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Die Geschichte Sebastian Deislers ist die eines jungen Mannes, der als fußballerisches Jahrhundert-Talent gilt, mit 21 Jahren Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft wird und dessen Ja-Wort dem FC Bayern München ein Handgeld von 20 Millionen D-Mark wert ist. Aber es ist auch die Geschichte eines unfertigen Burschen aus dem südlichsten Rand der Republik, der von den Medien und dem Fußball zum Heilsbringer stilisiert wird, von dem die Öffentlichkeit Besitz ergreift, der von ihr vereinnahmt wird, der zahlreiche körperliche und seelische Verletzungen erleidet und sich immer weiter zurückzieht. Wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag steigt er aus - entkräftet, entnervt, gebrochen. Dann verschwindet er von der Bildfläche. Für die Öffentlichkeit kommt diese Entwicklung nicht ganz überraschend. Es war ein langsamer Tod einer Medienfigur, und wir alle haben diesem Verschwinden über Jahre zugesehen. In zahlreichen Gesprächen hat Deisler sich in den zwei Jahren nach seinem Rücktritt dem Journalisten Michael Rosentritt anvertraut. Entstanden ist daraus ein Buch über Begeisterung und Liebe zum Fußball, aber auch über Ängste, Qualen, Selbstzweifel, Depressionen und den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.
DIE DEMONTAGE MIT ANSAGE – DEISLER EIN SONDERLING, EIN SPINNER? (S. 200-201) Trainer Felix Magath rechtfertigt im Frühjahr 2005 seinen Kurs in den Medien extrem offensiv. Was Deisler noch fehle, sei mehr Spielpraxis, sagt Magath, doch die könne er ihm nicht geben, da er kaum eine Niederlage riskieren und sagen könne: »Okay, Bayern hat verloren, aber dafür habe ich Sebastian Deisler Spielpraxis verschafft.« Die Presse horcht auf: In den Augen Magaths ist Deisler also ein Risikofaktor, einer, der den Erfolg riskiert. Ein schlimmeres Urteil kann über einen Fußballspieler kaum gefällt werden, noch dazu beim FC Bayern, wo, wenn es einmal nicht läuft, die Regel Nummer eins lautet: Ich bin nicht schuld. Felix Magaths Urteil in der Öffentlichkeit steht. Damit nimmt der Trainer – ob gewollt oder nicht – einen weiteren Ansehensverlust Deislers innerhalb der Mannschaft in Kauf. Deisler selbst empfindet es so, als gäbe Magath ihn zur Demontage frei. Im Frühjahr 2008, Felix Magath ist längst weitergezogen zum VfL Wolfsburg, treffe ich den früheren Bayern-Trainer zu einem Gespräch, der Deislers Interpretation seiner Aussage widerspricht. »Gut, sie war vielleicht ungeschickt, aber was heißt zur Demontage freigegeben? Seine Sorgen hat er mir so nie mitgeteilt. Mein Verhältnis zu Sebastian Deisler war neutral. Ich habe es auch nicht so gesehen, dass ich eine Bezugsperson für ihn war oder sein konnte. Insofern habe ich mich nicht so sehr darum bemüht. Uli Hoeneß versuchte, Normalität reinzubringen«, sagt Magath. Auf die Frage, wie es zu dem Ansehensverlust Deislers kommen konnte, hat Magath drei Jahre später eine simple Erklärung: »Weil er anders ist. Ein Spieler mag eine Mannschaft, oder er mag sie nicht. Und auch eine Mannschaft mag einen Spieler oder eben nicht.« Magath berichtet, dass er sich seinerzeit so seine Gedanken gemacht habe über Deisler: »Er war eigentlich nie gesund und hatte so praktisch keine Chance, zurückzukommen.« Er glaube, die Aufmerksamkeit für Deisler sei immer viel zu groß gewesen, schon in Berlin. »Die einzige Chance wäre gewesen, ihn an einen ruhigen Ort auszuleihen. Aber ob er da die nötige Ruhe gehabt hätte bei seiner Vorgeschichte – ich weiß es nicht.« Am Ende des Gesprächs sagt Felix Magath noch etwas: »Hätte ein Spieler dieser fußballerischen Qualität zehn Jahre vorher gespielt, wäre er ein Superstar geworden.« Im Frühjahr 2005 ist Deisler für Magath nur noch ein Spieler auf der rechten Seite – wenn überhaupt. Es wird immer offensichtlicher, dass der Bonus des Ausnahmetalents, dem ihn Magaths Vorgänger Hitzfeld noch eingeräumt hatte, aufgebraucht ist. Mittlerweile kämpft der ehedem zum Retter des deutschen Fußballs stilisierte Spieler um läppische Spielminuten mit den Konkurrenten Ali Karimi und dem alternden Mehmet Scholl. Der 34-Jährige erlebt unter Magath gerade eine ungeahnte Renaissance. Sebastian Deisler beginnt nun, sich innerlich völlig zu zerreiben. Er hadert mit seinem Umfeld und sich selbst, wird regelrecht wütend, weil er das Gefühlt hat, man lasse ihn nicht mehr zur Entfaltung kommen. Und das passiert ausgerechnet ihm, der das Spiel der Bayern prägen wollte, nicht nur ergänzen. Für das Selbstwertgefühl des Spielers ist es ein Keulenschlag. Immer weniger kann er sich auf seinen Job konzentrieren, auf das also, was er eigentlich am besten beherrscht, das Fußball spielen.
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