Schweitzer Fachinformationen
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Lieutenant Dallas sah aus ihrem winzig kleinen Fenster in das sommerliche Unwetter hinaus und sehnte sich nach einem Mord.
Nur eine anständige, möglichst blutige Gewalttat könnte sie von der Bearbeitung der unzähligen Akten, die sich vor ihr auf dem Schreibtisch stapelten, erlösen. Natürlich war es ihre eigene Schuld, dass der Papierberg derart angewachsen war, doch sie hatte in den letzten Wochen pausenlos ermittelt und verschiedene Mörder überführt und deswegen einfach keine Zeit für Dinge wie Finanzpläne, Spesenabrechnungen und die dämlichen Bewertungsbögen für die Leute ihres Teams gehabt.
Es nützte ihr auch nichts, sich zu sagen, dass das eben Teil der Arbeit war. Literweise Kaffee zu trinken, nachdem sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte, um die Sache anzugehen, linderte die Qual auch nicht. Warum also brachte nicht endlich jemand einen anderen um die Ecke, um sie von dem grässlichen Bürokram zu befreien?
Natürlich wünschte sie nicht wirklich, dass ein Mensch ermordet würde. Andererseits murksten doch ständig irgendwelche Menschen andere ab, warum also nicht hier und jetzt?
Sie starrte auf den Bildschirm, bis sie Kopfschmerzen bekam. Fluchte, schmollte, wütete, dann kürzte, fälschte, strich, addierte und manipulierte sie die Zahlen, bis das Ergebnis annähernd dem lächerlich bescheidenen Budget des Dezernats entsprach.
Sie waren zwar Mordermittler, dachte sie erbost, aber die Abteilung lebte schließlich nicht von Blut.
Als der Finanzplan stand, wandte sie sich den Spesenabrechnungen ihrer Leute zu.
Glaubte Baxter etwa allen Ernstes, dass sie fast vierhundert Dollar für ein Paar Schuhe lockermachen würde, nur weil seine eigenen Schuhe seit einer Verfolgungsjagd durch einen Abwasserkanal hinüber waren? Und warum zum Teufel hatte Reineke einer Bordsteinschwalbe für Informationen fast das Doppelte wie üblich bezahlt?
Sie unterbrach die Arbeit, holte sich den nächsten Becher Kaffee und starrte ein paar Minuten in das Unwetter hinaus. Zumindest war sie nicht dort draußen und musste sich wie ein nasser Korken in einen der ruckeligen Pendelflieger quetschen oder sich mit ihren Ellenbogen einen Weg durch das Gedränge auf einem der Bürgersteige bahnen, auf denen inzwischen knöchelhoch das Wasser stand. Dann wäre sie bis auf die Haut durchnässt und würde dampfen wie ein Schornstein, denn trotz des höllischen Gewitters war auch dieser Sommertag des Jahres 2060 brütend heiß.
Mit solchen Überlegungen versuchte sie nur, Zeit zu schinden, dachte sie erbost, und stapfte zurück an ihren Arbeitsplatz. Schließlich wollte sie mit der Arbeit vor Beginn der Feier fertig sein. Ihr und ihrer Partnerin würden an diesem Nachmittag Medaillen verliehen. Dabei hätte Peabody viel mehr verdient, immerhin hatte sie dafür gesorgt, dass ein Ring korrupter Polizisten entlarvt worden war.
Anders als der lästige Papierkram, der ein Nachteil ihrer Position als Lieutenant war, war das Recht, verdienstvolle Kolleginnen oder Kollegen für eine besondere Ehrung vorzuschlagen, eindeutig ein Vorteil ihres Jobs. Sie könnte den Moment der Verleihung reinen Gewissens und mit freiem Kopf genießen, wenn sie bis zum Nachmittag mit dem verdammten Schreibkram fertig war.
Sie wünschte sich, sie hätte einen Schokoriegel, aber bisher hatte sie noch keinen neuen Platz gefunden, wo ihr Süßigkeitenvorrat vor dem hundsgemeinen Schokoriegeldieb zumindest halbwegs sicher war. Vor allem aber wünschte sie, sie könnte Peabody einen Teil des lästigen Papierkrams überlassen wie damals, bevor sie ihre Partnerin geworden war.
Doch diese Zeiten waren endgültig vorbei.
Sie versuchte, wieder Zeit zu schinden, gab sie widerstrebend zu, und fuhr sich mit den Fingern durch das wirre, kurze braune Haar.
Schließlich kämpfte sie sich weiter durch die Spesenabrechnungen und schickte sie den zuständigen Stellen. Jetzt waren sie nicht mehr ihr Problem, sagte sie sich und atmete erleichtert auf. Sie hatte wirklich viel geschafft. Für die dämlichen Bewertungsbögen wäre später auch noch Zeit.
