Schweitzer Fachinformationen
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I.
Im Teegarten überzieht ein immergrüner Teppich aus hüfthohen, ordentlich aufgereihten Büschen die Berghänge oder sanft gewellten Hügel. Er ist ein Kulturprodukt, das Ergebnis ständiger Bearbeitung durch Menschenhand über lange Zeiträume hinweg. Kinderarmdicke Wurzeln krallen sich an den Schnittkanten der Wirtschaftswege fest. Sie verraten, dass sie eigentlich viel höhere Gewächse im Boden verankern sollten. Werden überalterte Teebüsche gerodet, sieht man die gewaltigen, bis zu 5 Meter langen Pfahlwurzeln, die mühsam aus dem Boden gegraben werden müssen.
Botanisch gehört die Teepflanze zur Gattung der Kamelien in der Familie der Teestrauchgewächse (theaceae). Ihr wissenschaftlicher Name camellia sinensis verrät das ebenso wie ihre geschichtliche Hauptverbreitung in China. Sie ist eng verwandt mit der bekannteren Kamelie (camellia japonica), die Gärtner in aller Welt zu immer neuen Blütenträumen züchten. Die zartweißen oder rosa angehauchten Blüten des Teestrauchs sind demgegenüber klein und unspektakulär. Die Tee-Urpflanze ist wohl beheimatet in den Bergregionen zwischen Indien, China, Thailand, Vietnam und Myanmar. Es ist anzunehmen, dass bei den dort lebenden Völkern die Wirkung der koffeinhaltigen Blätter bekannt war. Die systematische Kultivierung des Teestrauchs als Wirtschaftspflanze geht aber zweifelsfrei zurück auf die Tradition im kaiserlichen China. Eine oft erzählte Legende legt die Entdeckung in das Jahr 2737 v. Chr., als der Kaiser und Gelehrte Shen Nung (den die Historie nicht kennt) zufällig die belebende Wirkung eines Teeblattes bemerkt haben soll, das in seine Tasse mit heißem Wasser geweht war.
Darstellung der Teepflanze in den Amoenitates Exoticae von Engelbert Kaempfer, 1712
Man unterscheidet zwei Varianten der Teepflanze nach ihrem historischen Hauptverbreitungsgebiet: den China-Strauch (camellia sinensis var. sinensis) und den Assam-Strauch (camellia sinensis var. assamica).
Der China-Teestrauch ist kleiner und feingliedriger, erreicht aber in freier Natur stattliche Höhen von 4-6 Metern. Seine Blätter sind zarter, aromatischer und weniger tanninhaltig als die der Assam-Variante. Er wächst langsam, verträgt niedrige Temperaturen, gelegentlich auch eine milde Frostnacht, und ist deshalb für den Anbau in Höhenlagen zwischen 1500 und 3000 Metern besonders geeignet.
Die Assam-Teepflanze ist im Ursprung ein tropischer Regenwaldbaum, der bis zu 15 Meter hoch werden kann. Sie wächst ohne größere saisonale Schwankungen das ganze Jahr über, am besten bei Temperaturen um 30 °C und hoher Luftfeuchtigkeit. Ihre Blätter sind breiter, länger, ertragreicher und von kräftigerem Aroma als die des China-Strauchs.
Diese idealtypische Unterscheidung der beiden Varianten ist für die heutige Kulturpraxis der Wirtschaftspflanze Tee meist akademisch: Die Nutzpflanzen werden überwiegend als Hybride aus beiden Varianten gezüchtet nach den geografischen, klimatischen und marktpolitischen Bedingungen der jeweiligen Anbauregion. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und langjähriges Erfahrungswissen der Verantwortlichen gehen in der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der «Tee-Universitäten» dabei Hand in Hand: Schnellwüchsige, ertragreiche und wetter- und schädlingsresistente Hybridpflanzen werden gezüchtet, die auch noch möglichst aromatisch und fein im Geschmack sein sollen. Als Faustregel kann gelten, dass für höhere Erträge und kräftigeres Aroma bei Schwarztees ein höherer Anteil an Assampflanzen-Erbgut angestrebt wird. Für Grüntees wird wegen des feineren Aromas die China-Pflanze bevorzugt.
