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Die Englisch-Niederländischen Seekriege waren Konfrontationen zwischen der aufstrebenden Seemacht England und der etablierten Seemacht der Niederlande. Die großen Schlachten ereigneten sich im Ärmelkanal und in der Nordsee, die Nebenschauplätze des Krieges sind im Mittelmeer, an der Westküste Afrikas, in der Karibik und in Südostasien zu finden. Diese Seekriege wurden in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft bisher kaum behandelt. Es gibt keine moderne deutschsprachige Monographie zu dieser Thematik und sie finden in Handbüchern zur europäischen Geschichte des 17. Jahrhunderts kaum Erwähnung. Es ist das Ziel des vorliegenden Werkes die Kontrahenten der Kriege vorzustellen, die politischen, ökonomischen sowie konfessionell-ideologischen Rahmenbedingungen darzulegen, die einzelnen Ursachen und Motive für die Kriege aufzuzeigen, militärische Kapazitäten sowie Strategie und Taktik der Seekriegsführung zu erläutern, den Verlauf der Kriege zu beschreiben und ebenso auf die Auswirkungen und Konsequenzen der bewaffneten Konflikte einzugehen.
Weder England noch die Niederlande gehörten zu den Kolonialmächten Europas der ersten Stunde.1 Hier gebührt den iberischen Königreichen der Vorrang. Während die Portugiesen ein ambitioniertes, durch Heinrich den Seefahrer initiiertes Entdeckungsprogramm entlang der Westküste Afrikas, das sie bis nach Südostasien brachte, betrieben, gelang dem Königreich Kastilien der große Coup, die Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch Christoph Kolumbus. Diese beiden Mächte teilten bereits zu Ende des 15. Jahrhunderts im Vertrag von Tordesillas die außereuropäische Welt unter sich auf. Dieser Schiedsspruch im Jahre 1494 durch Papst Alexander VI. räumte den Portugiesen östlich der fiktiv festgelegten Demarkationslinie den Monopolanspruch ein, den Spaniern stand der Weltteil westlich der Linie zu. Brasilien fiel so in den Einflussbereich der Krone Portugals. Es war auch ein Portugiese, Fernão de Magalhães, der allerdings im Auftrag des spanischen Königs Karl I. (als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Karl V.) die erste Weltumsegelung unternahm. Die Versuche des englischen Königs Heinrich VII., der den Italiener Giovanni Cabotto (in England John Cabot genannt) mit einem Entdeckerpatent ausstattete, nehmen sich dagegen bescheiden aus. Immerhin [<<20] Seitenzahl der gedruckten Ausgabekam der Seefahrer aus Venedig 1497 bis nach Neufundland. Von einer Auffindung der damals bereits in Rede stehenden Nordwestpassage war er jedoch noch weit entfernt. Die Wasserstraße zwischen Neufundland und Cape Breton Island ist nach dem italienischen Entdecker in englischen Diensten benannt. Sein Sohn Sebastian, der seinen Vater begleitete und 1508 eine weitere Fahrt für England unternahm, war zwanzig Jahre später im Auftrag der spanischen Krone unterwegs. Nach den Entdeckungsfahrten der Cabottos gab man sich in England vorerst mit der systematischen Kolonisation Irlands, verwegenen privaten oder halboffiziellen Piratenfahrten im Atlantik gegen die spanische Handelsflotte und der Gründung von Handelsgesellschaften zufrieden. Der bekannte englische Kapitän, Freibeuter und Vizeadmiral Francis Drake wiederholte die seemännische Leistung Magalhães einer Weltumsegelung in den Jahren von 1577 bis 1580, die er allerdings im Gegensatz zum Portugiesen überlebte. Walther Raleigh, Seefahrer, Offizier und Günstling der Königin Elisabeth I., engagierte sich besonders für die Gründung einer englischen Überseekolonie in Nordamerika. Von einem groß angelegten imperialen Konzept der englischen Krone kann man jedoch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht sprechen.2 Obgleich das Inselkönigreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewiss keine unbedeutende Rolle in der europäischen Mächtepolitik spielte, war von einem Imperium globalen Zuschnitts noch nicht die Rede.
