Schweitzer Fachinformationen
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Feine Nebelfäden stiegen silbrig schimmernd aus dem grünen Wasser in den ruhigen grauen Himmel auf, während im Osten schon das erste zarte Morgenrot mit angehaltenem Atem darauf wartete, hinter den Hügeln aufzusteigen und die Welt mit seinem warmen Glanz zu überziehen.
Keegan O'Broin stand in der kühlen Dämmerung am Ufer des Gewässers und verfolgte reglos, wie der Tag anbrach. Ein Tag des Wechsels und der Wahl, der Hoffnung und der Macht.
Ebenfalls mit angehaltenem Atem wartete er darauf, seine Pflicht zu tun, und hoffte, spätestens am Mittag wieder auf dem Hof zu sein. Natürlich warteten dort jede Menge Arbeit und das nächste Training, aber dort war er nun mal zu Hause, und dort fühlte er sich wohl.
Als das Signal ertönte, zog er seine Tunika und seine Stiefel aus. Sein Bruder Harken und an die sechshundert anderer junger (und auch nicht mehr ganz so junger) Leute aus verschiedenen Ecken ihres Landes taten es ihm gleich.
Sie kamen aus dem Süden von Talamh, wo die Frommen ihre geheimen Gebete sprachen, aus dem Norden, wo das Meer der Stürme tobte und der Schutz der Küste in den Händen ihrer besten Krieger lag, aus dem Osten mit der Hauptstadt und hier aus dem Tal im Westen, wo seine Heimat war.
Ihr Anführer war tot. Er hatte sich geopfert, um die Welt zu retten, und wie es geschrieben stand, berichtet und gesungen würde, würde hier an diesem Ort, an diesem Tag, auf diese ganz besondere Art ein neuer Anführer bestimmt.
Natürlich würde Harken niemals Taoiseach werden wollen. Zwar machte es den Zwölfjährigen stolz, dass er als Jüngster zu dem Wettstreit zugelassen war, aber er war mit Leib und Seele Bauer, und im Grunde waren dieser Tag, die vielen Leute und der Kopfsprung in den See für ihn einfach ein großer Spaß.
Und Keegan selber würde heute ein Versprechen halten, das er einem Sterbenden gegeben hatte, einem Mann, für den er wie ein Sohn gewesen war, nachdem die Götter seinen eigenen Vater heimgerufen hatten, einem Mann, dem Talamh seinen Sieg über die Macht, die sie hätte versklaven wollen, zu verdanken hatte, auch wenn er in diesem Kampf gefallen war.
Er hatte sicher nicht den Wunsch, das Schwert des Taoiseach aus dem See zu holen, doch er hatte diesem Mann sein Wort gegeben, also würde er sich so wie all die anderen Jungen, Mädchen, Männer und Frauen in die Fluten stürzen.
»Na los, Keegan!« Der junge Harken grinste und ließ seine rabenschwarzen Haare in der Frühlingsbrise wehen. »Das wird sicher lustig, und wenn ich der neue Taoiseach werde, lege ich als Erstes fest, dass eine Woche lang im ganzen Land geschlemmt, getanzt und wild gefeiert wird.«
»Und wer wird dann die Schafe hüten und die Kühe melken?«
»Wenn ich Taoiseach werde, mache ich das einfach selbst. Ich trauere auch um ihn«, erklärte Harken und schlang einen Arm um Keegans Schultern, weil er wusste, dass der Tod des letzten Anführers ihm wirklich naheging. »Er war ein Held und wird für immer unvergessen sein, aber wir haben diese Schlacht gewonnen, und heute wird ein neuer Anführer bestimmt. Genauso würde er es haben wollen, und genauso muss es sein.« Er blickte sich mit himmelblauen Augen in der Menschenmenge um. »Wir ehren dadurch ihn, alle, die vor ihm kamen, und jeden, der noch kommen wird.« Entschlossen rammte er seinem Bruder einen Ellenbogen in die Seite und verlangte: »Also hör gefälligst auf zu grübeln. Schließlich wird bestimmt nicht einer von uns beiden mit Cosantoir in den Händen wieder an die Oberfläche kommen. Wahrscheinlich wird es Cara, weil sie besser schwimmt als eine Nixe, oder Cullen, denn der hat schließlich wochenlang geübt, unter Wasser die Luft anzuhalten.«
»Das passt zu ihm«, murmelte Keegan schlecht gelaunt, denn Cullen war zwar ein hervorragender Krieger, doch das Zeug zum Clanchef hätte er ganz sicher nicht. Statt nachzudenken, stürzte er sich lieber blindlings in die Schlacht.
Keegan war mit seinen vierzehn Jahren ebenfalls Soldat. Er hatte Blut vergossen, und er kannte das damit einhergehende Gefühl der Macht, doch ihm war klar, dass Nachdenken genauso wichtig wie das Schwert, der Speer und der geschickte Umgang damit war.
Vielleicht war es sogar noch wichtiger. Das hatten ihm sein Vater und der Mann, der ihn wie einen Sohn behandelt hatte, beigebracht.
Als er mit Harken und so vielen anderen, die aufgeregt wie Elstern plapperten, am Ufer stand, bemerkte er, dass seine Mutter Tarryn sich durch das Gedränge schob.
Er wünschte sich, sie würde heute tauchen, denn er kannte niemanden, der sich so gut wie sie darauf verstand, einen Streit zu schlichten, und in der Lage war, ein Dutzend Dinge gleichzeitig zu tun. Harken hatte ihre Freundlichkeit geerbt, ihre Schwester Aisling ihre Schönheit, und er selbst hoffte, dass er selbst zumindest einen Teil der Klugheit mitbekommen hatte, die sie ein ums andere Mal bewies.
