Schweitzer Fachinformationen
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Ein voller, runder Wintermond ergoss sein Licht über die alten Mauern des Hotels am Markt von Boonsboro. Hell schimmerten die frisch gestrichenen Zäune und Veranden, und das auf Hochglanz polierte Kupferdach glänzte. Altes und Neues, Vergangenheit und Gegenwart waren hier eine gelungene, glückliche Verbindung eingegangen.
Noch blieben die Fenster dunkel in dieser Dezembernacht, hüteten weiter die Geheimnisse des alten Gebäudes. Erst in ein paar Wochen würde es sich in seiner vollen Pracht präsentieren und in erneuertem Gewand an eine große Tradition anknüpfen.
Während er mit seinem Pick-up an einer roten Ampel hielt, blickte Owen Montgomery die Hauptstraße hinauf, betrachtete die weihnachtlich geschmückten Fenster der Wohnungen und Läden. Bunte Lichter blinkten fröhlich, und zu seiner Rechten sah er hinter einem Fenster im ersten Stock einen erlesen dekorierten Baum. Dort wohnte bis zur Fertigstellung des Hotels die künftige Managerin - eine elegante junge Dame von sicherem Geschmack und Stilgefühl, die selbst ihrer provisorischen Unterkunft ihren ganz besonderen Stempel aufzudrücken wusste.
Nächstes Jahr um diese Zeit, ging es ihm durch den Kopf, würde das BoonsBoro Inn ebenfalls in hellem Glanz erstrahlen. Und der festlich geschmückte Weihnachtsbaum von Hope Beaumont stünde dann vor einem der Fenster ihrer Wohnung im zweiten Stock des Hotels.
Er lenkte seinen Blick nach links, hinüber zur Pizzeria von Avery McTavish, einer guten Freundin. Auch sie hatte für weihnachtlichen Schmuck gesorgt und auf der Veranda bunte Lichterketten aufgehängt. Und in ihrer Wohnung im ersten Stock entdeckte er einen beleuchteten Baum. Davon abgesehen aber lag die Wohnung in vollkommener Dunkelheit. Früher hatte dort sein Bruder Beckett gewohnt, bevor er zu seiner Lebensgefährtin Clare gezogen war.
Sobald die Ampel Grün zeigte, bog Owen rechts in die St. Paul Street ein, um anschließend gleich links auf den hoteleigenen Parkplatz zu fahren. Dort lehnte er sich auf seinem Sitz zurück und dachte nach. Vielleicht sollte er später noch schnell hinüber zu Avery auf eine Pizza und ein Bier gehen, sobald er seine Inspektionsrunde beendet hatte.
Zwar war das eigentlich nicht nötig, aber Owen waren solche Kontrollgänge zur Gewohnheit geworden. Vor allem wenn er sich den ganzen Tag um andere Projekte kümmern musste. Er und seine Brüder führten nämlich ein gefragtes und entsprechend florierendes Bauunternehmen, das sie von ihrem verstorbenen Vater übernommen hatten, und alle drei fühlten sich der Familientradition in hohem Maße verpflichtet. Wohl mit ein Grund, dass Owen auch heute unbedingt sehen wollte, wie weit die Arbeiten am Hotel gediehen waren.
Er schaute hinüber zur Pizzeria Vesta. Dort schien noch ziemlich viel Betrieb zu herrschen, obwohl bereits in einer halben Stunde geschlossen wurde. Avery würde ihn bestimmt nicht rausschmeißen. Im Gegenteil: Bestimmt wäre sie froh, sich in Ruhe noch mit ihm auf ein Bier zusammensetzen zu können. Das machten sie schließlich des Öfteren, nachdem alle Gäste gegangen waren. Er genauso wie seine Brüder.
Obwohl der Gedanke an ein Bier und einen gemütlichen Plausch mit Avery durchaus verlockend war, siegte die Vernunft. Er musste morgen früh um sieben schon wieder zur Stelle sein, und da schien es besser, den Abend nicht mehr übermäßig auszudehnen.
Er kletterte aus seinem warmen Wagen hinaus in die eisige Winterluft, kramte eilig seine Schlüssel aus der Tasche und zog seine Jacke zum Schutz gegen den kalten Wind enger um sich, während er um die Ecke herum zum Vordereingang ging.
Jeder seiner Schlüssel hatte eine andere Farbe. Er fand das einfach praktisch, weil er auf diese Weise nicht lange suchen musste - seine Brüder hingegen hielten es für eine leicht neurotische Marotte. Ohnehin war Owen unter den drei hochgewachsenen, gut aussehenden Montgomerys derjenige, der alles gerne gründlich plante. Pedantisch nannten das die anderen beiden bisweilen.
Drinnen angekommen, schaltete er die Lampen an und schaute sich lächelnd und zufrieden um. Was er sah, gefiel ihm. Warme Pastelltöne dominierten in der Lobby, deren Charme unterstrichen wurde durch die cremefarbene Vertäfelung und die alte Backsteinmauer, die einen interessanten Kontrast bildete. Es war Becketts Idee gewesen, sie einfach so zu belassen und nur zu restaurieren.
Dekorative Bodenfliesen betonten die Größe des Raumes, und ein wundervoller mehrarmiger Bronzeleuchter, den seine Mutter entdeckt hatte, tauchte alles in ein weiches Licht. Er wirkte weder übertrieben schick noch unangebracht altmodisch - er war genau richtig und sah aus, als gehöre er nur dorthin. An diesen Platz in der Lobby des BoonsBoro Inn.
