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Die Motorhaube war eiskalt. Special Agent Joseph Carter, FBI, nahm die Hand von dem Chevy Suburban, der Ford Elkhart gehörte, und streckte die Finger, um den Frost zu vertreiben. Er hatte seine Lederhandschuhe zu Hause gelassen und trug nur dünnes Latex, um nicht zu kontaminieren, was möglicherweise Beweisstück in einem Verbrechen war.
Möglicherweise, aber nicht wahrscheinlich. Fords Chef war zwar davon überzeugt, dass dem Jungen etwas Schlimmes passiert war, aber Joseph hielt es für realistischer, dass der zwanzigjährige Collegestudent gestern Abend mit seiner Freundin nach Hause gegangen war, um wilden Sex zu haben.
Allerdings war Fords Chef Josephs Vater, deswegen fand Joseph, er könne durchaus eine Stunde erübrigen und nach dem Jungen sehen, um seinen Dad ein wenig zu beruhigen.
Und, wie Joseph sich eingestehen musste, auch sich selbst. Denn obwohl er im Grunde überzeugt war, dass Ford und sein Häschen im schön warmen Bett horizontalen Tango tanzten, würde die Unwissenheit so lange an ihm nagen, bis er sie beseitigt hätte. Ford hatte auf ihn immer einen zuverlässigen Eindruck gemacht, und es sah ihm gar nicht ähnlich, seiner Arbeit fernzubleiben, ohne auch nur anzurufen.
Falls ihm etwas zugestoßen war, wäre die Mutter des Jungen am Boden zerstört.
Und das hatte eine Frau wie Fords Mutter nicht verdient. Obwohl sie alleinerziehend gewesen war, hatte sie ihr Jurastudium geschafft und war nun eine erfolgreiche Staatsanwältin, die nebenbei eine beeindruckende Liste an Wohltätigkeitsveranstaltungen abarbeitete. Sie war eine auffällige Person, die nicht viel von Zurückhaltung hielt, herzlich, sympathisch und sehr, sehr clever.
Und sie hatte unglaubliche Beine. Joseph stieß geräuschvoll den Atem aus, der als Wölkchen in der kalten Luft hängenblieb, und dachte an seine erste Begegnung mit Assistant State's Attorney Daphne Montgomery mehr als neun Monate zuvor.
Nein, er hatte die Beine nicht vergessen können. Eigentlich hatte er nichts, was sie betraf, vergessen können. Er hatte es versucht. Oft sogar. Aber nun war sie vergeben. Weil ich zu lange gewartet habe.
Sich zu vergewissern, dass ihrem Sohn nichts passiert war, war also das mindeste, das er tun konnte. Verdammt, es war das Einzige, das er tun konnte. Weil er so lange gewartet hatte, dass nun ein anderer Mann diese Beine aus nächster Nähe zu sehen bekam - und den Rest von ihr auch.
Sein Handy summte in seiner Jackentasche. Froh über die Gelegenheit, seine Gedanken von der gerade eingeschlagenen Richtung abzubringen, zog er es heraus. Es überraschte ihn nicht, welche Nummer auf dem Display stand, eher erstaunte es ihn, dass sein Vater so lange gewartet hatte, um nachzufragen, ob es etwas Neues gäbe.
Jack Carter, CEO eines Elektronikunternehmens, das seine Finger in allem, angefangen bei Leitsystemen bis hin zu mikroprozessorgesteuerten Prothesenimplantaten, hatte, war die Verkörperung des Begriffs Multitasking. Der Begriff »Geduld« dagegen kam in seinem Wortschatz nur am Rande vor.
»Und?«, fragte sein Vater. »Hast du ihn gefunden?«
»Seinen Suburban habe ich gefunden«, antwortete Joseph. »Etwa einen Block von der Penn Station entfernt.«
»Aber was soll er denn am Bahnhof gemacht haben? Sein Freund hat gesagt, er hätte auf Facebook gepostet, dass er sich mit seiner Freundin einen Film für Französisch angucken wollte.«
»Es gibt nur zwei Kinos in der Stadt, die französische Filme zeigen, und eins davon ist in der Nähe des Bahnhofs. Ich habe so lange gesucht, bis ich den SUV gefunden hatte. Sieht so aus, als hätte er die ganze Nacht da gestanden.«
»Eine gefährliche Gegend.«
»Am Tag geht's eigentlich.« Joseph beobachtete, wie ein Obdachloser mit einem Müllsack über der Schulter in eine Seitenstraße schlurfte. Wahrscheinlich befand sich in der Tüte alles, was er besaß. »Aber nachts kann es heikel werden.«
»Deswegen ist Ford überhaupt mitgefahren. Damit Kim dort nicht allein im Dunkeln herumlaufen musste.«
»Ich nehme also an, dass du noch nichts von ihm gehört hast.«
»Nein. Aber von Andrew, dem anderen Praktikanten, den Ford heute Morgen zur Arbeit mitnehmen wollte. Andrew hat in Kims Wohnheim angerufen, doch sie ist auch nicht da. Ihre Mitbewohnerin hat gesagt, sie sei gestern Abend nicht nach Hause gekommen.«
Manch einer hätte es wohl als seltsam empfunden, dass ein CEO sich so intensiv um einen Praktikanten kümmerte, aber der hatte noch nicht seinen Vater kennengelernt. Carter Industries war ein Riese in der Welt der Produktion, doch im Herzen war Jack Carter immer Wissenschaftler geblieben, der nichts lieber tat als forschen. Praktikanten brachten eine große Menge neuer Ideen hervor, und sein Vater machte sich die Mühe, sich jede einzelne anzuhören. Dass er Ford Elkharts Namen kannte, war also zu erwarten gewesen.
