Schweitzer Fachinformationen
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Innerhalb der großen Verfahren in der Psychotherapie wird die Schematherapie in Deutschland der Verhaltenstherapie zugerechnet. Sie kann dort auch als Teil eines verhaltenstherapeutischen Gesamtbehandlungsplan mit den gesetzlichen und privaten Krankenkassen abgerechnet werden (Köhler & Grünwald 2011). Die Einbettung der Schematherapie in die Kognitive Verhaltenstherapie findet ihren Ausdruck auch darin, dass sie als Methode der Verhaltenstherapie in die aktuellen Auflagen praktisch aller wichtigen Lehrbücher und Manuale Einzug gehalten hat und zunehmend wertschätzend rezipiert wird (z. B. Fiedler 2010, S. 341 ff.). International wird Schematherapie eher als eine eigene Methode wahrgenommen. Sie bildet unseres Erachtens konzeptuell und thematisch eine Brücke zwischen den großen »Therapieschulen«. Wir haben den Begriff in Anführungszeichen gesetzt, da sich inzwischen starke Bemühungen abzeichnen, die Schulenorientierung zu überwinden. Das war bereits das Anliegen Klaus Grawes in den 1990er-Jahren, dessen Ansatz sich dieses Buch immer verpflichtet gefühlt hat. Auf der praktischen Anwendungsebene ist inzwischen eine deutliche Annäherung zu beobachten. So erlaubt beispielsweise der strukturelle Ansatz im Sinne Rudolfs (2020) eine recht aktive Therapeutenrolle, während die Bedeutung der frühen Erfahrungen aus der Bindungsforschung mittlerweile Teil des Störungsverständnisses in der Verhaltenstherapie ist (und zwar nicht nur bei Traumafolgestörungen). Ebenso haben Imaginationstechniken (auf die bereits Beck verwies) inzwischen breiteren Einzug in die Verhaltenstherapie gefunden (Hackmann et al. 2011). Auch die zentrale Rolle der Therapeutinnen und Therapeuten (als »common factor« im Vergleich zu den angewandten Techniken; Wampold et al. 2018) wird gesehen und in der Ausbildung berücksichtigt.
Die Unterschiede zwischen den Methoden bestehen deutlicher auf der Ebene der (festgeschriebenen) Konzepte als auf der Ebenen des (flexibleren) konkreten Tuns.
Wie psychodynamische Theorien geht auch die Schematherapie von der Bedeutung früher Beziehungserfahrungen aus, die ihren Niederschlag in Schemata finden. Der Diskurs über die Konzeptualisierung des kindlichen Erlebens und der therapeutische Umgang damit braucht aber eine konsistente Begriffsbildung (Epistemologie) und exakte Prozessbeschreibungen, die an bestehende, wissenschaftlich bereits fundierte Konzepte »anschlussfähig« sind (Gauggel 2006, S. 135): zum einen, damit ein wissenschaftlich-kritischer Diskurs möglich und das Vorgehen lehrbar ist, zum anderen, um die Konzepte z. B. in Studien empirisch überprüfbar zu machen. Daher beziehen wir uns in der Konzeptualisierung stark auf das SORC-Schema und verzichten weitgehend auf eine schematherapeutische Terminologie, sondern benutzen eingeführte Begriffe (und setzen die Schematherapie-Termini in Klammern; siehe Tuschen-Caffier & Hoyer 2014). Auch leiten wir die Interventionen aus den zuvor dargestellten Grundlagen ab und beschreiben sie sehr detailliert, um das Vorgehen transparent, nachvollzieh- und empirisch überprüfbar zu machen.
Schematherapie bildet eine Brücke zwischen den Therapieschulen. Sie versteht sich als Beitrag für den Bereich der Interaktions- bzw. Persönlichkeitsstörungen und erweitert das Technikrepertoire und das therapeutische Interaktionsverhalten.
Pawelzik (2013b) definiert die Kernprobleme von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen wie folgt:
anhaltende innere Anspannung
undifferenzierte negative emotionale Selbstzustände
Neigung zu impulsivem bzw. inkonsequentem Handeln
mangelnde Selbstberuhigungs- und Selbstregulationsfähigkeit
sich und andere nicht verstehen können (Mentalisierungsdefizite)
anhaltendes negatives Beziehungserleben
Für all diese Problembereiche bietet die Schematherapie Antworten bzw. Lösungen. Das wird der Gegenstand dieses Buches sein. Da das Störungsmodell störungsübergreifend-unspezifisch ist, kann es auf alle Interaktionsstörungen angewendet werden, was in dieser Breite (außerhalb der psychodynamischen Therapien) bei keiner anderen Methode der Fall ist. Das gilt zum einen für konkrete Persönlichkeitsstörungen, für die inzwischen eine gewisse Evidenz nachgewiesen ist (siehe Kap. 8), zum anderen aber auch für alle Störungsbilder, bei denen die vordergründige Symptomatik durch maladaptive Interaktionsmuster mitbedingt oder aufrechterhalten wird. Das ist bei vielen chronischen bzw. rezidivierenden Störungen der Fall. Auch dazu gibt es erste Evidenzen (siehe Kap. 8).