Tarryn blieb bei Aisling stehen - die statt mit ihren Brüdern, die sie momentan verachtete, mit ihren Freundinnen zusammenstand. Sie legte eine Hand unter ihr Kinn, küsste ihr die Wangen, sagte irgendwas, worüber ihre Tochter lächelte, und wandte sich dann ihren Söhnen zu.
»Ein Grinsen und ein Stirnrunzeln«, bemerkte sie, zerzauste Harken sanft das dunkle Haar und zupfte spielerisch an Keegans langem Kriegerzopf, der über seine linke Schulter fiel. »Vergesst nicht die Bedeutung dieses Tags. Er soll uns einen und uns sagen, wer und was wir sind. Was ihr hier tut, haben andere schon vor über tausend Jahren getan. Und die Namen aller, die das Schwert gefunden haben, standen bereits fest, bevor sie auf die Welt gekommen sind.«
»Wenn das Schicksal schon bestimmt hat, wer der neue Clanchef werden soll, können wir uns den ganzen Aufwand doch auch sparen. Dann müsstest du als jemand, der in die Vergangenheit und Zukunft blickt, doch wissen, wer der neue Taoiseach werden wird«, beschwerte Keegan sich.
»Das kann ich nicht, weil sich der neue Taoiseach selbst dafür entscheiden muss, das Amt zu übernehmen.« Wie vorher Harken legte sie den Arm um Keegans Schultern und sah aus genauso leuchtend blauen Augen wie ihr Jüngster durch den Nebelschleier auf den See.
»Ihr habt euch dafür entschieden, in den See zu springen oder nicht? Und wer das Schwert entdeckt, muss sich dafür entscheiden, es auch zu ergreifen«, klärte Tarryn ihre Söhne auf.
»Es wäre doch bestimmt niemand so dumm, das nicht zu wollen«, wunderte sich Harken. »Schließlich würde jeder Taoiseach werden wollen.«
»Ein Clanchef wird geehrt, trägt aber gleichzeitig auch die Last von uns allen auf seinen Schultern. Und da er bereit sein muss, die Last zu tragen, sollte er sich überlegen, ob er tatsächlich das Schwert ergreifen will. Und jetzt seid still, denn da kommt Mairghread«, mahnte sie und gab den beiden Jungen jeweils einen mütterlichen Kuss.
Mairghread O'Ceallaigh, früher einmal selbst Taoiseach und die Mutter ihres letzten, allzu jung verstorbenen Clanchefs, hatte ihre schwarze Trauerkleidung abgelegt und trug ein schlichtes weißes Kleid und einen Anhänger mit einem Stein, der rot wie ihre Haare war.
Stein und Haare sahen aus, als würden sie in Flammen stehen und die dünne Nebelwand verbrennen, die sie durchschritt. Sie trug ihr Haar so kurz wie eine von den Feen, die in ihrem Gefolge an den See geströmt gekommen waren. Die Menge teilte sich, und ehrfürchtige Stille breitete sich aus.
Keegan kannte sie als Marg, die Frau, die in dem kleinen Haus im Wald nicht weit von ihrem Hof zu Hause war. Die Frau, die einem Jungen, wenn er Hunger hatte, Honigkuchen schenkte und ihn mit Geschichten unterhielt. Eine mächtige und couragierte Frau, die für Talamh gekämpft und einen hohen Preis dafür entrichtet hatte, dass der Kampf gewonnen worden war.
Er hatte sie im Arm gehalten, als sie Tränen um den Sohn vergossen hatte, denn er hatte Wort gehalten und ihr selbst die Todesnachricht überbracht. Obwohl sie schon gewusst hatte, dass er nicht mehr am Leben war.
Er hatte sie im Arm gehalten, bis die Frauen gekommen waren, um ihr beizustehen. Und dann, obwohl er ein Soldat und Mann war, hatte er sich tiefer in den Wald begeben und dort selbst um diesen ganz besonderen Mann geweint.
Jetzt aber sah sie wieder stark und prachtvoll aus und rief in ihm dieselbe Ehrfurcht wie in allen anderen wach.
Sie trug den Stab, das uralte Symbol der Herrschaft, dessen rabenschwarzes Holz im Licht der Sonne glänzte, die inzwischen stärker als der Nebel war.
Die Schnitzereien schienen zu pulsieren, und im Inneren des Drachenherzensteins an der Spitze wirbelte die ganz besondere Macht, die ihm verliehen war.
Und als sie sprach, verstummte selbst der Wind.
»Mit Blut und unter großen Opfern haben wir den Frieden wiederhergestellt. Wir haben unsere und dadurch auch alle anderen Welten immer schon beschützt. Wir haben uns entschieden, so zu leben, wie wir leben. Von den Dingen, die das Land, das Meer, die Fey uns geben, und all diese Dinge gleichzeitig zu ehren. Wir haben wieder Frieden, und wir werden dieses Land wieder erblühen lassen, bis die nächste Zeit des Blutvergießens und der Opfer kommt. Heute wird, wie es geschrieben steht, berichtet und gesungen wird, ein neuer Clanchef aus den Fluten steigen, und wir alle werden Talamh und dem Taoiseach, der das Schwert im See der Wahrheit findet und den Stab des Rechts von mir entgegennimmt, die Treue schwören.«
Sie warf den Kopf zurück und sah zum Himmel auf, und Keegan war sich sicher, dass die klare, starke Stimme bis zum Meer der Stürme und noch darüber hinaus zu hören war:
»Wir wenden uns...
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