Schweitzer Fachinformationen
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Eine Liebeserklärung an die Wälder der Welt
Harze, Humus, Zedernzapfen. Für Dominique Roques, der als Kind eines Holzfällers mit Bäumen aufgewachsen ist, riecht jeder Wald ein wenig anders. Sein Vater hat die Kettensäge als Importeur nach Frankreich gebracht, und so war der Duft, dem Dominique zuerst begegnete, der Geruch frischen Sägemehls. Der Duft der Wälder ist für ihn das Sinnbild ihrer Natürlichkeit, zugleich aber auch ihrer Eroberung durch den Menschen.
Sein Buch nimmt uns mit auf eine Reise zu den außergewöhnlichsten Wäldern der Welt, um der uralten und widersprüchlichen Beziehung zwischen Mensch und Baum näherzukommen: Die mythischen Zedern im Libanon, die zur Errichtung des Tempels Salomons dienten über Ölpalmen auf Borneo bis zu bulgarischen Buchwäldern. Staunend verwebt er Legenden, alte Traditionen und Kuriositäten mit eigenen Erfahrungen. Er berichtet von vergessenen Berufen des Köhlers und Harzsammlers, die sich um den Wald verdient gemacht haben, und erinnert uns an die große Bedeutung des Waldes als letztes Refugium vor dem Lärm und dem Wüten der Menschen.
»Ein Kompendium der Düfte der Wälder, eine Geschichte der Bäume anhand von Menschenporträts und den Geschichten ihrer Ursprünge, mögen sie auch noch so kurz sein.«
Liberation
DOMINIQUE ROQUES, geboren 1952 in Paris, ist als Holzfällerkind in Wäldern aufgewachsen. Nach einem Studium der Betriebswirtschaft gründete er in den 1980er-Jahren eine Destillerie für Zistrosen in Andévalo in Andalusien. Hier begann seine unglaubliche Reise als »Duftscout« für Parfümhersteller, die ihn auf der Suche nach den feinsten Essenzen und Rohstoffen in die außergewöhnlichsten Wälder der Welt, von den Zedernwäldern des Libanon bis zu den Regenwäldern Paraguays, führte. Heute gilt er als gefragter Experte der Parfümindustrie und engagiert sich für den Naturschutz und eine nachhaltige Waldwirtschaft.
Innerhalb von etwas mehr als einem Jahrhundert hat die Menschheit die Hälfte aller Wälder weltweit gerodet und damit eine Tätigkeit extrem beschleunigt, die sie vor viertausend Jahren begonnen hat. Mit den ersten Äxten aus Bronze wird der Mensch zum Holzfäller. Er erobert die Macht über den Wald, den er aus dem Urgrund der Zeit geerbt hat, indem er den lebenden Baum in einen Baumstamm verwandelt, eine Revolution, deren Folgen noch immer den gesamten Planeten erschüttern. In der gar nicht so bekannten Geschichte des Menschen im Wald mischt sich das Erhabene mit dem Tragischen. Dieses lange Epos handelt von dem über alle Zeiten nie aufgelösten Widerspruch zwischen unserem Angewiesensein auf den lebenden Wald und unserem Holzbedarf. Mein Lebensweg hat mich in einige der außergewöhnlichsten Wälder dieser Welt geführt, und ich bekam Lust, ihre Geschichten zu erzählen. Sie illustrieren die Schwierigkeit, Menschheit und Wald miteinander zu versöhnen, und geben doch auch Anlass zur Hoffnung, dass es möglich sei.
Wälder, Bäume und Holz sind die Bühne, auf der sich meine Kindheit abspielte, ein in meiner Erinnerung nach wie vor lebendiges Szenario. In einer von Fernweh erfüllten Nachkriegszeit gingen meine Eltern nach Amerika, wo mein Vater drei Jahre lang als Holzfäller arbeitete und in dieser Zeit die revolutionären Veränderungen durch die Kettensägen hautnah miterlebte. Ende der 1950er-Jahre machte er daraus einen Beruf: Er importierte amerikanische Modelle und zog durch die Wälder Frankreichs, um Holzfäller davon zu überzeugen, ihre jahrtausendealten Äxte beiseitezulegen und auf die motorisierte Neuheit umzusteigen. Diese Kindheit hat mich mit der Schönheit der Bäume, dem Duft des Waldes und zugleich dem Lärmen der Kettensägen vertraut gemacht. Ich sah darin zusammengehörige Teile einer faszinierenden Welt. Später hatte ich Gelegenheit, eigene Erfahrungen als Holzfäller und Waldarbeiter zu sammeln, bevor ich Einkäufer von natürlichen Essenzen für die Parfümindustrie wurde. Düfte sind immer nah an den Bäumen, sie sind für mich zur Orientierung geworden, Zeugnis des stummen Fortbestands der Wälder. Jeder neue Ausflug in die Wälder dieser Welt hat mich dazu gebracht, ihr Schicksal zu ergründen, von ihrer ursprünglichen Schönheit bis zu dem, was die Menschen daraus gemacht haben. Im Verlauf dieser Geschichte, in der das Gute mit dem Schlimmsten einhergeht, habe ich die Erinnerungen eines Holzfällerkinds sorgsam bewahrt.
