Schweitzer Fachinformationen
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Jan Storm wünschte sich, er könnte das Vibrieren seines Handys ignorieren. Aber das funktionierte nicht mehr, nachdem ihn das Geräusch aus dem Schlaf gerissen hatte. Als Arzt war er ebenso wie in seinem ehemaligen Job als Soldat darauf trainiert, sofort wach zu sein.
Innerlich reihte er einen Fluch an den anderen, als er nach seinem Smartphone griff und sich leise aus dem Doppelbett schob, das er sich mit Lena teilte. Er hätte durchaus nichts dagegen gehabt, sie zu wecken und die frühen Morgenstunden mit ihr gemeinsam im Bett zu verbringen, aber der Anrufer hatte garantiert anderes für ihn vorgesehen.
Als er vor dem Schlafzimmer einen Blick auf das Display warf, war er endgültig wach. Seine Tante Liz würde ihn niemals ohne guten Grund am Wochenende so früh anrufen.
»Was ist passiert?«, fragte er sofort, als er das Gespräch angenommen hatte.
»Ich weiß es nicht. Felix ist weg.«
»Was ist passiert?«, wiederholte er besorgt, da ihm diese Information nicht wirklich weiterhalf. Seine Tante führte eine stürmische Wochenendbeziehung mit Jans Freund Felix, der leider auch zugleich sein Patient war, weil er unter einer fortgeschrittenen Krebserkrankung litt.
»Er hat sich vor ein paar Minuten rausgeschlichen.«
Jan seufzte. Felix hatte einen alten Resthof zu einem Paradies für Tiere umgebaut, die dort ihr Gnadenbrot erhielten. »Dann füttert er die Viecher oder konnte nicht schlafen und macht einen Spaziergang.«
»Sag mal, hältst du mich für bescheuert? Da habe ich doch als Erstes nachgesehen. Du weißt doch, dass er nach einer besseren Phase in letzter Zeit wieder unter starken Schmerzen leidet.«
Da Jan ihm Medikamente auf Morphiumbasis besorgt hatte, war ihm das bekannt. »Worauf willst du hinaus?«
»Er hat gestern ein geheimnisvolles Telefonat geführt. Da fiel das Wort >Gewehr<. Darf ich mir vielleicht jetzt Sorgen machen?«
Jan atmete tief durch. »Hast du ihn darauf angesprochen?«
»Selbstverständlich. Er hat . na ja, er hat nicht direkt darauf geantwortet und ich habe das Ganze dann vergessen. Aber eben ist es mir wieder eingefallen.«
Ein Kaffee wäre nicht verkehrt gewesen und hätte vielleicht geholfen, dieses Chaos zu sortieren. Jan wollte Liz gerade erklären, dass er leider keine Kristallkugel hatte, mit deren Hilfe er Felix' Aufenthaltsort ausfindig machen könnte, als es in seinem Gehirn plötzlich klick machte. Wenn er Felix' Tierliebe, seine Abneigung gegen jede Form von Jagd und die Bemerkung eines seiner Fußballkumpels zusammenaddierte, ergab sich ein Bild. Allerdings keins, das ihm gefiel.
»Verdammte Scheiße!«, entfuhr es ihm.
»Das heißt wohl, dass du eine Idee hast, wo er steckt«, mutmaßte Liz hoffnungsvoll.
»Ja. Ich muss los. Ich melde mich bei dir, wenn ich den Idioten gefunden habe.« Jan unterbrach die Verbindung ohne jede weitere Erklärung, die ihn nur unnötig Zeit gekostet hätte.
Himmel, das Leben in zwei Wohnungen hatte Nachteile. Jan musste zunächst gedanklich sortieren, wo er welches Fahrzeug finden würde. Da sie gestern Abend noch mit seinem Motorrad unterwegs gewesen und danach bei Lena gelandet waren, stand seine Ninja hier vor der Tür. Allerdings wäre ihm sein Audi, der bei ihm zu Hause parkte, ausnahmsweise lieber gewesen.
In Rekordzeit suchte er seine Sachen zusammen und wollte gerade aus dem Haus stürmen, als Lena verschlafen im Flur auftauchte. Ihre langen blonden Haare waren vollkommen zerzaust.
»Ein Notfall?«, fragte sie gähnend.
»So ähnlich. Eher ein akuter Anfall von Irrsinn bei Felix. Ich melde mich.« Er gab ihr einen Kuss, nahm seinen Helm von der Garderobe im Windfang und beeilte sich, zu seinem Motorrad zu kommen.
Die Fahrtzeit von Lenas Haus zum Söbyer See betrug normalerweise zwischen zehn und fünfzehn Minuten. Jan trieb die Kawasaki ZX10R an die Grenzen der Physik und schaffte es in der Hälfte der üblichen Zeit.
Seiner Einschätzung nach würden die Jäger, die heute an dem Gewässer auf Gänsejagd gehen wollten, von Westen über einen Feldweg kommen. Daher bog Jan vorher ab und fuhr über die Brücke zu einem kleinen Anleger.
Wenn ihn nicht alles täuschte, wäre das der ideale Ausgangspunkt für eine Gruppe Naturschützer, die die Jagd bei Morgenanbruch stören wollten. Dass sie damit vielleicht ins Kreuzfeuer der Schrotflinten gerieten, schien sie nicht übermäßig zu stören. Jan konnte mit der Jagd auf Tiere nichts anfangen, war aber auch kein fanatischer Gegner.
Die letzten Meter durch den Wald waren für sein Motorrad eine Belastungsprobe. Die Maschine war für die Straße und nicht für Touren durchs Gelände geeignet. Jan fluchte innerlich. Sollte die schwarzgraue Verkleidung auch nur einen Kratzer abbekommen, hatte sein Freund ein Problem. Und zwar ein sehr ernsthaftes.
