Sandra fand die Überheblichkeit des Chefinspektors wieder einmal zum Kotzen. Dennoch blieb ihr nichts anderes übrig, als neben ihm am Absperrband zu warten, bis die Tatortgruppe etwaige Spuren sichergestellt hatte. Während der Kollege auf der Leiter herumturnte, um zu fotografieren, betrachtete sie das schaurige Bild der toten Körper, die beide kopfüber, einen guten Meter voneinander entfernt, vom untersten, waagrecht gewachsenen Ast eines alten Bergahornbaumes herabbaumelten.
Bergmann neigte den Kopf zur Seite und kniff die Augen zusammen. »Einmal verkehrt herum … interessant«, stellte er fest.
»Du hast also nicht gewusst, dass die Opfer an den Füßen aufgehängt wurden?«, hakte Sandra nach.
Bergmann schüttelte den Kopf und überlegte anscheinend noch immer, was er von diesem ungewöhnlichen Anblick halten sollte.
»Vielleicht sind die beiden in eine Falle getreten«, sprach Sandra ihre erste Vermutung aus.
»Dann dürfte das Seil aber nur um ein Bein des Mannes geschlungen sein. Und wenn sich der Hund nicht im Rückwärtsgang bewegt hat, müsste es ihn doch an einem Vorderlauf erwischt haben.« Beides war augenscheinlich nicht der Fall. »Möglich, dass der Mann es selbst getan hat«, überlegte Bergmann laut weiter.
Unwahrscheinlich, wollte Sandra ihm intuitiv widersprechen, behielt ihre Meinung aber vorerst bei sich. Dennoch ließ sich ein Suizid derzeit nicht ausschließen, musste sie dem Chefinspektor insgeheim zustimmen. Der Mann konnte den Hund an den Hinterläufen festgebunden und hochgezogen haben, danach selbst mithilfe des Seils auf den Baum geklettert sein, um sich zu erhängen. Aber warum zum Teufel an den Füßen? So zu sterben, war erheblich qualvoller, als mit der Schlinge um den Hals in die Tiefe zu springen, um sich im Idealfall den Kehlkopf zu zerquetschen und das Genick zu brechen. Das wäre zweifelsfrei die schnellere, schmerzlosere Methode gewesen. Nein,...
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