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Verzeihen Sie, Sir, aber dort haben Unbefugte keinen Zutritt.«
Malcolm Edwards ignorierte die Stimme des Jachthafenmanagers und konzentrierte sich auf das Ziel vor ihm. Sein geschwächter Körper wurde bereits müde. Die Carrie On schaukelte auf den Wellen der aufgewühlten Chesapeake Bay, und in der Ferne zog ein Unwetter auf. Es war ein guter Tag zum Sterben.
Nur noch ein paar Schritte, dann kann ich mich ausruhen. Da fing der Steg unter seinen Füßen heftig an zu vibrieren, als Daryl ihm hinterherlief.
»He, Sie da, stehen bleiben! Dies ist Privatbesitz! Hey, Freundchen, ich sagte .«
Malcolm fuhr zusammen, als eine kräftige Pranke seinen Oberarm packte und ihn herumriss. Stumm blickte er Daryl an und wartete, bis der ihn erkannt hatte.
Daryl blieb vor Schreck der Mund offen stehen, und aus seinem sonst stets geröteten Gesicht wich jegliche Farbe. »Mr. Edwards«, stammelte er und wich zurück. »Verzeihen Sie, Sir.«
»Schon gut«, erwiderte Malcolm freundlich. »Ich weiß, dass ich nicht mehr wie ich selbst aussehe.«
Er wusste, welchen Anblick er bot, und war überrascht, dass Daryl ihn überhaupt erkannt hatte. Dass seine sogenannten Freunde ihn noch erkennen würden, bezweifelte er stark - nicht, dass sie sich die Mühe gemacht hätten, ihn zu besuchen. Nur Carrie war bei ihm geblieben, und manchmal hatte sich Malcolm gewünscht, sie hätte es nicht getan. In guten wie in schlechten Zeiten. Dies waren definitiv letztere.
Wahrscheinlich glaubte sie, dass er es nicht hörte, wenn sie manchmal unter der Dusche stand und weinte, aber er tat es. Und er hätte alles dafür gegeben, ihr diese Hölle zu ersparen. Aber das konnte der Mensch nicht entscheiden, das war Gottes Wille. Carrie, die Malcolms Verfall hilflos hatte mit ansehen müssen, hatte Gott verflucht, aber Malcolm konnte sich diesen Luxus nicht erlauben. Es lagen schon genug dunkle Flecken auf seiner Seele.
Daryl schluckte sichtlich. »Kann ich etwas für Sie tun? Ihnen irgendwie helfen?«
»Nein danke, ich habe alles. Ich gehe angeln.« Er hielt den Ködereimer hoch, den er als Tarnung gekauft hatte. »Ich will einfach nur den Wind im Gesicht spüren.« Ein letztes Mal, fügte er in Gedanken hinzu. Er wandte sich zu seinem Boot um und setzte entschlossen einen Fuß vor den anderen. Wieder vibrierte der Steg unter seinen Füßen, als Daryl unschlüssig neben ihm herging. Der Mann schien nicht zu wissen, wie er aussprechen sollte, was er auf dem Herzen hatte.
»Sir, ein Sturm kommt auf. Sie sollten besser warten.«
»Ich habe keine Zeit zu warten.« Nichts entsprach mehr der Wahrheit.
Obwohl es Daryl offensichtlich unangenehm war, versuchte er es weiter. »Ich könnte ein paar Leute zusammentrommeln, die Sie rausbringen. Mein Enkel ist ein guter Bootsmann.«
»Das weiß ich zu schätzen, wirklich, aber manchmal muss man allein sein. Sie sorgen sich um mich, und dafür danke ich Ihnen.« Endlich war er an Bord, und sein Körper schien in sich zusammenzufallen, als seine Hände sich um das Ruder schlossen. Es war schon viel zu lange her, seit er zuletzt in die Bucht hinausgesegelt war. Aber er war beschäftigt gewesen. Arztbesuche, Therapien und . Er blickte in den düsteren Himmel hinauf.
Und Wiedergutmachung. Er hatte vieles wiedergutzumachen, besonders diese eine Sache, die seit einundzwanzig Jahren auf seiner Seele lastete.
Er dachte an den Brief, den er abgeschickt hatte. Blieb nur zu hoffen, dass er nicht zu spät kam. Blieb nur zu hoffen, dass er das Ruder lange genug auf Kurs halten konnte, um das zu tun, was getan werden musste. Blieb zu hoffen, dass Ertrinken wirklich wie Einschlafen war.
Die See wurde kabbeliger, der Wind heftiger, je weiter er hinausfuhr. Schließlich stellte er den Motor ab und lauschte mit geschlossenen Augen den Wellen. Tief atmete er die salzige Luft ein und genoss ihn, diesen letzten Tag. Carrie würde traurig, aber insgeheim auch ein wenig erleichtert sein. Sie hatte heute Morgen eine tapfere Miene aufgesetzt, als er ihr einen Abschiedskuss gegeben hatte. Wenn die Polizei an ihre Tür klopfte, um ihr die schlechte Nachricht zu überbringen, würde sie schwören, dass ihr Mann sich niemals selbst das Leben genommen hätte. Aber tief in ihrem Inneren würde sie die Wahrheit kennen.
Er trat an Deck und stellte die Angelausrüstung auf. Er musste den Schein wahren, falls man das Boot intakt fand, nachdem er von einer »Welle über Bord gespült« worden war. Er nahm einen Köder und befestigte ihn am Haken, als eine harsche Stimme ihn in seinen Gedanken unterbrach.