Die Schematherapie ist kein störungsspezifischer Ansatz, sondern bietet ein strukturiertes Vorgehen für alle Persönlichkeitsstörungen bzw. Persönlichkeitsstrukturen, die Achse-I-Symptome aufrechterhalten.
Bei der Antragstellung im Rahmen einer Richtlinienpsychotherapie ergänzt die schematherapeutische Fallkonzeption die auf die aktuelle Symptomatik bezogene horizontale Verhaltensanalyse und die daraus abgeleiteten störungsbezogenen Maßnahmen, kann sie aber nicht ersetzen. Entsprechend können schematherapeutische Elemente mit störungsspezifischen Techniken bei der Behandlung chronifizierter Symptomatiken integriert werden. Beispiele geben das »Praxisbuch Verhaltenstherapie« von Gerhard Zarbock (2008), die Bücher »Störungsspezifische Schematherapie« (Reusch & Valente 2015), »Selbstregulation und Impulskontrolle durch Schematherapie aufbauen« (Valente & Reusch 2017) sowie »Emotionale Regulation bei psychischen Störungen« von Stromberg & Zickenheiner (2021). Dabei wird im Rahmen der Makro- bzw. vertikalen Verhaltensanalyse die Behandlung der inneren Struktur der Patienten unter schematherapeutischen Gesichtspunkten dargestellt (Köhler & Grünwald 2011).
Die Entwicklung der Psychotherapie im Allgemeinen und der Verhaltenstherapie im Besonderen vollzieht sich in einer Polarität zwischen Abgrenzung und Integration. Die Abgrenzung ist notwendig, um neue und innovative Elemente differenziert in ihrer Besonderheit darzustellen. Dadurch wird das Besondere einer Methode für die Allgemeinheit wahrnehmbar. Erstarrt eine Methode in der Abgrenzung, läuft sie Gefahr, über die Zeit marginalisiert zu werden und in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden; insbesondere nach dem Ableben der Pioniere, die die Methode einst begründeten und meist charismatisch vertraten. Langfristig überleben daher nur die Elemente einer spezifischen Methode, die den Anschluss an den sich weiterentwickelnden Strom der Psychotherapie halten und in das allgemeine Repertoire integriert werden.
Schematherapie war vom Anbeginn an integrativ (Young 2011).
Auf der konzeptuellen Ebene versucht die Schematherapie, eine große Anzahl vorhandener therapeutischer Techniken in ein konsistentes Theoriemodell zu integrieren, »damit die Fülle relevanter Erkenntnisse [.] in ein griffiges, handhabbares Konzept eingeordnet und so eine (handlungsleitende) Ordnung und Übersicht hergestellt wird« (Caspar 2010, S. 16). Schematherapie versteht sich daher sensu Young nicht als eklektizistisch, sondern als »assimilative Integration« (Messer 2001), da ihr »eine zusammenhängende Theorie zugrunde liegt« (Young et al. 2005, S. 83). Um Bezüge oder auch Anleihen zu anderen Ansätzen transparent zu machen, werden in diesem Buch immer wieder diese Konzepte und Autoren zitiert. Das Ziel ist, auf der Basis der verhaltenstherapeutischen Grundlagen weitere Techniken und Haltungen im Sinne eines kontextuellen Metamodells (Wampold et al. 2018) konzeptuell zu integrieren, um möglichst alle bewährten therapeutischen Möglichkeiten zu nutzen. In dieser 4. Auflage werden wir sowohl die neueren Entwicklungen innerhalb der 3. Welle der Verhaltenstherapie mit dem Schematherapiemodell verschmelzen als auch den Körper in der Therapie berücksichtigen, indem wir Elemente des sogenannten Somatic Experiencing (Levine 2011) zur Vertiefung des emotionalen Erlebens verwenden. Es ist uns wichtig, zu betonen, dass diese Weiterentwicklungen explizit im Sinne des Begründers der Schematherapie Jeffrey Young sind. Um das zu verdeutlichen, haben wir an vielen Stellen seitengenaue Verweise eingefügt. Entsprechend seiner grundsätzlich wissenschaftlichen Orientierung sagte Young wiederholt, dass das Modell nicht festgeschrieben, sondern immer wieder überprüft werden muss. So bestätigte er explizit in dem Abschlussinterview des ersten »Schematherapie Online Summit 2020«, dass er unseren Ansatz der kontextuellen Schematherapie als legitime und erwünschte Weiterentwicklung begrüßt. Dafür sind wir ihm dankbar und das ist für uns keinesfalls selbstverständlich, verhalten sich doch andere Menschen, die neue Therapiemethoden begründen, häufig weniger freilassend und deutlich kontrollorientierter.
Die kontextuelle und prozessbasierte Schematherapie trägt den Geist der Schematherapie einen Schritt weiter. Das soll auch das neue Titelbild...
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