Die Begegnung mit Bäumen ist eine Quelle tiefer Freude, ein beständiges und dabei immer neu erfahrenes Glück. Abgesehen von dem, was seit langer Zeit geschrieben, gesungen und erzählt wird, genügt schon ein Spaziergang durch den Wald, um wieder zum ersten Menschen zu werden und sich von den Gefühlen überwältigen zu lassen, die die Stille und die Spuren von tausend geheimen Leben um einen herum wecken. Ich liebe es, mich inmitten von Bäumen aufzuhalten, der Anblick des lebendigen Waldes wird mir nie langweilig, der Wind, der an den Blättern zupft, die Wipfel, die sich sanft im Spiel aus Licht und Schatten bewegen. Das Schauspiel des Waldes wirkt umwerfend, alles ist darauf ausgerichtet, aus der unvergleichlichen Schönheit des Baumes, in der unglaublichen Vielfalt seiner Formen, unter allen klimatischen Bedingungen, die höchste Schöpfung auf Erden zu schaffen.
Alles trennt den Baum und den Menschen, als hätte die Evolution zwei gegensätzliche Ansätze verfolgt, die zu ganz und gar komplementären Lebensformen führten. Eine fundamentale Bruchlinie ist die Zeit. Während Bäume und Wälder für die Ewigkeit programmiert sind, ist der Mensch für den Augenblick gemacht. Was auch geschieht, Wälder können wiederauferstehen: Sie brennen, sie werden abgeholzt, sie keimen von Neuem und wachsen nach. Ein zerstörter Urwald braucht drei bis acht Jahrhunderte, um sich wieder in seinen Anfangszustand zurückzuverwandeln. Der Mensch dagegen verfügt nur über den Bruchteil eines Jahrhunderts, um diesem zeitlupenhaften Ballett beizuwohnen. Ewigkeit versus Flüchtigkeit - damit ist die Zeit der Ausgangspunkt einer radikalen Andersartigkeit. Der mobil konzipierte Mensch macht die Kürze seines Lebens durch Fortbewegung wett. Unermüdlich nutzt er seine Intelligenz für eine ihm eigene Form der Unersättlichkeit, für sein Bedürfnis nach Dominanz, mit der er seinesgleichen und die Natur unterwirft. Der Baum ist unbeweglich, robust und stumm. Er nimmt den Raum in der Vertikale ein, von der Tiefe der Erde, in die er seine Wurzeln versenkt, bis in die Höhe, wo er den Himmel zu berühren scheint, sich hundert Meter emporreckt, um immer neue Blätter der Sonne und dem Wind darzubieten. In seinem Leben findet die Bewegung im Inneren statt, wo er den Saft von seinen Wurzeln bis in die Spitze seiner Zweige transportiert. Er spricht zwar nicht, doch seine Kommunikationsmittel und Methoden zur Unterstützung seiner Nachbarn mittels Wurzeln und Blättern sind noch längst nicht umfassend erforscht. Er beherbergt und nährt alle möglichen Formen des Lebens: Vögel, Nagetiere, Insekten und Pilze. Diese verbreiten seine Samen, die anderswo keimen und ihm so ebenfalls Mobilität ermöglichen. Die fundamentalen Unterschiede zwischen den zwei Lebensformen ziehen unweigerlich eine Konfrontation nach sich, für die ein Mensch zum Symbol wurde: der Holzfäller.