»Wer sind die anderen?«
Malcolm fuhr herum, und der Köder glitt ihm aus den Fingern. Etwa einen Meter hinter ihm stand breitbeinig ein Mann, die Arme vor der Brust gekreuzt. Hass glomm in seinen Augen. Malcolm fuhr ein Angstschauder über den Rücken. »Wer sind Sie?«
Der Mann trat so sicher einen Schritt vor, als würde das Boot nicht schwanken. »Wer sind die anderen?«
Die anderen. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, log Malcolm.
Der Mann zog einen Umschlag aus der Tasche, und Malcolms Magen verkrampfte sich, als er den Brief und seine eigene Handschrift erkannte. Seine Gedanken rasten einundzwanzig Jahre zurück, und er glaubte nun zu wissen, wer der Mann war. Auf jeden Fall wusste er, was der Mann wollte.
»Wer sind die anderen?«, fragte er erneut und überdeutlich.
Malcolm schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde nichts sagen.«
Der Mann griff in die Tasche und zog ein langes Filetiermesser hervor. Er hielt es hoch und betrachtete die scharfe Klinge. »Dann töte ich dich«, sagte er fast emotionslos.
»Na und? Ich werde ohnehin sterben. Ist Ihnen das etwa noch nicht aufgefallen?«
Das Boot bäumte sich auf, und Malcolm verlor den Halt, während der Mann kaum schwankte. Er hat Seemannsbeine. Wenn er derjenige war, für den Malcolm ihn hielt, konnte das gut sein. Der Vater des Mannes war Fischer gewesen und hatte sein eigenes Boot gehabt, aber auch das hatte er damals verloren.
Im Lauf der letzten Jahre waren Existenzen vernichtet und Menschen ruiniert worden. Und wir sind schuld. Ich bin schuld. Er wird mich umbringen, und ich habe es verdient. Aber Malcolm wollte weder die Identitäten der anderen preisgeben noch schmerzvoll sterben. Er tat einen Sprung zur Seite.
Aber der Mann war schnell. Er packte Malcolm am Arm, stieß ihn in einen Liegestuhl und band ihn an Händen und Füßen mit Stricken fest, die er aus seiner hinteren Hosentasche zog. Der Mann war gut vorbereitet an Bord gegangen.
Jetzt sterbe ich.
Der Mann richtete sich drohend auf. »Wer sind die anderen?«
Mit hämmerndem Herzen blickte Malcolm zu ihm auf.
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Du wirst es mir ohnehin sagen. Wenn ich Zeit hätte, würde ich all das mit dir machen, was ihr mit ihr gemacht habt.« Er sah Malcolm in die Augen. »Alles.«
Malcolm schluckte, als er daran dachte, was in jener Nacht vor so vielen Jahren geschehen war. »Es tut mir leid. Und das habe ich schon gesagt. Aber ich habe nichts mit ihr angestellt. Das schwöre ich.«
»Ich weiß«, sagte der Mann verbittert. »Das stand so in dem Brief. Obwohl du zu feige gewesen bist, das Geständnis mit deinem Namen zu unterschreiben.«
Er hatte recht. Er war damals feige gewesen, und er war es immer noch. »Woher wussten Sie, dass ich es war?«
»Mir war klar, dass es einer von euch gewesen sein musste. Ihr wart doch damals immer alle zusammen. Und ihr habt alle das Mannschaftsbild signiert.«
Malcolm schloss die Augen und sah es vor sich. Sie waren so jung gewesen, so verdammt arrogant, und sie hatten geglaubt, dass die Welt sich um sie drehte. »Das in der Pokal-Vitrine der Highschool.«
Er grinste höhnisch. »Ebendas. Und deine Handschrift hat sich in den zwanzig Jahren nicht besonders verändert. Das >M< sieht noch immer gleich aus. Man muss kein Genie sein, um auf dich zu kommen. Was mich wieder zu dem Grund zurückführt, warum ich vorbeischaue. Du wirst mir sagen, was ich wissen will.«
»Nein. Wie ich schon im Brief sagte: Das ist eine Sache, die die anderen mit Gott ausmachen müssen. Tut mir leid.«
Das höhnische Grinsen wurde zu einem grausamen Lächeln. »Nun, das werden wir noch sehen.«
Er verschwand unter Deck. Sofort zerrte Malcolm an seinen Fesseln, obwohl er wusste, dass es keinen Sinn hatte. In seiner Erinnerung blitzten Bilder auf, kranke, scheußliche Szenen der Dinge, die man dem Mädchen damals angetan hatte, während er danebengestanden und zugesehen hatte. Tatenlos.
Ich hätte etwas tun müssen. Ich hätte dem Ganzen ein Ende bereiten müssen. Aber das hatte er nicht, und die anderen auch nicht. Und nun bezahlte er dafür.
Er hörte einen dumpfen Laut, als der Mann etwas aus der Luke zerrte. Eine Frau. Plötzlich brannte Säure in Malcolms Eingeweiden. Den Pullover, den sie trug, kannte er nur allzu gut. Seine Frau hatte ihn getragen, als er sich vor nur wenigen Stunden von ihr verabschiedet hatte.
»Carrie!« Malcolm versuchte aufzustehen, konnte es aber nicht. Carrie waren die Augen verbunden. Sie war gefesselt und geknebelt, und der Mann zerrte sie am Arm an Deck. »Lassen Sie sie laufen. Sie hat nichts getan.«
»Du auch nicht«, sagte der Mann spöttisch. »Das hast du selbst gesagt.« Er stieß Carrie auf einen Stuhl und hielt ihr das Messer an den Hals. »Jetzt sag schon, Malcolm. Wer. Sind. Die. Anderen?«
Verzweifelt sah Malcolm in die verengten Augen des Mannes, bevor sein Blick...
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