Theodor Fontane in Kreuzberg / von Hans E. Pappenheim (1969)
Verein für die Geschichte Berlins / Adlon, Bleichröder, Borsig, Döblin, Fidicin, Fontane
Julius Faucher - Pumpgenie / von H. Beta (1863)
Theodor Fontane in Kreuzberg
von Hans E. Pappenheim (1969)
Zum 30. Dezember 1969.
Persönlichkeit, Werk und Lebensleistung Theodor Fontanes sind in den letzten 50 Jahren als so umfassend erkannt worden, dass die Würdigung des Romanciers Berlins zu seinem 150. Geburtstag an dieser Stelle nur unter Begrenzung auf ein Teilgebiet Berlins geschehen soll, der Luisenstadt und der Tempelhofer Vorstadt, aus denen am 1. Oktober 1920 der heutige Bezirk Kreuzberg wurde. Dieser Bereich stand schon dem jungen Dichter durch verschiedene Wohnungen, wichtige Ereignisse, Freundschaften und Arbeitsbeziehungen nahe, sodass dieser Stadtteil für sein Leben und Wirken besondere Bedeutung bekommen hat. Schon seit den 1820er-Jahren wohnten hier Familienmitglieder: die Adressbücher melden für das Jahr 1820 den Großvater von Theodor Fontane, den »Kabinets-Secretair P. Fontan1, Friedrichstraße 230; 1824 in Pension« - ebenso 1826, aber nach der »Kleinen Hamburger Straße 13 in ein eigenes Haus verzogen«. Theodor Fontane legte am 19. Dezember 1839 bei dem Kreisphysikus Dr. Natorp, Alte Jakobstraße 109, in der Nähe der Kommandantenstraße, die Apothekerprüfung ab. Als er am 30. Dezember 1840 von dieser Berufstätigkeit aus Burg bei Magdeburg nach Berlin zurückkehrte, nahm ihn sein alter Freund Fritz Hesselbach in seine Wohnung in derselben Alten Jakobstraße auf; hier erkrankte Fontane und lag sieben Wochen in dieser »Chambre garnie« an Typhus darnieder, und dann erst konnte er im Frühjahr 1841 seine neue Stellung in Leipzig antreten.2 Um einem Irrtum vorzubeugen: Am 1. April 1844 trat Fontane als Einjährig-Freiwilliger ins 2. Btl. des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments ein, doch lag dies damals noch in der Neuen Friedrichstraße, also am Alexanderplatz3; der Neubau für die »Franzer« entstand erst ab 1865 in der Pionierstraße, jetzt Blücherstraße.
Theodor Fontane, um 1874
In Bethanien
Anfang März 1848 hatte Pastor Ferdinand Schultz (1811-1875), ein Freund der Eltern Fontanes, diesem angeboten, für auskömmliches Gehalt, freie Wohnung und Verpflegung im Diakonissenhaus Bethanien die pharmazeutisch-wissenschaftliche Ausbildung von zwei Krankenschwestern zu übernehmen. Zu diesem christlichen Krankenhause, einer Gründung Friedrich Wilhelms IV., war am 23. Juli 1843 der Grundstein gelegt, der Bau nach den Entwürfen des Baurats Theodor Stein (1802-1876) ausgeführt und am 10. Oktober 1847 eröffnet worden; er stand damals noch frei und wie ein italienischer Palazzo auf dem zur Bebauung vorbereiteten Köpenicker Feld zwischen dem Luisenstädtischen Kanal und dem Mariannenplatz. Für 1¼ Jahr kam Fontane hier - seit Juni 1848 - seiner Aufgabe nach, die ihm auch die Möglichkeit für ruhiges literarisches Schaffen gab. In seinem autobiografischen Werk »Von Zwanzig bis Dreißig«4 hat er diese Zeit in den drei Kapiteln »Bethanien und seine Leute«, »Zwei Diakonissen« und »Wie mir die bethanischen Tage vergingen« recht unterhaltsam beschrieben. »Ich war nun also in Bethanien eingerückt und hatte in einem der unmittelbar daneben gelegenen kleineren Häuser eine Wohnung bezogen. In eben diesem Hause, dem Ärztehause, waren drei Doktoren einquartiert .« (Geheimrat Dr. Bartels, Dr. Wald, Dr. Wilms). Fontanes Tätigkeit ist auch in der Geschichte dieses Hauses5, und zwar ohne Bezugnahme auf seinen späteren Werdegang vermerkt: ».die Bereitung der Arzneien sollte durch eine dazu ausgebildete Diakonisse geschehen.« Als solche fungierte anfangs Schwester Pauline Jakobi seit 1847 in Bethanien, die aber ein Jahr später krankheitshalber ausschied. Da eine ausgebildete Apothekenschwester nun fehlte, »so wurde für die Bereitung der Arzneien einstweilen dem Apotheker Fontane übergeben, welcher hierfür eine monatliche Remuneration von 60 Mark erhielt. Gleichzeitig unterwies er die Schwester Emmi Dankwerts in seiner Kunst, und es gelang ihm, sie so weit zu bringen, dass sie am 22. November 1849 die vorgeschriebene Prüfung zur Zufriedenheit bestand. Schwester Emmi übernahm nun die Apotheke, und sie ist seitdem ausschließlich durch Schwestern besorgt worden.«
Die Apotheke in Bethanien mit dem Rezeptiertisch
Federzeichnung v. Hans Hartmann
Wir nennen auch die zweite, durch den jungen Apotheker erfolgreich zum Examen geführte Diakonisse: Aurelie von Platen. - Als sein Auftrag am 30. September 1849 abgelaufen war, gab er den Apothekerberuf offiziell auf, zog im Oktober 1949 nach der Luisenstraße 12 im Norden, heiratete am 16. Oktober 1850 und widmete sich nun ganz dem Journalismus und der Literatur, vertrat aber seit dem 4. April 1851 fünf Wochen lang die Apothekenschwester in Bethanien. Im Sommer und Herbst 1853 war er hier zur Überwachung seiner Gesundheit (Tbc-Verdacht). Nach eigenem Zeugnis hat er in seiner bewegten Jugend kaum wieder so schöne, friedvolle und poetische Zeiten gehabt wie in den VA Jahren in »Bethanien«. Die Apotheke - ein »hohes Eckzimmer«, ist bis heute unverändert erhalten und mit einem Porträtfoto Fontanes geschmückt.
