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Cincinnati, Ohio Mittwoch, 12. August, 17.30 Uhr
Lauf. Los. Schneller. Du musst ihn aufhalten. Bitte, lieber Gott, mach, dass ich es diesmal schaffe.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, stürzte Kate die Treppe hinauf. Ihr Herz hämmerte, aber nicht vom Laufen, sondern vor Angst - so übermächtig, dass sie sie förmlich riechen, auf der Zunge schmecken und spüren konnte, wie sie sich wie ein Film über ihre Haut legte, als sie die nicht enden wollenden Stufen hinaufhetzte.
Weil sie wusste, dass sie ihn nicht aufhalten konnte. Niemals. Sie kam zu spät, jedes Mal.
Jedes Mal wieder blieb sie vor der Tür stehen. Ich kann es nicht. Nicht noch einmal. Bitte, zwing mich nicht, es noch einmal zu tun. Doch ihre Hand bewegte sich wie von allein, schloss sich um den Türknauf. Langsam schwang die Tür auf.
Dahinter sah sie ihn in ihrem Sessel sitzen. Sein Kopf ruhte auf der Decke, die ihre Großmutter ihr gehäkelt hatte, als sie sechs Jahre alt gewesen war. Auf seinem Gesicht lag ein höhnisches Lächeln.
Und in seinem Mund steckte der Lauf einer Waffe. Ihrer Waffe.
Sie zuckte zusammen und schloss die Augen, nur eine Sekunde, bevor der Schuss losging. Weil sie genau wusste, was passieren würde. Sie wusste, wie grauenvoll es -
»Kate!« Die gedämpfte, aber beharrliche Stimme drang durch den Nebel ihres Bewusstseins, dann wurde sie auf einmal laut und klar, und im nächsten Moment spürte Kate einen vorsichtigen Klaps gegen ihre Wange. »Kate? Aufwachen, Special Agent Coppola.«
Kate schreckte hoch und registrierte, dass ihr Herz noch schneller schlug als in ihrem Traum. Schon wieder war sie zu spät gekommen. Aber das würde sie immer tun. Weil er es so gewollt hatte.
Er hatte gewollt, dass sie es mit ansah.
Blinzelnd setzte sie sich in ihrem Stuhl auf - was für ein unbequemes Ding! - und sah zu dem schlafenden Mann im Bett hinüber: Special Agent Griffin Davenport, dessen rhythmische Atemzüge das einzige Geräusch in dem ansonsten stillen Krankenzimmer waren.
Dann blickte sie in ein ungewöhnliches Augenpaar - das eine Auge blau, das andere braun -, das auf sie gerichtet war, betrachtete die breiten schlohweißen Strähnen, die in scharfem Kontrast zu dem tiefschwarzen Haar der Frau vor ihr standen. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und berührte Danis Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte. Sie fühlte sich fest und real unter ihren Fingern an.
»Dani«, sagte sie, nur um ihre eigene Stimme zu hören. Sie klang rauh, wie Schmirgelpapier. Als hätte sie sich die Seele aus dem Leib geschrien. O Gott, bitte mach, dass ich nicht geschrien habe.
Dr. Dani Novak sprach ganz leise und ruhig, als hätte sie ein wildes Tier vor sich. Oder eine Frau, die gerade aus einem Alptraum gerissen worden war. »Ja. Ich bin echt. Und, ja, Sie sind tatsächlich wach.«
Sie kniete vor dem Sessel, Kates Ohrstöpsel in der einen, den Laptop in der anderen Hand, während Kate sich die Decke, an der sie gestrickt hatte, wie ein Schutzschild gegen die Brust presste.
»Ihr Laptop wäre beinahe heruntergefallen«, erklärte Dani im selben beruhigenden Tonfall. »Ich habe ihn in letzter Sekunde aufgefangen. Sie haben geträumt.«
Kate ließ ihr Strickzeug sinken und presste sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen. »Stimmt«, murmelte sie nur. Aus diesem Traum aufzuwachen, war jedes Mal fürchterlich. Sie hasste die Benommenheit, die Orientierungslosigkeit, hasste das Hämmern ihres Herzens, das letzte Bild des Traums - der zerberstende Kopf des Mannes, als er abdrückte. »Ich wünschte, Sie wären ein paar Sekunden früher reingekommen«, murmelte sie.
»Ich auch«, sagte Dani mitfühlend. »Sie haben im Schlaf gesprochen.«
Kates Augen weiteten sich, als eine ganz andere Angst Besitz von ihr ergriff. »Was habe ich gesagt?« Bitte nicht zu viel.
»Nur >Es tut mir leid, Jack. So leid.<«, antwortete Dani leise.
»Das war alles?«
Zu Kates Erleichterung nickte Dani, und obwohl sie die Ärztin nicht besonders gut kannte, wusste sie, dass sie kein Mensch war, der log. Schließlich war sie die Schwester ihres engen Freundes und früheren FBI-Kollegen Deacon, einem der aufrichtigsten Menschen, den Kate kannte.
Was sie mit Deacon Novak verband, hatte echten Seltenheitswert: Er war Kollege und guter Freund zugleich. Mehr nicht. Ohne jedes erotische Knistern oder sonst etwas, wofür Kate mehr als dankbar war. Als sie sich begegneten, hatte sie alles gebraucht, aber keinen Mann an ihrer Seite. Und vielleicht würde es auch für alle Zeiten so bleiben. Aber einen Freund, den hatte sie damals dringend gebraucht, und einen besseren als Deacon hatte sie kaum finden können.