Züchtung und entsprechende Veränderung des Erbgutes bei Hybriden sind nur möglich durch Bestäubung und Samen-Anpflanzung - ein zeit- und arbeitsintensives Verfahren, das in der Regel nur noch in den Entwicklungsabteilungen unter Laborbedingungen zum Einsatz kommt. Die massenhafte Vermehrung der dort gezogenen Mutterpflanzen erfolgt vegetativ durch Stecklinge (clones), die in Teebaumschulen (nurseries) 8-10 Monate lang herangezogen und dann zur Auspflanzung an die Plantagen abgegeben werden. Die so kultivierten Pflanzen sind optimal an die Wachstumsbedingungen im Mikroklima der jeweiligen Plantage angepasst. Da Fremdbestäubung bei der Nachzucht ausgeschlossen wird, zeigen sie identisches Erbgut. Dies erhöht natürlich ihre Anfälligkeit gegenüber Krankheiten, Schädlingsbefall und klimatischen Veränderungen. Durch Bestäubung gezüchtete Pflanzen erweisen sich meist als resistenter gegenüber Umweltbelastungen und werden von manchen biologisch-dynamisch arbeitenden Gärten bevorzugt. Ihr Einsatz auf größeren Plantagen ist jedoch unwirtschaftlich wegen des erheblich höheren Zeit- und Personalaufwands.
Je nach Gelände im Abstand von bis zu einem Meter, unterbrochen von einigen Schattenbäumen, werden die Teepflänzchen gesetzt, pro Hektar zwischen 12.000 und 18.000. Nach etwa drei Jahren werden sie erstmals kräftig auf 40-60 Zentimeter Höhe zurückgeschnitten, später alle 4-5 Jahre. Dieser regelmäßige Beschnitt auf «Pflücktischhöhe» (pruning) verhindert nicht nur Verholzen und natürliches Höhenwachstum, damit die Pflückerinnen bzw. Pflückmaschinen sie leichter erreichen können. Er regt auch die Bildung ständig neuer, zartgrüner Triebe an - die eigentlichen Objekte der Begierde bei der Ernte.
Teepflanzen in freier Natur können mehrere hundert Jahre alt werden. Sie sind dann allerdings verholzt und produzieren kaum noch frische Blätter. Nutzung in der kommerziellen Teeproduktion setzt mit der ersten Pflückung nach 2-3 Jahren ein, wobei die Erträge sich noch um bescheidene 130 Kilogramm pro Hektar bewegen. Ab dem vierten Jahr steigen sie dann - je nach Lage - auf 1000-2000 Kilogramm. Nach 4-5 Jahrzehnten lässt die Ergiebigkeit oft so erheblich nach, dass die Pflanzen ersetzt werden müssen. Überalterte Bestände sind ein Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsproblem in vielen traditionellen Teeregionen.
Um die Pflanzen gesund und Erträge wirtschaftlich zu halten, sind - wie in jeder Monokultur - regelmäßiges Pflücken und Düngen, Unkrautkontrolle sowie Schutz vor Schädlingen und Krankheiten wie Pilzbefall notwendig. Wie weit dabei noch chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen, liegt im Ermessen der Eigner und Manager der Teegärten. Besonders seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte auch in den Tee-Erzeugerländern der Einsatz agrochemischer Mittel drastisch zugenommen. Die Erträge waren demgegenüber nur mäßig angewachsen. Heute sehen wir die Negativfolgen eines ungebremsten Einsatzes von chemischen Mitteln kritischer: Böden, Grundwasser, Atmosphäre und Pflanzen sind dauerhaft belastet, über die Nahrungskette werden Rückstände weitergegeben, und auch die Gesundheit der Arbeitskräfte in den Teegärten wird gefährdet.
Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat sich in der Einstellung zur landwirtschaftlichen Produktion viel verändert, vor allem in Mitteleuropa, und immer mehr Händler und Produzenten im Teemarkt reagieren auf diese Veränderungen der Nachfrage in Richtung Bio-Produkte.
In Aussehen und Geschmack unterscheidet sich Bio-Tee nicht von konventionell angebautem Tee. Erst im Labor werden Rückstände von chemischen Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger nachweisbar. Ein Bio-Label ist leicht aufgedruckt, wenn Kontrollen fehlen oder mit Barzahlungen an Kontrolleure erleichtert werden. Betrug und Panschereien sind daher an der Tagesordnung - einer der Hauptgründe dafür, dass man Tee bei einem Händler des Vertrauens kaufen sollte. Er wird schon im Eigeninteresse dafür sorgen, dass die Herkunft rückverfolgbar ist und die einwandfreie Qualität des Tees durch laufende Laborkontrollen nachgewiesen wird. Zum Glück sind in Deutschland die Standards streng und nachgewiesene Betrügereien strafbar. Das erklärt, warum das Kaum-Teetrinkerland fast die Hälfte seines importierten Tees wieder exportiert - zum Teil sogar in die Ursprungsländer in Asien und Afrika.
Im Teegarten allerdings kann man sehen und hören, ob die Pflanzen biologisch bewirtschaftet sind. Ravinda Daz, nepalesischer Manager des Traditionsgartens Ging in Darjeeling, zeigt bei unserem Besuch stolz auf die Schwalbennester, die unter dem Dach seines Bungalows kleben. Die Vögel fliegen ohne jede Scheu ein und aus,...
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