Schweitzer Fachinformationen
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Kristen drückte wütend auf den Fahrstuhlknopf. Schon wieder verließ sie das Büro so spät. »Jetzt schwing deinen Hintern bloß nach Hause«, murmelte sie. John hatte gesagt, er wolle, dass sie morgen frisch und ausgeschlafen war, aber er hatte mit ihr auch noch einmal »rasch einen Fall durchgehen« müssen. Und so hatte, genau wie jeden Abend, eins zum anderen geführt. Und genau wie jeden Abend verließ sie das Büro, nachdem alle anderen schon fort waren - John eingeschlossen. Sie verdrehte die Augen, als sie sah, dass zwei Glühbirnen in dem Flur, der ihre Büros mit den Aufzügen zum Parkhaus verband, durchgebrannt waren. Sie holte ihr Diktiergerät aus der Tasche.
»Notiz an den Hausmeister«, murmelte sie ins Mikrofon. »Zwei kaputte Glühbirnen am Fahrstuhleingang.« Lois würde diese Notiz mitsamt den anderen zwanzig, die sie in den letzten drei Stunden aufgenommen hatte, hoffentlich tippen und weiterleiten. Lois weigerte sich nie . sofern es jemandem gelang, ihre Aufmerksamkeit auf die eigenen Anliegen zu richten. Alle Staatsanwälte hatten ein riesiges Kontingent an Fällen zu bearbeiten, und jede Bitte, die von der Special Investigation Unit kam, bedeutete eine Frage auf Leben und Tod. Leider Gottes hatten Kristens Fälle meistens mit dem Tod zu tun. Was den größten Teil ihres Lebens auffraß. Nicht dass sie ein großartiges Leben hatte. Sie seufzte. Hier stand sie vor dem Fahrstuhl zum Parkhaus, wie üblich allein und wie üblich beinahe zu erschöpft, um sich groß daran zu stören.
Sie ließ den Kopf nach vorn sinken und dehnte die Muskeln, die von den Stunden, die sie über den Akten gebrütet hatte, verspannt und hart geworden waren. Plötzlich jedoch richteten sich die Härchen in ihrem Nacken auf. Etwas an dem muffigen Geruch im Flur hatte sich verändert. Erschöpft ja, aber nicht allein. Jemand anderes war hier. Instinkt, Training und die nur allzu vertrauten Erinnerungen, die augenblicklich in ihr Bewusstsein strömten, ließen sie nach dem Pfefferspray in ihrer Tasche tasten, während ihr Puls zu jagen begann und ihr Verstand verzweifelt versuchte, sich daran zu erinnern, wo der nächste Notausgang war. Dann holte sie tief Luft und wirbelte herum, die Spraydose fest in der erhobenen Hand. Sie würde fortlaufen, ja, aber wenn es sein musste, würde sie sich auch verteidigen.
Sie hatte nur einen Sekundenbruchteil, um den Anblick des Riesen zu verarbeiten, der mit verschränkten Armen hinter ihr stand und die Anzeige über der Aufzugtür beobachtete. Im nächsten Moment packte er ihr Handgelenk, und sein Blick bohrte sich in sie.
Blaue Augen, hell wie eine Gasflamme, aber kalt wie Eis. Er hielt ihren Blick fest. Sie schauderte, konnte aber nicht wegsehen. Irgendetwas an den Augen kam ihr vertraut vor, doch der Mann selbst war ein Fremder. Er schien den ganzen Flur auszufüllen, und seine breiten Schultern schirmten das spärliche Licht ab, sodass sein Gesicht im Schatten lag. Sie suchte in ihrer Erinnerungen nach einem Hinweis darauf, wo sie ihn zuvor gesehen haben mochte; sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemanden von seiner Größe und Präsenz vergessen hätte.
Selbst im Zwielicht wirkte sein Gesicht hart und kantig, die Züge geprägt von innerer Trostlosigkeit. Sein Kinn war kräftig, der Zug um den Mund kompromisslos. Kristen hatte jeden Tag mit Menschen zu tun, die viel Leid durchgemacht hatten, und sie wusste instinktiv, dass dieser Mann ebenfalls solche Erfahrungen durchlebt hatte.
Es dauerte eine weitere Sekunde, bis sie merkte, dass er genauso heftig atmete wie sie. Mit einem gemurmelten Fluch riss er ihr die Spraydose aus der Hand, und der Bann war gebrochen. Er ließ ihr Handgelenk los, und sie rieb es sich automatisch, während ihr Herzschlag sich zu normalisieren begann. Er war nicht brutal gewesen, nur bestimmt. Dennoch würde sie morgen die Druckstellen sehen können, und das obwohl der dicke Wintermantel dazwischen gewesen war.
»Haben Sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank?«, fragte er. Seine Stimme war ein tiefes Grollen.
Sofort ging ihr Temperament mit ihr durch. »Das sollte ich Sie fragen! Hat Ihnen noch nie jemand gesagt, dass man sich in dunklen Fluren nicht an Frauen anschleicht? Ich hätte Sie verletzen können!«
Eine dunkle Augenbraue hob sich amüsiert. »Wenn Sie das ernsthaft glauben, dann haben Sie wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wenn ich über Sie hätte herfallen wollen, dann hätten Sie nichts, aber auch rein gar nichts tun können, um mich daran zu hindern.«
Kristen spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich, als seine Worte in ihr Bewusstsein drangen und die Diashow ihrer Erinnerungen ganz von vorn einsetzte. Er hatte Recht. Sie hätte nichts tun können. Sie wäre ihm ausgeliefert gewesen.
