Schweitzer Fachinformationen
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Mord war weder voreingenommen noch bigott und beschränkte sich auch nicht auf eine spezielle gesellschaftliche Schicht. Auf die ihm eigene schadenfrohe, Tod und Unheil bringend überlegte Art stellte er sich für Rasse, Glaube, Geschlecht sowie sozialen Status blind. Dieser Gedanke ging Lieutenant Eve Dallas durch den Kopf, als sie im luxuriösen Schlafgemach des kürzlich verschiedenen Thomas A. Anders stand.
Erst gestern Abend hatte sie den Mord an einer zwanzigjährigen Frau hereinbekommen und aufgeklärt, die gewürgt, geschlagen und am Schluss aus dem Fenster ihrer Bude im neunten Stock geworfen worden war.
Einer Bude, deren Miete wöchentlich zu zahlen war, in der es nach schlechtem Sex, schalem Zoner sowie grauenhaftem Essen vom Chinesen gerochen und in der der Freund des Opfers angeblich geschlafen hatte, während sie verschieden war.
Anders hatte in der Park Avenue sein Leben ausgehaucht, weshalb es in seinem Schlafzimmer nach bonbonbunten Tulpen, Wohlstand, kühler Sauberkeit und Leiche roch. Der Tod hatte ihn auf dem luxuriösen Laken des massiven, mit einem Seidenbaldachin bewehrten Betts ereilt. Während Trisha Brown auf einer fleckigen Matratze auf dem Boden einer Absteige für Junkies umgekommen war. Als sie mit dem Kopf zuerst auf dem Bürgersteig gelandet war, hatte sie bereits nicht mehr gelebt.
Doch egal, wer man im Leben war – ob Männlein oder Weiblein, schwarz, braun oder weiß, arm wie eine Kirchenmaus oder stinkreich –, glich der Tod sämtliche Unterschiede aus. Das hatte sie in über einem Dutzend Jahren bei der New Yorker Polizei ein ums andere Mal erlebt.
Es war kaum sieben Uhr, und schon war sie mit dem toten Mann allein. Die Beamten, die zuerst im Haus erschienen waren, saßen unten bei der Hauswirtschafterin, die die Polizei verständigt hatte. Mit versiegelten Händen und Stiefeln lief Eve am Rand des Zimmers auf und ab und sprach in das an ihrer Jacke festgemachte Aufnahmegerät.
»Das Opfer wurde als Thomas Aurelius Anders, wohnhaft unter dieser Adresse, identifiziert. Männlich, weiß, einundsechzig Jahre alt, verheiratet. Die Ehefrau ist angeblich verreist, wurde aber von Greta Horowitz, der Hausangestellten, die den Toten gegen sechs entdeckt und um sechs Uhr zwölf die Polizei verständig hat, über den Tod des Mannes informiert.«
Eve legte ihren Kopf ein wenig schräg. Ihr kurzes, leicht zerzaustes, braunes Haar fiel um ein scharf geschnittenes Gesicht. Als sie den Toten auf dem großen, eleganten Bett studierte, waren ihre Augen, die ein wenig heller als die Haare waren, scharf, zynisch und völlig ausdruckslos.
»Angeblich war Anders allein im Haus. Es gibt zwei Droiden, doch sie waren beide ausgestellt. Auf den ersten Blick sind keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens, eines Einbruchs oder eines Kampfs zu sehen.«
Mit ihren langen Beinen trat sie vor das Bett. Ihr geschmeidiger Körper war in Jeans, ein schlichtes Baumwollhemd und einen langen schwarzen Ledermantel gehüllt.
Aus Richtung des gasbetriebenen Kamins, in dem hinter ihrem Rücken goldene und rote Flammen loderten, wurde plötzlich eine Stimme laut.
GUTEN MORGEN, MR ANDERS!
Sie drehte sich um und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm über dem Kamin. Die weibliche Computerstimme klang erschreckend gut gelaunt, und die kitschigen Farben des Sonnenaufgangs, die auf dem Monitor verschmolzen, hätte sie bestimmt nicht ausgesucht.
WIR HABEN HEUTE DIENSTAG, DEN ACHTZEHNTEN MÄRZ ZWEITAUSENDSECHZIG. ES IST SIEBEN UHR FÜNFZEHN, SIE HABEN UM ZEHN EINE VERABREDUNG ZUM GOLF MIT EDMOND LUCE.
Während der Computer Anders gut gelaunt daran erinnerte, was er zum Frühstück bestellt hatte, dachte Eve: Tja, Tom, heute Morgen gibt’s für dich kein Eiweißomelett mehr.
In der eleganten Sitzecke am anderen Ende des Raums piepste zweimal ein mit blank polierten Messingarmaturen versehener Mini-AutoChef.
IHR KAFFEE IST FERTIG! GENIESSEN SIE DEN TAG!
»Wohl kaum«, murmelte Eve.
Die Frau, die auf dem Bildschirm die Morgennachrichten verlas, klang fast so gut gelaunt wie die Computerstimme. Also stellte Eve sich taub.