Owens Blicke wanderten weiter, hinüber zur rechten Seite, wo sich die Toiletten mit den grünen Marmorbecken befanden. Aha, dachte er, die Wände waren im Laufe des Tages gestrichen worden, sodass auch hier nahezu alles fertig war. Er zog sein Notizbuch aus der Tasche und schrieb ein paar Kleinigkeiten auf, die noch nachgebessert werden mussten. Ihm entging nichts.
Als Nächstes wandte er sich nach links, trat durch einen Rundbogen und betrachtete die steinerne Wand, die an die zweihundert Jahre alt sein musste. Statt sie neu zu verputzen und zu streichen, war sie sorgfältig freigelegt worden. Ebenfalls auf Wunsch von Beckett, der als Architekt ein Auge für so etwas hatte.
Owen musste schmunzeln, als er die Wirtschaftsräume sah. Hier hatte jemand gründlich Klarschiff gemacht. Was vermutlich Hope zu verdanken war, die unermüdlich seit Wochen versuchte, seinen Bruder Ryder samt provisorischem Büro aus diesem Trakt zu werfen, damit endlich aufgeräumt werden konnte. Offensichtlich hatte sie ihn überredet oder einfach Tatsachen geschaffen. Zum Teil wenigstens.
Denn jetzt standen die ganzen Sachen in dem Raum herum, der einmal Hopes Direktionsbüro werden sollte. Die beiden Sägeböcke mit der großen Sperrholzplatte, die als Arbeitstisch diente, die provisorischen Regale, in denen neben Farbdosen und sonstigem Kram vor allem der dicke weiße Ordner stand, der seinem Bruder so viel bedeutete wie anderen Leuten die Bibel. Diverse Werkzeuge lagen verstreut auf dem Boden. Nicht mehr lange, und Hope würde den armen Ryder auch aus diesem Zimmer vertreiben.
Ein paar Schritte weiter ging es in die Küche. Owen schaute sich um. Aha, sie hatten die Lampen angebracht. Direkt über der Kochinsel den großen Eisenleuchter und zwischen den Fenstern kleine, dazu passende Wandlampen. Der Raum strahlte perfekte Harmonie aus. Während die warm schimmernden Holzschränke mit den cremefarbenen Griffen und die farblich abgestimmten Granitplatten eine gemütliche Atmosphäre versprachen, garantierten die zahlreichen blitzenden Edelstahlgeräte höchsten technischen Standard. Er öffnete die Kühlschranktür, um sich ein Bier zu holen, ließ es aber. Lieber nicht, dachte er, schließlich musste er noch fahren, und griff stattdessen nach einer Pepsi. Während er trank, notierte er schnell, dass vor den Fenstern noch die Vorhänge fehlten.
Weiter ging's zur Rezeption. Der Sims, den Ry aus einer dicken alten Holzbohle gezimmert hatte, passte ausgezeichnet zu der Backsteinwand. Allerdings wurde das Gesamtbild durch herumliegende Planen sowie durch Farbeimer und Werkzeugkästen erheblich beeinträchtigt. Hier war noch einiges zu tun.
Owen machte sich zurück auf den Weg zum Foyer und wollte gerade Richtung Lounge weitergehen, als er plötzlich aus dem ersten Stock das Geräusch von Schritten vernahm. War etwa einer seiner Brüder noch da? Im Dunkeln?
Verwundert eilte er durch einen kurzen Flur zur Treppe, die heute erst ihr Geländer erhalten hatte. Während er nach oben stieg, glitt seine Hand beinahe zärtlich über das glatt geschliffene Metall. Fühlte sich super an.
»Ry, bist du da oben?«
Er erhielt keine Antwort. Stattdessen fiel krachend eine Tür ins Schloss. Owen schrak zusammen, ging aber mit zusammengekniffenen Augen entschlossen weiter die Treppe hinauf. Durchaus möglich, dass seine Brüder sich mal wieder einen blöden Scherz mit ihm erlaubten. Da war es besser, so zu tun, als habe man die Sache auf Anhieb durchschaut.
»Oh«, stieß er mit gespielt furchtsamer Stimme hervor. »Das ist bestimmt der Geist. Bitte, tu mir nichts!«
Oben angekommen, bemerkte er, dass die Tür des »Elizabeth und Darcy« oder E&D genannten Zimmers geschlossen war. Ganz anders als etwa nebenan, wo man ungehindert das Innere des T&O, des Titania-und-Oberon-Zimmers«, überblicken konnte.
Wirklich witzig, dachte er erbost.
Lautlos schlich er weiter, um die Tür aufzureißen, in den Raum zu stürzen und denjenigen zu erschrecken, der hier Geisterstunde spielte. Er legte seine Hand auf den geschwungenen Griff, drückte ihn vorsichtig herunter, doch die Tür blieb zu.
»Blödmann«, knurrte er, musste aber gegen seinen Willen leise lachen.
Sein Anflug von Heiterkeit verging in dem Moment, als schlagartig nicht nur die Zimmertür aufflog, sondern die des Balkons gleich mit. Erst spürte er nur den winterlich kalten Luftzug, bis ihm mit einem Mal sommersüßer Geißblattduft entgegenwehte.
»Meine Güte.«
Gut, das mit dem Geist war nicht neu. Inzwischen hatte er dessen Existenz mehr oder weniger akzeptiert. Immerhin waren in den letzten Monaten ein paar Dinge geschehen, für die es keine logische Erklärung gab. Vor allem sein Bruder Beckett beharrte auf diesem real existierenden Geist und hatte ihm sogar einen Namen verpasst: Elizabeth oder Lizzy. Weil sich dieses rätselhafte Wesen scheinbar bevorzugt im E&D aufzuhalten schien.
Während Beckett sich bereits einiger angeblicher Geisterkontakte rühmte, hatte Owen dieses Vergnügen bislang nicht gehabt. Er kannte...
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