Dass er sich derart viele Gedanken um das Wohlergehen des Jungen machte . nun, so war sein Vater eben. Natürlich war dabei nicht ganz unwichtig, dass es innerhalb der Familie eine Verbindung gab. Josephs Adoptivbruder Grayson war Daphnes Chef und ein guter Freund. Wodurch Daphne und ihr Sohn quasi zur Familie gehörten.
Und dass Ford Jacks Leidenschaft für die Forschung teilte, hatte ein Übriges getan. Jack liebte seine vier Kinder bedingungslos, aber keins zeigte Interesse am Familiengeschäft.
Josephs älteste Schwester Lisa und ihr Mann besaßen ein Cateringunternehmen. Die mittlere Schwester Zoe war Polizeipsychologin, und seine jüngste Schwester Holly . nun, Holly arbeitete für Lisa. Als Erwachsene mit Downsyndrom wurde Holly mit jedem verstreichenden Jahr eigenständiger, aber selbstverständlich würde sie niemals die Leitung von Carter Industries übernehmen.
Joseph war vermutlich die größte Enttäuschung für seinen Vater. Er besaß tatsächlich einen Abschluss in Elektrotechnik, allerdings war er damit zum FBI gegangen. Seine Leidenschaft hatte nie Drähten und Schaltern gehört, Fords dagegen sehr wohl, weshalb sein Vater den Jungen ins Herz geschlossen hatte.
»Wahrscheinlich haben die zwei sich irgendwo ein Hotelzimmer genommen«, sagte Joseph. »Sie sind zwanzig, und er ist reich. Vielleicht hat der Film sie auf Ideen gebracht, und sie brauchten mehr Privatsphäre, um sie auszuprobieren.«
»Nein. Ford hatte sich eingetragen, eins von diesen neuen Robotergeräten zu benutzen, und heute Morgen wäre er an der Reihe gewesen. Er hat seit Tagen von nichts anderem mehr gesprochen. Hier stimmt etwas nicht, das habe ich im Gefühl.«
Im Grunde ging es Joseph genauso. »Hat sich schon jemand mit den Eltern der beiden in Verbindung gesetzt? Vielleicht sind sie ja einfach nach Hause gegangen.«
»Ich habe versucht, Daphne zu erreichen, aber da geht nur der Anrufbeantworter ran. Von Kims Eltern habe ich keine Nummer, aber Andrew meinte, sie würden irgendwo in der Nähe von Philadelphia wohnen.«
»Ich lasse mir an der Uni die Kontaktdaten geben. Fords Mutter arbeitet im Büro der Staatsanwaltschaft, richtig?« Als würde er das nicht ganz genau wissen.
Sein Vater nahm sich einen Moment Zeit, bevor er antwortete. »Ja, Joseph«, sagte er dann in einem Tonfall, der Joseph klarmachte, dass sein Versuch, den alten Herrn zu täuschen, gescheitert war. Toll. Das konnte ich noch nie.
»Ich rufe Grayson an.« Ursprünglich war es ein Fall seines Bruders, ebenfalls Staatsanwalt, gewesen, durch den er Daphne kennengelernt hatte. »Er wird sie schon aufspüren.«
»Das habe ich bereits getan, aber dort werde ich auch nur auf den Anrufbeantworter weitergeleitet. Wahrscheinlich sind sie beide bei Gericht. Heute findet doch dieser große Prozess statt, von dem ständig in den Nachrichten gesprochen wird.«
»Gegen Reggie Millhouse. Allerdings«, erwiderte Joseph tonlos. Er hatte diesen Fall verfolgt, da es Daphnes erster Soloprozess war, seit man sie befördert und ihr Graysons ehemalige Stelle gegeben hatte. Reggie Millhouse, ein Highschool-Schüler kurz vor dem Abschluss, war angeklagt, ein Ehepaar mittleren Alters ermordet zu haben, dessen Mercedes auf einer einsamen Straße liegengeblieben war.
Der Fall hatte deshalb für großes Aufsehen gesorgt, weil die Opfer Afroamerikaner waren und Reggie Verbindungen zu einer örtlichen Gruppe weißer Rassisten hatte.
»Eben habe ich noch gehört, dass die Geschworenen zu einem Urteil gelangt sind«, sagte sein Vater. »Die Stadt wird toben.«
Es gab hauptsächlich Indizienbeweise, und auf beiden Seiten kochten die Gemüter hoch. Zu welchem Urteil die Jury auch gekommen war, der Aufschrei war gewiss! Vermutlich war der Platz vor dem Gericht heute nicht der sicherste Ort, denn unvermeidlich würden sich dort Demonstranten und Sympathisanten versammeln.
Wenn Daphnes Sohn am Abend vor einem so wichtigen Urteil verschwand .
»Du bist so ruhig«, stellte sein Vater leise fest. »Denkst du, was ich denke?«
»Das kann reiner Zufall sein.« Joseph hoffte es inständig. »Ich fahre rüber und warte draußen vor dem Gebäude auf Fords Mutter und Grayson.« Er setzte sich in Bewegung und ging auf seinen Escalade zu. »Ich möchte die Pferde nicht scheu machen, bevor wir keine sicheren Anhaltspunkte dafür haben, dass Ford und seiner Freundin tatsächlich etwas zugestoßen ist.«
»Das ist sicher klug. Ich kenne Kims Wagen und ihr Nummernschild. Sie hat Ford hier ein-, zweimal zum Lunch getroffen, daher ist ihr Auto beim Pförtner registriert. Sie heißt Kimberly MacGregor, und sie...
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