Schweitzer Fachinformationen
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Das Sicherheitspersonal streikt, ich bin fünf Stunden vor Abflug am Flughafen. Stehe um Mitternacht auf und fahre um halb eins nach Gardermoen. Es regnet und die Scheinwerfer am Auto meiner Mutter sind trüb, ihr Licht wird von dem dunklen Asphalt fast vollständig verschluckt und ich sehe fast nichts, wenn ich für die mir entgegenkommenden Autos das Fernlicht herunterschalte.
Meine Mutter und ich steigen aus, bleiben einen Moment im Regen stehen. Die glitzernden Tropfen legen sich auf Augenbrauen und Wimpern.
Mach's gut, Mama, sage ich.
Sie drückt mich an sich.
Mach du es auch gut, meine Kleine.
Im Flughafen wimmelt es schon von Menschen, aber die Sicherheitskontrolle geht schnell, anders als ich befürchtet hatte, denn ich hatte Angst, ich würde nicht durchkommen oder mein Flug könnte gestrichen worden sein, hatte eine Sterbensangst, dass ich nicht zurückfliegen könnte. Im Transitbereich warten viele auf ihren Flug, ich muss lange um Kaffee und ein Baguette anstehen. Ich trinke Kaffee und lese in »Game of Thrones«, während ich darauf warte, dass wir an Bord können. Im Flugzeug sitze ich neben Ölarbeitern aus Neufundland und Nova Scotia. In London laden sie mich in die Lounge von Servisair ein. Alles ist gratis. Ich trinke frisch gepressten Apfelsinensaft und Kräutertee und esse Salat. Das tut gut nach dem Flug. Sie erzählen mir vom Leben in Nova Scotia und Neufundland und vom Leben auf der Bohrinsel. Der Jüngste, eine Art Seismologe, sagt, dass den Walen die Knallerei von den guns egal ist, dass es auf den Bohrinseln Leute gibt, die Wale und andere Tiere zählen, das ist ihre Aufgabe. Aber meistens handeln seine Geschichten vom Koch auf der Bohrinsel, der das abscheulichste Essen kocht, das man sich nur vorstellen kann, fast jede Mahlzeit schmeckt nach billigen Spaghetti Bolognese, mit einer dicken Fettschicht oben. Sie sind sehr freundlich, geben mir viele gute Ratschläge und Tipps für die Reise, und wenn du je an die Ostküste kommst, musst du vorbeischauen!
Das Flugzeug von London nach Vancouver ist fast leer. Ich habe vier Sitze für mich, kann mich ausstrecken und in eine Decke wickeln, und ich genieße. Ich genieße es einfach, unterwegs zu sein.
Es war ein langes Jahr, ein langer Winter. Im Mai des vorigen Jahres war ich von der Insel nach Hause gekommen, und jetzt ist Juni. Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, als ich die Insel verlassen hatte. Ich brauchte mehrere Monate, um die Schulden zurückzuzahlen, die ich mit meiner Mastercard unterwegs gemacht hatte, das meiste hatte ich für Essen ausgegeben.
Noch ein Sommer zu Hause in Norwegen, während ich jeden Tag Heimweh nach Kanada hatte.
Ich wurde endlich fertig mit »Schwarze Sonne«, dem Nachfolger von »Der Nekronaut«, das war im Herbst. Ich wollte die Rückreise von meinem Honorar finanzieren, von dem Mindesthonorar von 80 000 Kronen würde ich bestimmt ein Jahr leben können. Ich fand es schrecklich anstrengend, fertig zu werden, aber endlich konnte ich mein Manuskript losschicken und war ungeheuer erleichtert.
Eine Woche darauf kam eine E-Mail von meiner Lektorin.
Liebe Lajla, schrieb sie. Es kann gar keinen Zweifel daran geben, dass du das Genre beherrschst. Doch trotz aller guten Dinge, die ich über dein Manuskript sagen kann, bin ich mir sehr unsicher. Dann ging sie Stärken und Schwächen des Manuskriptes ausführlich durch, so gründlich und gewissenhaft wie immer, und sie fügte allerlei Betrachtungen über den Markt für Steampunk-Romane in Norwegen hinzu, einen bisher überaus begrenzten Markt.
Die E-Mail ging so weiter: Den Nekronauten konnten wir nicht zu einem Verkaufserfolg machen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei Buch Nr. 2 sehr viel anders gehen würde. Das eine sind nun die verlagsmäßigen Überlegungen, die natürlich sehr wichtig sind und die zu meiner Verantwortung als Lektorin gehören. Das andere ist die Frage, was dir als Autorin nützen kann, und was sich in Bezug auf dein schriftstellerisches Werk empfiehlt. Eins möchte ich hier ganz deutlich sagen: Ich glaube wirklich an dich als Autorin, Lajla. Und ich glaube, dass du auch in einem anderen Genre überaus spannend schreiben könntest, in einem anderen Sprachstil. Schick mir bitte eine Mail, wenn du dir die Sache ein bisschen überlegt hast, ich wüsste gern, wie du das alles siehst.
Liebe Grüße,
T.
Es war natürlich schrecklich enttäuschend. Zugleich wurde ich nachdenklich. Schrieb dann irgendwann zurück, bedankte mich für die gründlichen Erörterungen und sagte, ich könne ihre Einwände verstehen, auch wenn ich enttäuscht sei. Ich könnte mir durchaus vorstellen, über meine Reisen zu berichten, schrieb ich. Darüber, was ich als Hausmeisterin auf einer kanadischen Insel erlebt habe. Über das Leben näher an der Natur und über meine Begegnung mit Menschen, die einfacher leben, als es hier bei uns üblich ist. Ich würde gern mehr durch Kanada und auch durch die USA reisen, wollte das von meinem Honorar finanzieren, aber das ist ja jetzt nicht so einfach.
