Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Nach dem tragischen Tod ihrer großen Liebe hat Laura nicht zuletzt wegen ihrer kleinen Tochter Toni zu einer Art Alltag zurückgefunden. Doch das Dasein als alleinerziehende Mutter nagt an ihr - vor allem seit sie von Schwindelanfällen geplagt wird. Wer kümmert sich um Toni, wenn sie wirklich krank ist? Bei einem Ausflug an den Schliersee tritt der Ernstfall ein: Laura wird ohnmächtig, und nur einem aufmerksamen Mann ist es zu verdanken, dass sie gefunden und in eine Klinik gebracht wird. Was sie nicht ahnt: Florian hat nicht nur ihr Leben gerettet, er wird es auch gehörig durcheinanderbringen .
»Mami?«
»Ja, Mäuschen?« Laura war völlig verzaubert vom Eifer ihrer kleinen Tochter. Sie war, wie so oft, hin und her gerissen, dem Mädchen jeden Wunsch von den Augen abzulesen und doch dafür zu sorgen, dass es nicht über die Stränge schlug. Das war ein immerwährender Kampf, den Laura deswegen mit sich ausfocht, aber immerhin einer, der sich über die Maßen lohnte.
»Können wir Kuchen backen?« Toni strahlte schon jetzt vor Vorfreude. Ihre Mutter war eine leidenschaftliche Bäckerin und verköstigte jeden Wanderer und Mountainbiker, der zufällig oder auch weniger zufällig an ihrer pittoresken kleinen Alm in den bayerischen Voralpen des Weges kam, mit einer Kostprobe ihrer Kreationen. Was im Laufe der Zeit dazu geführt hatte, dass der Backofen fast täglich in Betrieb war und Toni sich zu einer eifrigen kleinen Helferin entwickelt hatte, auch wenn ihre Hauptaufgabe darin zu bestehen schien, den Kuchenteig wieder und wieder zu probieren, um herauszufinden, ob er auch wirklich gut genug gelungen war.
»Klar backen wir einen Kuchen, wenn du das möchtest. Welchen wünschst du dir denn heute?«
»Himbeerkuchen!«
Laura lächelte. »Ich weiß nicht, ob es noch frische Himbeeren gibt«, sagte sie. »Aber wir können schnell in den Ort fahren und nachsehen, was hältst du davon?«
»Ja!« Toni strahlte übers ganze Gesicht.
Drei Stunden später herrschte in der Küche ein einziges Durcheinander. Eifrige Kinderhände hatten im ganzen Raum Mehl verstreut, und die Arbeitsplatte war mit kleinen Teigklumpen überzogen, die es sogar bis an die Wände geschafft hatten. Doch jetzt war der Kuchen im Ofen, und Laura lächelte glücklich, während sie Toni ansah, die, auf einem hohen Hocker sitzend, das Backrohr mit Argusaugen beobachtete.
Als Laura sich bückte, um die Tür unter der Spüle zu öffnen, konnte sie sich gerade noch an der Arbeitsplatte festhalten, so heftig war der Schwindel, der sie plötzlich überkam. Sie schloss die Augen und versuchte, ruhig zu atmen. Nach zehn Minuten war der Anfall vorüber. In letzter Zeit passierte ihr das ziemlich oft, doch bislang hatte sie es als Nachwehen einer fiesen Sommergrippe abgetan, die sie während der brütenden Augusthitze vierzehn Tage lang komplett ausgeknockt hatte. Wobei das auch schon wieder Wochen her war. Falls es nicht bald besser wurde, würde sie nicht umhinkommen, einen Arzt aufzusuchen. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie eine fürchterliche Angst, dass der Auslöser für diese Schwindelanfälle etwas Ernsthaftes sein könnte.