Die Republik der Vereinigten Niederlande existierte zur Zeit der großen Entdeckungsfahrten noch nicht. Die nördlichen Provinzen der Niederlande mussten sich erst von der Weltmacht Spanien loskämpfen. Von den niederländischen Entdeckern machte sich Willem Barents (Namensgeber der Barentssee), der mit seiner Mannschaft im Winter 1596/97 in der Arktis überleben musste, um dann doch ein Opfer seiner Entdeckungsreise zu werden, einen Namen. Wie im Entdeckergeschäft fast schon üblich, griffen auch die Niederländer auf auswärtige Seefahrer [<<21]zurück. Einer der bekanntesten unter ihnen war der Engländer Henry Hudson. Im Auftrag der Verenigde Oostindische Companie, der niederländischen Ostindienkompanie, versuchte er 1609 eine Nordwestpassage nach Asien zu finden. Mit einer englisch-niederländischen Besatzung fuhr er den nach ihm benannten Fluss bis zur heutigen Stadt Albany aufwärts. Hudson fand zwar die nördliche Umfahrung des amerikanischen Kontinents nie, entdeckte jedoch die wichtige Flusseinfahrt im Terrain des später von den Niederländern gegründeten Neu Amsterdam (New York), und auf der nächsten Fahrt kam er in die wiederum nach ihm benannte Hudson Bay.3 Die Reise endete für den Entdecker tragisch, er wurde von seiner Mannschaft in der Bucht ausgesetzt. Einige Jahrzehnte später landete Abel Tasman auf Neuseeland und fuhr um die nach ihm benannte Insel Tasmanien. Dennoch: Die niederländische Seefahrernation wurde weniger durch spektakuläre Entdeckungsfahrten als vielmehr durch ihr ökonomisches Potenzial zur See berühmt. Denn nach der Konsolidierung der Republik ging es in den sieben Provinzen steil bergauf. Vom Übergang des 16. zum 17. Jahrhundert an traten die Generalstaaten, hier vor allem die reichste Provinz Holland, als große Handelsnation auf, und man spricht geradezu vom "Goldenen Zeitalter" der Niederlande.4 Weder in Anbetracht der Einwohnerzahl - um 1650 hatte die Republik an die 1,9 Millionen Einwohner, England hingegen 5,2 Millionen5 - noch hinsichtlich des Territoriums eine europäische Großmacht darstellend, zählten die Generalstaaten bald schon zu den Global Players im weltweiten Handel. Die niederländischen Historiker Jan de Vries und Ad van der Woude bezeichneten die niederländische Volkswirtschaft nicht zu Unrecht als die erste moderne Wirtschaft der Welt.6
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Der große Gegenspieler der beiden zukünftigen Seemächte im 16. Jahrhundert war Spanien. Spanien war in mehrfacher Hinsicht der prädestinierte Gegner: Das iberische Königreich war die katholische Vormacht Europas, Musterbeispiel einer autokratischen Monarchie, die sowohl dem englischen Parlament als auch den niederländischen Regenten suspekt war. Ebenso galt die Machtsphäre der katholischen Majestäten als zu überwindende Hürde im Atlantikhandel.7 Die nördlichen Niederlande hatten noch einen Grund mehr, gegen Spanien, den erf-vijand, den Erbfeind, zu sein: Sie mussten sich erst von der Krone Spaniens im langwierigsten Konflikt der Frühen Neuzeit, im sogenannten Achtzigjährigen Krieg,8 der gemeinhin von 1568 bis 1648 datiert wird, lösen. Von 1609 bis 1621 war dieser Konflikt durch einen Waffenstillstand unterbrochen, um dann in den Dreißigjährigen Krieg zu münden.9 Dieser von den Zeitgenossen oft als "Teutscher Krieg" bezeichnete Konflikt war freilich ein europäischer Krieg, in dem zu Beginn die katholischen Anhänger des Hauses Habsburg mit prominenter protestantischer Unterstützung wie Kursachsen gegen eine protestantische Opposition, die Anhänger rund um den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, im Feld standen. Eine internationale Komponente bekam dieser Konflikt bereits mit dem Eingreifen Dänemarks in der Person des Königs Christian IV. als Reichsfürst aufseiten des protestantischen niedersächsischen Reichskreises. 1630 landete der schwedische König Gustav II. Adolf auf Reichsboden, um gegen Habsburg und Bayern zu ziehen. Fünf Jahre später [<<23]erklärte Frankreich, das Schweden schon länger finanziell unterstützte, den spanischen Habsburgern den Krieg. Damit konnten die Konfliktlinien klar definiert werden: Auf der einen Seite stand die Casa de Austria mit katholischen, aber auch protestantischen Verbündeten (Kursachsen schloss mit dem Kaiser nach einigen Jahren als Verbündeter Schwedens den Prager Frieden von 1635), auf der anderen Seite die europäischen Mächte Frankreich und Schweden mit einigen protestantischen Reichsständen. In diesem europäischen Krieg konnten sich die Niederländer mit der Unterstützung Frankreichs gegen Spanien behaupten. Mit dem bilateralen Friedensschluss von 1648 zwischen Spanien und den Niederlanden, der die staatliche Souveränität und damit endgültig die Unabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation für die Generalstaaten brachte, wurden nicht nur der militärische Konflikt, sondern auch die wirtschaftlichen Sanktionen beendet. Die spanischen Häfen standen den niederländischen Handelsschiffen wieder offen, das spanische Embargo gegenüber den Generalstaaten wurde beendet. Das niederländische Wirtschaftswunder konnte fortgesetzt werden. Mit dem seit 1640 von der spanischen Krone unabhängigen Portugal standen die Niederländer weiterhin im Kriegszustand. Dafür sorgte vor allem die West-Indische Compagnie (WIC), die den Portugiesen Brasilien entreißen wollte, und die Verenigde Oostindische Companie (VOC), die dem iberischen Königreich einen asiatischen Stützpunkt nach dem anderen abnahm und die dazugehörende Handelsflotte stark reduzierte.10 Im Zuge des Portugiesisch-Niederländischen Krieges, der von 1624 bis 1661 dauerte, entstand Niederländisch-Brasilien mit der Hauptstadt Mauritsstad (Recife). Mit dem ersten Englisch-Niederländischen Seekrieg, in dem die WIC und die Generalstaaten alle verfügbaren Kräfte gegen das Commonwealth of England einsetzen mussten, gelang es den Portugiesen wieder, weite Teile des Landes zurückzuerobern. Nach dem Seekrieg mit England, im Jahre 1657, spielte sich dieser Kolonialkrieg [<<24]auch in Europa ab - die Generalstaaten griffen Lissabon direkt an und blockierten die portugiesische Westküste. Erst 1661 gelang es, das bilaterale Verhältnis zwischen Portugal und der Republik zu beruhigen.11 Portugal akzeptierte in den Friedensverträgen zu Beginn der 60er-Jahre die Verluste in Asien (es blieben den Portugiesen noch...
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