Schweitzer Fachinformationen
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War sie tot?
Sie fühlte sich so ungebunden und substanzlos wie ein Geist.
Sie hatte das Gefühl zu schweben, als wäre alles rund um sie herum verschwommen, verblasst, bedeutungslos. Aber vielleicht war ja auch sie selbst verschwommen, verblasst, bedeutungslos, und rund um sie herum bewegte sich die Welt mit Tönen, die sie nicht mehr hörte, mit Farben, die sie nicht mehr sah.
Dann war der Tod nicht anders als das Leben. Aber vielleicht hatte der Tod sie ja auch befreit.
Aber wovon?
Sie hatte das Gefühl, als kratzten winzig kleine Nägel an den Rändern ihres Hirns und riefen das Bedürfnis, wegzulaufen und sich zu verstecken, in ihr wach. Aber warum? Warum?
Was hatte das alles für einen Sinn? Weswegen sollte sie sich noch verstecken, wenn sie sowieso nicht mehr am Leben war? Die Toten durften schlafen, oder nicht? Sie durften schlafen, schlafen, schlafen bis in alle Ewigkeit.
Dann wieder kam es ihr so vor, als ob sie gerade wach geworden wäre, obwohl sie noch vollkommen benommen war.
Ziellos wanderte sie durch die Gegend und erkannte, dass sie zwar verwirrt, doch gleichzeitig auch seltsam unbeteiligt war. Sie wusste nicht, ob sie im Himmel oder in der Hölle war, doch die verblichenen Farben und verschwommenen Konturen hatte sie schon einmal irgendwo gesehen. Dann taten die plötzlich grellen Farben ihr in den Augen weh, und die Konturen waren so scharf, als könnte sie sich daran schneiden, wenn sie ihnen zu nahe kam.
Genauso schnell verblasste und verschwamm dann wieder alles, was sie seltsam tröstlich fand.
Da war auch noch ein Geruch, ja, ja, der durchdringende Totenduft von Lilien und von Blut. Wenn sie Blut und Lilien roch, war sie auf alle Fälle tot.
Am besten legte sie sich einfach hin und schliefe ein. Am besten legte sie sich hin und wartete, bis jemand käme, der ihr sagen könnte, was sie machen und wohin sie weitergehen sollte. Ob das Wesen, das sie holen käme, Engel oder Teufel wäre, würde sie dann sehen.
Vor ihrem inneren Auge tauchte eine Mischung beider Wesen auf, und da der Anblick sie erschaudern ließ, beschloss sie, sich nicht hinzulegen, sondern selbst herauszufinden, wo sie war. Hatten etwa auch Tote Angst?
Mit einem Mal stand sie vor einer Tür, die sie mit großen Augen anstarrte. Rein oder raus? Raus oder rein? War das nicht vollkommen egal?
Sie sah, dass eine Hand den Knauf der Tür ergriff. War es womöglich ihre eigene Hand? Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sie roch auch weiterhin die Lilien und das Blut. Der Knauf war kein normaler Knauf, denn jedes Mal, wenn sie versuchte, ihn zu packen, wich ihr das verdammte Ding mit schlängelnden Bewegungen nach links, nach rechts, nach oben und nach unten aus.
War das vielleicht ein Spiel?
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Warum eigentlich nicht?
Die Hand griff nach dem Knauf, doch abermals wich er ihr aus.
Also noch einmal.
Er schlängelte sich erst nach rechts und dann nach links, dann aber hatte sie das Teil erwischt, und wie aus weiter Ferne drang ihr eigenes dünnes Lachen an ihr Ohr.
Rein oder raus. Raus oder rein.
Die Tür ging auf. Sie ergab sich in ihr Schicksal und trat ein.
Die Totenwelt war abwechselnd in Dunkelheit und gleißend helles Licht getaucht, weshalb sie schützend eine Hand vor die Augen hob.
Eve wünschte sich nichts mehr, als endlich aus dem lächerlichen Fetzen und den Knöchelbrechern herauszukommen, die sie heute Abend trug. Sie hatte ihre Pflicht als Ehefrau erfüllt, sich in ein Kleid gezwängt, angemalt und einen Abend lang die Partnerin des Gottes der Geschäftswelt herausgekehrt.
Sie fragte sich, wer überhaupt auf die Idee gekommen war, einen winterlichen Wohltätigkeitsball zu organisieren. An einem kalten Februarabend zogen es normale Leute doch wohl vor, in Jogginghose und mit einer Decke auf der Couch herumzulungern, doch da nachts um zwei bei Minusgraden nicht einmal die schlimmsten Schweinehunde auf der Straße flanierten, hatte sich ihr keine Möglichkeit geboten, sich dem öffentlichen Auftritt an der Seite ihres Gatten zu entziehen.
Zwar hatte das Jahr 2061 arbeitstechnisch mit dem sprichwörtlichen großen Knall begonnen, und sie hatte auch im Januar eine Reihe von Mordfällen auf den Tisch bekommen, dann aber hatten die New Yorker Mörder eine Pause eingelegt, die sie für einen wirklich schönen, dreitägigen Kurzurlaub auf Roarkes privater Insel und für jede Menge heißen Sex im heißen Sand genutzt hatten. Wenn sie jetzt zum Abschluss ihrer freien Tage aufgemotzt inmitten lauter anderer aufgemotzter Leute Smalltalk machen musste, war das ein geringer Preis für dieses Glück.