Genau wie die Knöpfe des AutoChefs hatte auch das Gestell des Bettes einen warmen Messingglanz. Anders’ Hand- und Fußgelenke waren mit schwarzen Seidenbändern an Kopf- und Fußteil der Schlafstatt gefesselt und ein fünftes Seil zog seinen Kopf von seinem Kissen in die Höhe, weil es mit den anderen Bändern verknüpft und ihm um den Hals geschlungen worden war. Mit den weit aufgerissenen Augen und dem offen stehenden Mund sah er aus, als wäre er ausnehmend überrascht davon, dass er sich in dieser Position befand.
Mehrere Sexspielzeuge lagen auf dem Nachttisch neben seinem Bett. Ein Analpfropf, ein Vibrator, farbenfrohe Penisringe, Gels, wärmende Lotionen, Gleitmittel. Die üblichen Verdächtigen, erkannte Eve. Sie beugte sich nach vorn und schnupperte an Anders’ schmaler, nackter Brust. Kiwi, dachte sie, blickte wieder auf den Nachttisch und las das Etikett der Flasche mit der Körpermilch.
Es war tatsächlich Kiwi. Was es nicht alles gab, staunte sie.
Dann fiel ihr etwas anderes auf und sie hob die Decke an, die Anders bis zur Hüfte ging. Drei neonfarbene Penisringe, die bestimmt im Dunkeln leuchteten, betonten noch das erigierte Glied.
»Nicht schlecht für einen Toten.«
Sie zog die Schublade des Nachttischs auf, und wie vermutet fand sie dort eine Vorratspackung des bestverkauften Potenzmittels, Stay-up. »Eine bessere Werbung kann’s für dieses Zeug nicht geben«, knurrte sie und wollte gerade ihren Untersuchungsbeutel öffnen, als sie hörte, dass jemand den Flur heraufgetrottet kam. Sie erkannte das Getrampel der dicken Stiefel ihrer Partnerin. Laut Kalender stand der Frühling vor der Tür, was in New York jedoch eindeutig eine dicke, fette Lüge war. Wie, um das zu beweisen, trat Detective Delia Peabody in einem dick wattierten, violetten Mantel und einem langen, bunt gestreiften Schal, den sie mindestens drei Mal um ihren Hals geschlungen hatte, durch die Tür. Zwischen dem dicken Schal und der Mütze, die sie tief in ihre Stirn gezogen hatte, waren von ihrem Gesicht nur die Augen und die Nasenspitze noch zu sehen.
»Verdammt, es sind gerade mal fünf Grad«, drang eine gedämpfte Stimme, die vielleicht zu Peabody gehörte, durch den dicken Schal.
»Ich weiß.«
»Aber sie haben gesagt, bei dem Wind fühlt es sich an wie minus zehn.«
»Das habe ich ebenfalls gehört.«
»Verdammt, wir haben März, und in drei Tagen fängt der Frühling an. Es ist einfach nicht richtig.«
»Dann beschweren Sie sich doch.«
»Bei wem?«
»Bei den Leuten, die behaupten, dass es gefühlte zehn Grad minus sind. Sie frieren nur noch mehr und sind noch schlechter drauf, weil ständig davon geredet wird. Und jetzt schälen Sie sich endlich aus dem blöden Zeug. Sie sehen total bescheuert aus.«
»Sogar meine Zähne sind gefroren.«
Trotzdem fing Peabody an, ein paar der vielen Lagen abzulegen, unter denen ihr gedrungener Leib verborgen war. Schal, Mantel, Handschuhe hatten sie praktisch luftdicht abgeschlossen, und Eve fragte sich, weshalb sie unter dem Gewicht all dieser Klamotten nicht zusammengebrochen war. Schließlich nahm sie auch die Mütze ab und ihr dunkles, im Nacken kess gestutztes Haar fiel um ihr kantiges Gesicht. Jetzt war nur noch ihrer roten Nasenspitze anzusehen, dass sie aus der Kälte kam.
»Der Beamte an der Tür meinte, es sähe nach einem schiefgegangenen Sexspiel aus.«
»Könnte sein. Die Frau ist momentan verreist.«
»Was für ein unartiger Junge.« Wieder in ihren normalen Straßenkleidern, sprühte sich Peabody die Hände und die Schuhe ein, trug ihren Untersuchungsbeutel an das Bett und sah sich den Nachttisch an. »Ein wirklich unartiger Junge.«
»Lassen Sie uns ihn noch mal identifizieren und den Todeszeitpunkt bestimmen.« Eve sah sich eine der schlaffen Hände des Toten an. »Sieht aus, als hätte er sich erst vor Kurzem eine Maniküre verpassen lassen. Die Nägel sind kurz, sauber und blank poliert.« Sie dachte kurz nach. »Keine Kratzer, keine blauen Flecken, keine sichtbaren Verletzungen außer an seinem Hals. Und …« Abermals hob sie die Decke an, und Peabody quollen fast die...
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