Seine Augen verengten sich. »Jetzt fallen Sie mir bloß nicht in Ohnmacht, Lady.«
Ihr hitziges Temperament kochte erneut hoch und rettete sie. Sie straffte die Schultern. »Ich falle nie in Ohnmacht.« Das zumindest entsprach der Wahrheit. Sie hielt ihm die Hand entgegen. »Mein Pfefferspray, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Er grunzte. »Es macht mir etwas aus.« Aber er gab es ihr trotzdem zurück. »Ich meine es ernst, Lady. Dieses Spray hätte mich nur wütender gemacht. Insbesondere, da Sie vermutlich nicht richtig getroffen hätten. Und was, wenn ich es gegen Sie verwendet hätte?«
Kristen runzelte die Stirn. Das Wissen, dass er schon wieder Recht hatte, ärgerte sie enorm. »Was soll eine Frau denn Ihrer Meinung nach tun?«, fuhr sie ihn an. »Bloß dastehen und ein braves Opfer sein?«
»Das habe ich nicht gesagt.« Er zuckte die Achseln. »Gehen Sie doch zu einem Selbstverteidigungskurs.«
»Das habe ich bereits getan.« Der Fahrstuhl kündigte sich mit einem trockenen Pling an, und beide wandten die Köpfe zur Wand, gespannt, welche der Türen sich öffnen würde. Der linke Aufzug ging auf, und der Mann bedeutete ihr mit übertrieben großer Geste einzutreten.
Sie musterte ihn abschätzend. Sie hatte Tausende von Stunden in Gegenwart von Verbrechern verbracht, die jede vorstellbare Schandtat begangen hatten, und sie erkannte jetzt, dass dieser Mann keine Gefahr für sie darstellte. Dennoch war Kristen Mayhew eine vorsichtige Frau. »Ich nehme den nächsten.«
Seine blauen Augen blitzten auf. Sein Kiefer verspannte sich, und ein Muskel zuckte. Sie hatte ihn beleidigt. Nein, wie ihr das Leid tat! »Ich tue Ihnen nichts«, sagte er und schob sich vor die Lichtschranke, als die Türen sich zu schließen begannen. Er lehnte sich gegen den Rahmen, und sie hatte plötzlich den Eindruck, dass er genau so müde war wie sie. »Kommen Sie schon. Ich habe keine Lust, die ganze Nacht hier zu stehen, und allein lassen werde ich Sie auch nicht.«
Voller Unbehagen blickte sie den leeren Korridor hinab. Sie hatte ebenfalls keine Lust, hier länger als nötig zu verweilen. Also trat sie in den Fahrstuhl. Wütend stellte sie fest, dass zehn Jahre und fünfmal so viele Therapiebücher es nicht geschafft hatten, ihr die Angst vor dunklen Fluren zu nehmen. »Aber hören Sie auf, mich Lady zu nennen«, fauchte sie.
Er trat zu ihr in den Aufzug, und die Türen glitten zu. »Was war das Erste, das man Ihnen in Ihrem Selbstverteidigungskurs beigebracht hat, Ma'am?«
Sein herablassender Tonfall brachte sie zum Kochen. »Dass man sich seiner Umgebung immer voll bewusst sein sollte.«
Er zog mit arroganter Miene eine Braue hoch, und Kristen platzte erneut der Kragen. »Das war ich! Ich habe gewusst, dass Sie da waren, oder etwa nicht? Obwohl Sie sich angeschlichen haben.« Das hatte er wirklich. Als er hinter ihr gewesen war, hatte sie ihn gespürt. Und er hatte kein einziges Geräusch gemacht, als er sich genähert hatte.
Er schnaubte. »Ich stand zwei volle Minuten lang hinter Ihnen.«
Kristen verengte die Augen zu Schlitzen. »Das stimmt nicht.«
Er lehnte sich gegen die Aufzugwand und verschränkte die Arme vor der Brust. »>Notiz an den Hausmeister<«, wiederholte er. »Und mein persönlicher Favorit: >Jetzt schwing deinen Hintern bloß nach Hause.<«
Kristens Wangen wurden heiß. »Warum fahren wir denn nicht?«, fauchte sie, verdrehte dann jedoch die Augen. Keiner von beiden hatte auf einen Knopf gedrückt. Sie hämmerte auf den Schalter für die zweite Parkebene, und der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Er nickte zufrieden. »Und jetzt weiß ich auch noch, wo Sie Ihren Wagen geparkt haben.«
Er hatte Recht. Schon wieder. Sie hatte alles außer Acht gelassen, was sie zum Thema Selbstschutz gelernt hatte. Sie rieb sich ihre pochenden Schläfen. »Okay, ich habe mich wie eine dumme Kuh verhalten, und Sie sind mein Retter. Zufrieden, Sir?«
Seine Mundwinkel verzogen sich aufwärts, und der Anblick raubte ihr den Atem. Ein simples Lächeln, und sein Gesicht wirkte plötzlich nicht mehr verzweifelt, sondern . verheerend. Auf ihren Gemütszustand. Ihr armes, geschundenes Herz setzte einen Schlag aus, während ihr Verstand gleichzeitig über diese Regung staunte. Sie reagierte nicht auf Männer, jedenfalls nicht auf diese Art. Es war nicht so, dass sie Männer nicht mochte oder nicht beachtete oder nicht dann und wann heimlich bewunderte, wenn ihr ein appetitliches Exemplar über den Weg lief. Und er war ganz entschieden ein appetitliches Exemplar. Groß, breitschultrig. Das gute Aussehen eines Filmstars. Natürlich reagierte sie auf ihn. Schließlich war sie auch nur ein Mensch. Wenn auch einer mit leicht angeknackster Seele. Die Erinnerung an ein einzelnes Wort durchdrang ihr Bewusstsein. Nein, von leicht angeknackst konnte keine Rede...
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