Vor allem wäre sie ab Montag abermals im Dienst und liefe dann wieder bewaffnet, in vernünftigen Klamotten und bequemen Boots herum.
Obwohl sie ihre Waffe und die Dienstmarke auf diesem blöden Ball in eine lächerliche, kleine diamantbesetzte Tasche stopfen musste, hatte sie sie wenigstens dabei. Denn ohne diese beiden Dinge ging Eve Dallas, Lieutenant der New Yorker Polizei, nicht aus dem Haus.
Dann hatte sie's geschafft, nahm seufzend in der angenehm geheizten Limousine Platz und freute sich, weil sie dem eleganten East Side Hotel mit dem übertrieben winterlich geschmückten Ballsaal und den ebenso geschmückten Gästen entkommen war.
Roarke legte eine Hand unter ihr Kinn, zog mit dem Daumen die Konturen ihres Grübchens nach und küsste sie. »Ich danke dir.«
Sie saß in einem teuren Luxusschlitten, blickte in die wilden blauen Augen eines Mannes, der von einer großzügigen Gottheit wie der Prototyp des rundherum perfekten Exemplars der Gattung Mensch erschaffen worden war, und hatte fast den ganzen Abend lang nichts Besseres zu tun gehabt, als innerlich zu maulen, weil sie als seine Frau zur Teilnahme an einem luxuriösen Ball gezwungen gewesen war.
Was sicher nicht im Sinn der Regeln war, die für eine gute Ehe galten.
»Es war okay.«
Mit einem leisen Lachen presste er ihr abermals die Lippen auf den Mund und ließ den Motor an. »Obwohl du neun von zehn Minuten total gelangweilt warst.«
Sein melodiöser, irischer Akzent und sein Humor gefielen Eve genauso gut wie das von dichtem schwarzem Haar gerahmte, prachtvolle Gesicht.
Als ihn die Gottheiten erschaffen hatten, hatten sie die besten Eigenschaften eines Kriegers, eines Dichters und eines, wenn auch gestürzten, Engels in dem Mann vereint und dann als Ausgleich eine menschenscheue, hartgesottene Mordermittlerin für ihn als Partnerin gewählt.
Das sollte irgendwer verstehen.
»Siebeneinhalb von zehn, denn es war wirklich nett, die Miras und Charles und Louise zu sehen. Das heißt, es war okay.«
»Du hast super mitgespielt.«
»Na ja. Du hast vielleicht nicht mitbekommen, wie ich dieser Frau mit dem Turm aus Haaren, die aussahen wie geschlagene Sahne, zu verstehen gegeben habe, dass ich mich ganz sicher nicht in ihrem Komitee zur Resozialisierung irgendwelcher krimineller Schweinebacken engagieren werde, weil es eigentlich mein Job ist, solche Typen wegzusperren.«
»Das habe ich durchaus gehört, und ich war wirklich froh, dass du nicht auf sie losgegangen bist, als sie dir anschließend erklärt hat, dass die Polizei sich viel zu sehr aufs Strafen statt auf Resozialisierung konzentriert.«
»Tatsächlich war ich kurz davor, du kannst deinen hübschen Arsch darauf verwetten, dass sie sicher nicht mehr wollte, dass wir Mitleid mit so einem Typen hätten, wenn er ihr eins auf die Sahnehaube geben würde, damit sie ihm all die Klunker, die um ihren Hals gehangen haben, überlässt.«
»Sie kann nicht wissen, wie viel Herz und Mitgefühl die Polizei für ihre Arbeit braucht, denn schließlich wurde sie noch nie zu einem Mordopfer gerufen, und sie musste auch noch nie jemandem sagen, dass ein Mensch, den er geliebt hat, nicht mehr wiederkommen wird.«
»Deshalb bin ich ja auch nicht auf sie losgegangen«, stellte sie selbstzufrieden fest und schmiegte sich in ihren Sitz. »Ein Punkt für mich. Wenn ich gleich aus diesem blöden Fetzen und aus diesen Knöchelbrechern raus bin, geht's mir wieder rundum gut.«
»Es hat mir fast genauso großen Spaß gemacht, dich in dem Fetzen und den Knöchelbrechern herumlaufen zu sehen, wie es mir Spaß machen wird, sie dir gleich auszuziehen.«
»Morgen schlafen wir dann aus und räkeln uns noch faul im Bett, bevor .«
Sie hatte sich beim Reden aus Gewohnheit auf der Straße umgeschaut, und plötzlich rief sie: »Meine Güte! Stopp!«
Roarke hatte bereits selbst die Frau gesehen, die direkt vor seiner Limousine auf die Straße trat.
Mit riesengroßen, leeren Augen, nackt und blutverschmiert stand sie im Licht der Scheinwerfer, und während Eve noch aus dem Wagen sprang und anfing, ihren Mantel auszuziehen, lief Roarke schon auf sie zu und hüllte sie in seinen Mantel ein.
»Sie ist vollkommen durchgefroren«, sagte er zu Eve und wandte sich dann an die Frau. »Schon gut. Sie sind in Sicherheit.«
»Sind Sie ein Engel?« Sie hob eine Hand an sein Gesicht, verdrehte ihre Augen, und dann gaben plötzlich ihre Beine nach.
»Schaff sie in den Wagen. Haben wir eine Decke oder so etwas dabei?«
»Im Kofferraum.« Er trug die Frau zu seiner Limousine, schob sie in den warmen Fonds, und Eve zerrte eine Decke aus dem Kofferraum und schob sich neben...
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