In der Nähe des Bootsanlegers waren drei Fahrzeuge kreuz und quer geparkt, unter anderem auch der Wagen von Felix.
So weit hatte Jan also schon mal richtiggelegen. Er suchte sich eine ebene Stelle, an der er die Ninja abstellen konnte, und sah sich um.
Es wäre wohl zu einfach gewesen, wenn er gleich hier auf Felix gestoßen wäre.
Von seinem Standort aus würden sich die Jäger irgendwo links platziert haben und darauf warten, dass die Gänse abhoben. Es wäre absoluter Irrsinn, wenn die Tierschützer sich ausgerechnet in der Schusslinie rechts von den Schützen platziert hätten. Doch genau deswegen ging er davon aus, dass er seinen Freund exakt dort entdecken würde. Platt getretenes Gras zwischen einigen Pappeln bestätigte seine Vermutung.
Jan fluchte. Er hätte seine ehemalige Dienstwaffe mitnehmen sollen, die er immer noch tragen durfte. Ein, zwei Schüsse in die Luft hätten sämtliche Vögel in der Umgebung vertrieben und die ganze Aktion beendet, bevor sie überhaupt richtig begonnen hätte. Aber auch das wäre wohl zu einfach gewesen.
Jan seufzte, ließ seinen Helm auf der Sitzbank seiner Ninja liegen und folgte der Spur entlang des Sees. Nach wenigen Metern hörte er leise Stimmen.
Dank seiner Ausbildung für die Eliteeinheit der Bundeswehr - Kommando Spezialkräfte - war es für ihn kein Problem, sich den Männern lautlos zu nähern.
»Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns ausgerechnet hier aufhalten sollten«, sagte jemand, der anscheinend noch einen Rest Vernunft besaß. »Das ist doch sozusagen die Flugschneise für die Kugeln.«
Diese Ausdrucksweise brachte Jan zum Lächeln, aber in der Sache gab er dem Mann recht.
»Ach was. Es geht um den Schutz der Vögel«, brummte jemand, den Jan sofort erkannte. Felix.
Ein Dritter mischte sich ein: »Wir haben ja die Warnwesten. Nun ja, zumindest wir beide. Felix, du hättest deine mitnehmen sollen. Die bieten ausreichend Schutz.«
Na, sicher doch! Vor allem für Schrotkugeln. Jan unterdrückte mit Mühe ein ironisches Lachen und zwängte sich nun offen durch das Gebüsch. »Guten Morgen, die Herren!«
Immerhin hatte Felix genug Anstand, ihn verlegen anzusehen.
»Ich habe als Arzt hier genug zu tun. Auch ohne dass ich noch ein paar Schrotkugeln aus empfindlichen Körperteilen entfernen muss. Da einer von Ihnen genug Grips hat, um zu bemerken, dass von Westen aus genau in diese Richtung geschossen werden könnte, sollten Sie hier verschwinden. Und zwar sofort!«
Jan musterte Felix' Begleiter genauer. Ein Mann, vielleicht Mitte dreißig, sah mit Arbeitshose und verdrecktem Sweatshirt aus, als ob er direkt vom Feld kam. Daneben ein jüngerer Typ, vielleicht Anfang oder Mitte zwanzig, nach Jans Ansage deutlich verängstigt und mit seiner teuren Jeans und den ebenfalls nicht billigen Sneakers auch nicht unbedingt passend für eine Wanderung am See angezogen.
Felix kniff missmutig die Augen zusammen. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«
»Das war nun wirklich nicht schwierig herauszufinden. Können wir denn jetzt gehen?«, fragte Jan und schob noch ein »Bitte« hinterher.
Felix trat einen Schritt dichter an das Wasser heran. »Siehst du die Vögel dort in der Nähe des Ufers?«
»Logisch, sie sind ja nicht zu übersehen.«
»Das sind aber gar keine. Sondern Lockvögel, die mit dem Ruderboot ausgebracht wurden, um einen Gänseschwarm anzulocken. Im Schilfgürtel warten sechs oder acht oder vielleicht auch noch mehr gut getarnte Jäger darauf, dass hier Vögel landen oder zumindest ausreichend dicht rankommen. Und dann wird es knallen und die Gänse sind tot. Das ist einfach unfair.«
»Mag sein. Aber es bringt doch wohl überhaupt nichts, deswegen sein Leben aufs Spiel zu setzen, indem ihr euch ausgerechnet da herumtreibt, wo Querschläger vorprogrammiert sind. Schrotmunition kann bis zu zweihundert Meter weit fliegen. Also weg hier. Jetzt!« Zumindest ließ sein Offizierston, den er nicht verlernt hatte, den Jüngeren zusammenzucken.
»Wir sollten auf ihn hören«, schlug der Mann vor und fuhr sich nervös übers Kinn.
»Ach was, mein Freund neigt dazu, alles schwarz zu sehen«, widersprach Felix.
Der Typ mit der Arbeitshose sah in den Himmel. »Egal. Sie kommen.«
Jan folgte seinem Blick und fluchte. Ein Schwarm Gänse war im Anflug auf den See. Sekunden später krachte der erste Schuss, dann der zweite.
Etwas strich an ihm vorbei. Jan handelte instinktiv. »Runter«, brüllte er und warf sich auf Felix.
Sein Freund stöhnte, als er hart auf dem Boden aufschlug, aber das interessierte Jan nicht.
Einige Male wurden Schrotflinten abgefeuert. Erst als der Beschuss aufhörte,...
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