Eine blitzschnelle Antwortmail: Ich werde hier mit den Chefs sprechen und fragen, ob wir dir einen Vorschuss anbieten können, schrieb T.
Tausend Dank, antwortete ich gerührt.
Ich saß also zu Hause bei meinem Vater im Wohnzimmer, mein Konto war leer, ich überlegte: Was mach ich jetzt? Ich reichte bei der Gemeindeverwaltung meine Bewerbung ein, kurz vor Weihnachten fing ich an, im Kindergarten zu arbeiten, im Frühling war ich Vertretungslehrerin an der Grundschule. Es kostete mich viel, zu glauben, dass ich das schaffen könnte. Vor der Klasse zu stehen, alle Augen auf mich gerichtet. In der ersten Woche war ich so nervös, dass mir regelmäßig schlecht wurde. Aber dann ging es überraschend gut, und als ich dann aufhörte, fehlten mir die Kinder und die Kollegen.
Fast jeden Tag fuhr ich mit meinem Vater Auto. Er war geduldig, obwohl ich eine ängstliche und nicht sonderlich geschickte Fahrschülerin war. Eines Tages überfuhr ich ein Eichhörnchen, das zappelnd am Straßenrand liegenblieb. Das machte mir furchtbar zu schaffen, und ich hatte eigentlich das Gefühl, dass ich mich nie wieder hinters Steuer setzen könnte, aber ich wusste, dass es sein musste, um mir die Freiheit zu verschaffen, die ich mir wünschte. Beim zweiten Versuch schaffte ich die Fahrprüfung. Mir wurde der Führerschein in die Hand gedrückt, und da stand ich dann und sah ihn an und hatte das Gefühl, es geschafft zu haben, nun hatte ich den Lappen und Geld auf der Bank, sogar einen kleinen Vorschuss vom Verlag, um etwas Neues schreiben zu können. Ich konnte zurück.
In Vancouver wird alles grün und üppig sein, auch wenn ich schon wieder die schönste Zeit verpasst habe, in der an den Straßen die Kirschbäume blühen. Diese Zeit ist seit einigen Wochen vorbei. Es hat mir leidgetan, sie wieder zu versäumen, aber ich konnte nichts daran ändern, ich musste hier ja erst mit allem fertigwerden. Wenn ich jetzt und nach einer Wartezeit von einem ganzen Jahr auf dem Weg zurück bin, habe ich das Gefühl, dass nichts schiefgehen kann: Ich bin so glücklich, dass ich denke, alle im Flugzeug müssten es sehen können, ich leuchte im Dunkeln, wie ich so total entspannt und mit geschlossenen Augen daliege, während ein Säugling wütend schreit und der Mann hinter mir laut und stoßweise schnarcht.
Saskya wartet in der Wohnung im Westend von Vancouver auf mich, wo sie jetzt zusammen mit ihrer Schwester wohnt. Es tut gut, sie zu berühren, und ist rührend. Wir umarmen einander; seit wir uns zuletzt gesehen haben, ist über ein Jahr vergangen. Sie trägt jetzt nur noch Weiß. Als sie auf der Insel gelebt hat, war sie immer schwarz gekleidet gewesen. Der Turban, den sie sich um den Kopf gewickelt hat, ist weiß, der Schal, sogar ihre Tasche, alles. Sie hat mit einer besonderen Art von Yoga angefangen, bei der es eher um geistiges Wachstum und Meditation geht als um körperliches Training. Viele von denen, die das ernsthaft betreiben, binden sich die Haare auf diese Weise hoch. Sie sagen, das erleichtere die Konzentration, die geistige Klarheit, und es helfe ebenfalls, Kleider in hellen Farben zu tragen, am besten Weiß. Schon in der ersten Nacht gehe ich mit zum Sadhana, einer Art Morgenyoga, das um vier beginnt.
Wir sind zum Frühstück wieder zu Hause, essen Pudding aus fein gemahlenen Kakaobohnen, frische Kokosnuss und Mango, eine Creme aus Mandeln und Mango, trinken kalten Kokosnusssaft mit einigen Tropfen Rosenwasser. Mittags gibt es Avocadomus mit Saskyas selbstgemachtem Senf und einem besonderen indischen Salz, das nach Schwefel riecht. Das klingt nicht gerade lecker, ist es aber. Wir trinken jeden Tag grünen Saft. Pressen ihn selbst, aus Spinat, Grünkohl, Petersilie, Ingwer, Sellerie, mit Zitrone und einer Prise Cayennepfeffer. Saskya isst kein Fleisch und auch nichts Gekochtes. Sie schließt sich stundenlang in ihrem Zimmer ein und meditiert auf einem weichen Schaffell. Wir sitzen zusammen auf ihrer winzigen Veranda, sehen die Laubbäume, die sich im Wind bewegen, sehen den Regen von den Blättern tropfen, während wir uns gegenseitig alles erzählen, was im vergangenen Jahr geschehen ist.
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Hab mir eine Mandoline gekauft und fange an, aus einem Heft einige Akkorde zu lernen. Ich sitze im Wohnzimmer von Saskya und ihrer Schwester, wenn sie für den Tag weggegangen sind und der Regen draußen herunterprasselt. Wenn ich die beiden im Treppenhaus höre, packe ich die Mandoline sofort weg. Bringe es nicht über mich, vor anderen zu singen oder zu spielen.
Am Dienstag treffe ich mich mit Jay. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen - wir waren...
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