Allein beim Gedanken, was aus ihrem Töchterchen würde, falls sie eine schlimme Krankheit hatte, wurde ihr schlecht. Doch ihr Verstand sagte ihr auch, dass es reichlich dämlich war, den Arztbesuch auf die lange Bank zu schieben. Gerade bei einer schwerwiegenden Erkrankung war es doch besser, diese frühestmöglich zu behandeln. »Du hast ja recht«, antwortete Laura der Stimme in ihrem Kopf. Und vielleicht war ja auch alles in Ordnung, und sie machte sich umsonst Sorgen. Laura griff nach ihrem Telefon, wählte die Nummer ihres Hausarztes und vereinbarte einen Termin für den nächsten Tag.
Während sie anschließend weiter die Küche putzte, beschloss sie, nachher noch eine Runde im Schliersee zu schwimmen. Vorher würde sie Toni zu ihrer liebsten Freundin bringen, bei der sie heute übernachten durfte und mit der sie morgen früh zusammen zum Kindergarten laufen würde. Sie packte ein paar Badesachen in ihre Sporttasche, steckte ein Handtuch und Flipflops dazu, dann begab sie sich auf die Suche nach ihrer Tochter, die sie wie erwartet bei ihren kleinen Lieblingen im Ziegengehege fand.
Die heftigen Regenfälle der letzten Woche hatten die Wanderwege und Trails der Umgebung in Schlammpisten verwandelt, und obwohl Laura das früher nie für möglich gehalten hätte, fehlte es ihr, sich in der freien Natur zu verausgaben. Seit Franzi ihr das Mountainbiken beigebracht und sie ausgelacht hatte, als sie im Hochsommer zum Schwimmen im Schliersee einen Neoprenanzug brauchte, hatte sich vieles geändert. Die letzten sechs Jahre hatten sie abgehärtet, und aus der verweichlichten Großstadtpflanze war ein robustes Landmädel geworden.
Als Florian die Treppen des Sprungturms vor sich sah, schluckte er den Kloß in seinem Hals hinunter. Er war felsenfest entschlossen, über kurz oder lang die diffuse Furcht zu überwinden, die ihn immer wieder wie aus dem Nichts heraus erfasste, seit seine kleine Schwester bei einem Tauchgang in Ägypten verunglückt war. Deshalb kam er mehrmals in der Woche hierher. Früher hatte er das Wasser nicht nur geliebt; er war eine leidenschaftliche Wasserratte gewesen und hatte es in vollen Zügen genossen, von dem kleinen Turm in den See zu springen. Manchmal war er sogar bis nach München ins Olympiabad gefahren und stand dann mit zitternden Knien auf dem Zehnmeterbrett. Irre hoch war das gewesen, und der Kick war unglaublich, wenn man sich erst einmal überwunden hatte, den entscheidenden Schritt zu tun. Das Adrenalin schoss wie ein Turbo durch seine Blutbahn, und alle Zellen seines Körpers schrien förmlich nach mehr.
Doch dann passierte Charlies Unfall. In der ersten Zeit peinigten ihn jede Nacht Albträume, aus denen er schweißgebadet erwachte. Die Panik, die seine Schwester unter Wasser mit Sicherheit erfasst hatte, musste entsetzlich gewesen sein, und seine Fantasie, die im Schlaf noch lebhafter war als sonst, ließ ihn ihre Todesangst am eigenen Leib spüren. Als die bedrückenden Träume nach vielen Monaten endlich nachließen, musste er feststellen, dass das Ungeheuer sich von seinem Unterbewusstsein in die Realität geschlichen hatte. Seither war ihm selbst das Seeufer unheimlich, und eine veritable Höhenangst hatte sich ebenfalls dazugesellt.
Sein Hausarzt hatte ihm dazu geraten, einen Therapeuten aufzusuchen, nachdem sie das Thema ausführlich miteinander besprochen hatten. Und während der Sitzungen bei dem Spezialisten, den ihm sein Arzt empfohlen hatte, wurde Florian dann auch klar, dass er unter höllischen Schuldgefühlen litt. Er glaubte, seine Schwester im Stich gelassen zu haben, auch wenn er wusste, dass es Unsinn war, sich für etwas die Schuld zu geben, woran er in keiner Weise beteiligt gewesen war. Doch das entsetzliche Gefühl war geblieben.