Ich liebe Bäume, ich liebe es, sie zu betrachten, zu pflanzen und ihnen beim Wachsen zuzusehen. Ich liebe die heiligen Bäume, die alten Bergbuchen, alterslose Eichen, Baumdenkmäler in den Tropen, die die Einheimischen niemals fällen würden. Ich habe aber auch gelernt, wie man Bäume fällt: um ihren Nachbarn ein besseres Wachstum zu ermöglichen, weil man ihr Holz möchte, weil es uns normal erscheint, Bäume zu nutzen. All die Fragen rund um den Menschen im Wald, lebende und tote Bäume, den Waldbaum und den Holzbaum begleiten mich bereits ein Leben lang. Kann man gleichzeitig Wälder und Holzfäller lieben? Kann man sich darauf beschränken, nur die richtigen Bäume am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt zu schlagen, ohne sich am System der Entwaldung und Zerstörung zu beteiligen? Die Geschichte der Waldnutzung und die Spuren, die die Holzfäller hinterlassen haben, machen Antworten schwierig und strittig. Dennoch sind auch die Figuren des Holzfällers, des Köhlers oder des Harzsammlers Teil der engen Verbindung, die ich zu Wald, Bäumen und Holz verspüre. Ich habe Respekt vor den Werkzeugen, den Äxten, den Hand- und Motorsägen und dem Holz, das sie formen. Ich liebe die Geschichte der Holzfäller.
Die Menschen sind zwar seit der Ur- und Frühgeschichte zu der beachtlichen Leistung fähig, mit ihren Steinäxten Bäume zu fällen, aber sie scheinen nur dann darauf zurückgegriffen zu haben, wenn es wirklich notwendig war. Drei Jahrtausende vor unserer Zeit hat die Erfindung der Metallurgie dann alles verändert, die Produktion erster Äxte aus Kupfer, dann aus Bronze, war eine Revolution von enormer Tragweite. Sie erlaubte eine bisher unmögliche Verwandlung: Der Baum, den man nun endlich fällen konnte, wechselte seinen Charakter und wurde zur Quelle für Holz: das Material, das zusammen mit Stein die Sesshaftigkeit ermöglichte. Dies kündigte zugleich den Bruch mit der heilen und heiligen Natur an, die Wälder begannen allmählich zu schwinden, Jäger und Sammler wurden zu Menschen, die Bäume fällen.
Im Lauf der Eroberung der unberührten Natur werden die Holzfäller und Köhler sich lange Zeit gegen den unbekannten, gefährlichen, feindseligen, finsteren Wald wehren müssen, der von wilden Tieren bevölkert ist. Im Lauf der Jahrhunderte werden die Menschen des Waldes mit ihren geschwärzten Gesichtern und übermenschlichen Kräften zu ebenso faszinierenden wie erschreckenden Bindegliedern zwischen Wildnis und Siedlung. Eine große Geschichte, auf deren Spuren ich in den unterschiedlichsten Wäldern, in alten und neuen, von Libanon bis Paraguay, gestoßen bin.
Ich habe gelernt, den Duft der Wälder wahrzunehmen und zu lieben. Er ist allgegenwärtig, von den Gebirgen bis in die Tropen verströmt er seine Subtilität und Kraft. Er lädt dazu ein, sich den vielfältigen, wechselnden, starken oder schwachen, warmen oder kalten Nuancen hinzugeben, den Lüften, die kommen und gehen. Die Gerüche beim Durchstreifen eines Waldes, der Humus und das Moos des Waldbodens, Wind, der Eukalyptusblätter oder Piniennadeln mit sich trägt, die Harzgallen in den Stämmen, das Totholz. Der Geruch im Herz des Baums, der Saft, der Balsam, der Gummi. Versteckte Düfte, die sich erst im geschlagenen und gespaltenen Holz offenbaren, frisch oder trocken, harzig oder grün. Der Geruch von Sägemehl, von brennendem oder trocknendem Holz, von Kohle oder Rauch. Für Parfümeure sind die Düfte der rote Faden im Wald, eine Quelle der Inspiration. Sie entstehen nach Fällungen oder Waldbränden bei jedem nachwachsenden Baum wieder neu. Die Wälder sind Horte der Stille und des Lebens. Über ihre Rolle als CO2-Speicher und Sauerstofflieferanten hinaus gewinnt man ständig neue Erkenntnisse über den unglaublichen Reichtum und die Komplexität des Lebens, das sie von der Wurzel bis zur Krone beherbergen. Sie sind sozusagen eine letzte Zuflucht vor dem Lärm und dem Wüten der Menschen.
Der Anfang des Untergangs der Bäume liegt weit zurück in der Antike, im Libanongebirge, im Gilgamesch-Epos. Mit Gilgameschs Sieg über Humbaba, das den Zedernwald bewachende Ungeheuer, beginnt die Zivilisation die Wildnis zu erobern. Eine Begegnung mit den Zedern, die in diesem ersten von Menschen geplünderten Wald überlebt haben, ist wie eine...
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