Mit Dr. Friedrich Robert Wilms (1824-1880), dem späteren Chefarzt von Bethanien, blieb Fontane seit seinem Lehr-Aufenthalt in diesem Hause befreundet. Im Januar 1859 verweilte Fontanes Mutter hier zum Besuch des Predigers Schultz. Fontane schrieb darüber an seine Gattin am 9. 1.: »Gestern früh fuhr ich nach Bethanien. Ich fand Mutter ziemlich wohl .« Mit dem Geistlichen stand Fontane noch 1868 in Beziehung. - Als Wilms am 24. September 1880 verstorben war, schrieb Fontane am 2. November an seinen Verleger Wilhelm Hertz:6 ». Über Wilms Tod sprechen wir mal mündlich. Ich hab ihn von Jugend an sehr hoch gestellt. Er hatte die Beschränktheit der Größe und war nur scharf mit dem Messer in der Hand. Natürlich auch ein Apothekersohn. Alles Bedeutende wurzelt zuletzt in Radix Ipecacuanhae usw. (= brasilianische Heilwurzel). Uns wenigstens kleidet dieser Glaube.« (Auch W. Hertz war der Sohn eines Apothekers). Fontane hat Wilms als bedeutenden Chirurgen in »Effi Briest« erwähnt. Seine Büste steht noch heute auf dem Mariannenplatz vor dem Hauptportal von Bethanien (von Siemering)7.
Im Kuglerschen Hause, Friedrichstraße 242
1851 wohnt »Schriftsteller Th. Fontane« Puttkamerstraße 6, ist 1852 »Luisenstraße 35« gemeldet, in denselben Jahren finden wir die Apotheker-Witwe Fontane, also seine Mutter, Köthener Straße 378. In diese Zeit fällt Fontanes Verkehr im Hause des Kunsthistorikers und Dichters Franz Kugler (1808-1858), ein künstlerischer Mittelpunkt der Hauptstadt, in dem Waagen, Eggers, Lübke, Burckhardt, Menzel, Drake, neben Storm, Heyse und Geibel auch der junge Fontane aus und ein gingen. Dieser lernte hier 1852 Theodor Storm und 1854 auch Eichendorff kennen. Prof. Kuglers Haus lag am Südende der Friedrichstraße (Nr. 242) nahe am Belle-Alliance-Platz, es wurde 1861 umgebaut und 1893 abgebrochen9. - Viel Freundesliebe erfuhr Fontane auch in der Familie des Geheimrats Karl Hermann Frhr. v. Wangenheim, Lindenstraße 48, dessen Töchter Ida und Elsy er 1853 bis 1855 unterrichtete10. Mit Fontane befreundet war auch der Maler, Dichter und Kunstschriftsteller Hugo von Blomberg (1820-1871), der, seit 1848 in Berlin, um 1850 dem »Tunnel über der Spree«11 beitrat und 1857 dessen Mitglieder in Porträtskizzen festhielt12. Ein schweres Erlebnis (vor 1867) in seiner Familie erschütterte Fontane noch auf lange: Hugo von Blomberg ging »gern mit seinen Kindern spazieren, am liebsten nach einem am Fuße des Kreuzbergs gelegenen Kaffeegarten, wo gute Spielplätze waren«. Dabei sprang der 9-jährige Sohn Hans beim Spiel in einen Stachelbeerstrauch und zog sich eine Augenverletzung zu, die trotz ärztlicher Hilfe nach zwei Tagen zum Tode führte.13
Tempelhofer Straße 51
Nachdem er am 6. April 1859 Potsdamer Straße 33 eine Sommerwohnung bezogen hatte, erfolgte am 29. September 1859 der Umzug nach Tempelhofer Straße 5114 (später Belle-Alliance-Straße, heute Mehringdamm 3/5), wo er bis 1863 wohnte und die Erstausgabe seiner »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« schrieb. Das Haus wurde 1910 abgerissen. Der auf der anderen Straßenseite (seit 1853) »trutzig mit Zinnentürmen aufragenden früheren Kaserne des 1. Gardedragonerregiments, >Königin Victoria von Großbritannien und Irland< setzte er im >Stechlin< durch eine der Hauptfiguren des Romans, den Rittmeister v. Stechlin, ein literarisches Denkmal«15. Aus jenen Jahren zwei Erinnerungen Fontanes an die Bernburger Straße, die damals erst teilbebaut war und die beide die »Neue Preußische Kreuzzeitung« betreffen. Hier wohnte ihr Mitredakteur, Fontanes Freund Georg Ludwig Hesekiel...