»Versuchen Sie, sich Ihrer Furcht zu stellen, so lange, bis sie sich abnutzt. So ein Prozess wird wahrscheinlich einige Zeit dauern, aber keine Sorge, eines Tages wird die Angst Stück für Stück kleiner werden«, hatte der Therapeut ihn ermutigt.
Seither kam Florian immer dann ins Schlierseer Strandbad, wenn noch keine Horden von Jugendlichen den Dreimeterturm belagerten. Unter der Woche war es bis zum frühen Nachmittag fast menschenleer, und die wenigen Besucher waren entweder Senioren oder junge Mütter mit Kleinkindern. Touristen verirrten sich hauptsächlich in der Ferienzeit hierher, aber die war glücklicherweise seit ein paar Wochen vorbei.
Von der Ferne betrachtet, wirkte der Sprungturm lächerlich klein. Doch je näher Florian dem Wasser kam, desto größer wurde die Bedrohung, die es auf ihn ausstrahlte.
Dennoch ließ er sich nicht entmutigen; immerhin kam er in kleinen Etappen voran. Gerade heute wäre es ihm eine besondere Genugtuung, endlich den entscheidenden Schritt machen zu können. Eine Zeit lang hatte er eine Frau beobachtet, die ihm auf dem Weg vor den Umkleidekabinen entgegengekommen war. Nicht nur, dass er sie bildhübsch fand, es war auch etwas in ihrem Blick, das ihn besonders ansprach. Erst hätte er nicht sagen können, was es war, doch dann wurde ihm bewusst, dass es der Hauch von Wehmut in ihren Augen war, der sein Innerstes berührte. Eine Traurigkeit, wie er sie selbst nur zu gut kannte. Er atmete tief durch. Ja, heute würde er es schaffen. Er würde den Turm erklimmen, den Kloß in seinem Hals hinunterschlucken, und dann würde er springen. Und zur Belohnung würde er sie fragen, ob er sie auf einen Kaffee einladen durfte.
Einer spontanen Eingebung folgend, hatte Laura ihr Vorhaben, bei den Bootshäusern im Süden in den See zu springen, zugunsten eines Besuchs im Schlierseer Strandbad geändert. Auch wenn es an schönen Sommertagen oft brechend voll war, hatte das Strandbad wirklich alles, was das Herz begehrte. Außerdem war es eine Institution, die fast schon Kultcharakter besaß. Es gab einen beaufsichtigten Nichtschwimmerbereich, mehrere im See verankerte Badeinseln, ein Beachvolleyballfeld, einen Biergarten, eine Loungeinsel, die in den See hineingebaut worden war, und einen riesigen, runden Holzpavillon mit Glasdach, in dem man herrlich sitzen und auf den See und die dahinterliegenden Berge hinausschauen konnte. Um den Strandbadcharakter beizubehalten, musste man sich seine Getränke und das Essen zwar selbst holen, dafür saß man aber an hübsch gedeckten Tischen vor einem traumhaften Panorama. Im letzten Winter war der Pavillon mit bis zum Dach ragenden Glastüren versehen worden, die an warmen Tagen zur Seite geschoben wurden und bei schlechtem Wetter einfach geschlossen werden konnten. Nun konnte man bis in die Abendstunden dort sitzen, ohne dass einem kalt wurde. Dazu war das angebotene Essen nicht nur vielfältig und köstlich, es war auch für jeden Geldbeutel etwas dabei. Wegen Toni hatte Laura zwar nicht allzu oft die Möglichkeit, am Abend herzukommen, aber die lauen Sommernächte, in denen sie hier mit einem Glas Wein in der Hand den Sonnenuntergang am gegenüberliegenden Ufer beobachten konnte, während um sie herum die Glühwürmchen flogen und die Grillen zirpten, waren einfach Balsam für die Seele.
Laura beschloss, erst eine Runde zu schwimmen und es sich dann mit einem Kaffee und einem...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.