Nach seiner Versetzung von Baltimore nach Cincinnati hatte Kate ihn schmerzlich vermisst, sowohl seine Fähigkeiten als Polizist als auch seinen Sarkasmus, gepaart mit seiner unverblümten Geradlinigkeit. Dann hatte sich eine freie Stelle in Cincinnati aufgetan, und Kate hatte sofort zugegriffen. Sie hätte es auch getan, wenn es eine Degradierung für sie bedeutet hätte, doch zum Glück war genau das Gegenteil der Fall. Sie hatte allen erzählt, sie hätte die Stelle angenommen, weil eine Beförderung damit verbunden war, doch der wahre Grund für den Wechsel war Deacon Novak.
Zwar arbeiteten sie nicht länger Seite an Seite - Deacon gehörte einer Einheit an, die eng mit dem CPD, dem Cincinnati Police Department, zusammenarbeitete, während Kate dem FBI-Büro zugeteilt war, doch allein die Gewissheit, dass er in der Nähe war und sie im Auge behielt, genügte ihr schon.
Dass Deacon kurze Zeit nach seinem Umzug auch noch die Liebe seines Lebens kennengelernt hatte, freute Kate umso mehr. Sie selbst hatte ihren eigenen Seelenverwandten schon vor langer Zeit gefunden, lange bevor sie Deacon Novak begegnet war. Deacon hatte sein Glück mehr als verdient, und Kate wünschte ihm und seiner Verlobten Faith das Glück, das sie einst hatte erleben dürfen.
Allerdings hoffte sie, dass die beiden es länger genießen durften, als es ihr vergönnt gewesen war. Schließlich waren ein paar Jahre der unbeschwerten Freude nicht allzu viel, wenn man bedachte, dass jener Mann die Liebe ihres Lebens gewesen war. Mit gebrochenem Herzen und am Boden zerstört war sie drei Jahre zuvor nach Baltimore gekommen, und erst Deacons Auftauchen hatte ihr vor Augen geführt, wie allein sie gewesen war. Und jetzt .
Das höhnische Lächeln, der Pistolenlauf in seinem Mund, der Schuss .
Hör auf! Entschlossen verdrängte sie das Bild aus ihren Gedanken, doch ihr war bewusst, dass es auf kurz oder lang zurückkehren würde. Sie wusste, dass es immer da war, stets am Rand ihres Bewusstseins, als wollte es sie verspotten, doch gleichzeitig erinnerte es sie auch daran, wie sehr sie Freunde brauchte. Und vielleicht könnte sie irgendwann auch Deacons Schwester dazuzählen.
»Ich glaube nicht, dass jemand Sie gehört hat. Eigentlich war es nur ganz leise, ein Murmeln. Geht es Ihnen gut?«, fragte Dani sachte.
Kate nickte, obwohl sie immer noch ziemlich erschüttert war. Von dem Traum, aber auch von dem Wissen, wie hilflos sie im Schlaf war. Wenn sie schlief, konnte sie nicht kontrollieren, was sie sagte. Andererseits hätte es schlimmer kommen können. Immerhin habe ich nicht geschrien.
Aber ging es ihr gut? Nein, verdammt, es ging ihr überhaupt nicht gut. Und vielleicht würde es ihr auch nie wieder gutgehen.
»Das wird schon«, log sie mit einem gezwungenen Lächeln und nahm Dani den Laptop und die Ohrstöpsel ab, sorgsam darauf bedacht, dass ihre Hände nicht zitterten. »Danke, dass Sie das blöde Ding aufgefangen haben.« Sie schob ihn unter ihren Stuhl. »Sosehr ich mir ja einen neuen wünsche, brauche ich das Teil hier wenigstens noch, bis ich meine Notizen zu den Audiodateien speichern konnte, die ich den ganzen Nachmittag lang transkribiert habe.«
Dani zuckte mit den Schultern. »Entweder war die Datei zu Ende, oder es war sowieso nichts drin.«
Kate sah sie durchdringend an. »Sie haben gelauscht? Aber sie waren nicht für fremde Ohren bestimmt.«
»Es war keine Absicht.« Gelassen griff Dani nach den Ohrstöpseln und ließ das Ende mit dem Stecker vor Kates Nase baumeln. »Der hier ist beim Hochheben herausgefallen.«
»Entschuldigung«, sagte Kate zerknirscht. »Noch mal danke. Das war nicht nett von mir, aber ich bin immer mies drauf, wenn ich so aus dem Schlaf gerissen werde.«
Dani winkte ab. »Geht mir genauso. Jedenfalls habe ich nur Rauschen gehört.«
»Weil die Lautsprecher genauso lausig sind«, brummte Kate. Sie konnte froh sein, dass sie die jüngsten Erkenntnisse in einer laufenden Ermittlung nicht versehentlich auch noch sämtlichen Schwestern, Patienten und deren Angehörigen auf der Intensivstation preisgegeben hatte.
»Was haben Sie sich denn da angehört?«, fragte Dani neugierig.
»Aufzeichnungen aus seiner Arbeit als verdeckter Ermittler«, antwortete Kate mit einem Nicken in Davenports Richtung.
Special Agent Griffin Davenport war vor einer Woche ins künstliche Koma versetzt worden, um seinen Genesungsprozess zu beschleunigen, nachdem eine Kugel eine Rippe durchschlagen hatte und in seine Lunge eingedrungen war, was zu einer massiven Blutung im Brustkasten geführt hatte. Er war an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die allem Anschein nach ihre Aufgabe hervorragend erledigte, wie seine sich stetig hebende und senkende Brust bewies.
Dani von Davenports Aufzeichnungen zu erzählen, stellte kein Problem dar. Seine...
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