»Computer aus«, wies sie die Kiste an.
Ungültiger Befehl.
»Ich bin mit meiner Arbeit fertig.«
Diese Aussage ist falsch. Laut vorherigem Befehl müssen sämtliche Berichte und Bewertungen vollständig abgeschlossen sein, bevor der Computer heruntergefahren werden kann. Dieser Befehl von Lieutenant Eve Dallas kann nur aufgehoben werden, falls ein Feuer ausbricht, Terroristen diese Wache überfallen, es eine Invasion durch Aliens gibt oder ein aktueller, noch nicht abgeschlossener Fall ihre Aufmerksamkeit verlangt .
Hatte sie das tatsächlich angeordnet?
»Ich habe es mir anders überlegt.«
Ein Meinungswechsel, Müdigkeit, Langeweile oder irgendwelche anderen lahmen Ausreden werden auf Ihren eigenen Befehl nicht akzeptiert .
»Ach, leck mich doch .«, murmelte Eve.
Ungültiger Befehl .
»Meinetwegen, also gut. Computer, dann spuck alle bisherigen Bewertungen in alphabetischer Reihenfolge für sämtliche Beamten der Abteilung aus.«
Entschlossen arbeitete sie sich durch die Dateien. Denn schließlich hatte sie den dämlichen Befehl extra gegeben, damit sie gezwungen wäre durchzuhalten - und weil jeder ihrer Leute verdient hatte, dass er von ihr eine solide und gerechte Beurteilung bekam.
Sie hatte Baxter und die zwei Carmichaels abgehakt, doch ehe sie mit Jenkinson beginnen konnte, klopfte es an ihrer Tür und Peabody betrat den Raum.
Stirnrunzelnd hob sie den Kopf. »Was ist? Haben wir eine Alieninvasion?«
»Nicht dass ich wüsste, nein. Aber hier ist ein junger Mann. Er ist völlig fertig und behauptet, dass er nur mit Ihnen sprechen darf. Er sagt, es gehe um Leben und Tod.«
»Ach ja?«, erkundigte sie sich und wies dann ihre Kiste fröhlich an: »Computer, es geht um Leben und Tod. Also speicher die Daten gefälligst ab und fahr dann runter, ja?«
Ich brauche eine Bestätigung dafür, dass das keine faule Ausrede von Ihnen ist.
»Peabody, sagen Sie diesem blöden Kasten, dass da draußen jemand steht, der dringend meine Hilfe braucht.«
»Ah, Computer. Detective Delia Peabody erbittet die Hilfe des Lieutenants in einer dringenden Angelegenheit.«
Bestätigung akzeptiert. Daten werden gespeichert und Computer wird dann ausgestellt .
Eve schlug mit der flachen Hand auf das Gerät. »Es ist einfach erbärmlich, wenn der eigene Computer einem so misstraut.«
»Das haben Sie ihm selbst befohlen, um keine Möglichkeit zu haben, sich vor der Büroarbeit zu drücken.«
»Trotzdem . Na, dann schicken Sie den jungen Mann mal rein.«
Stolpernd kam er angerannt. Ein dünner junger Kerl von vielleicht Ende zwanzig mit verfilzten Dreadlocks, schlabberigen roten Shorts, Gel-Flipflops, silbernem Lippenpiercing sowie einem schmuddeligen weißen Tanktop, unter dem man tätowierte Oberarme sah. Sein schmales, kreidiges Gesicht glänzte vor Schweiß.
»Sind Sie Dallas? Lieutenant Eve Dallas, Mordermittlerin bei der New Yorker Polizei?«
»Genau die bin ich. Worum .«
Er brach in lautes Schluchzen aus. »Er hat gesagt . er hat gesagt . ich dürfte nur mit Ihnen reden. Ich müsste zu Ihnen gehen. Er hat sie in seiner Gewalt. Er hat Julie in seiner Gewalt. Und wenn Sie nicht mitkommen, bringt er sie um. Er hat gesagt, wir hätten eine Stunde Zeit, und ich habe schon eine halbe Stunde gebraucht, um hierherzukommen.«
Seine Stimme überschlug sich, und er zitterte wie Espenlaub.
Eilig stand Eve auf und drückte ihn auf ihren Schreibtischstuhl. »Immer mit der Ruhe. Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal. Wie heißen Sie?«
»Tray. Tray Schuster.«
»Wer ist er?«
»Keine Ahnung. Er war einfach da, in meiner Wohnung. Unserer Wohnung. Julie ist erst letzte Woche bei mir eingezogen. Als wir wach wurden, stand er an unserem Bett und hat uns dort gefesselt. Dann hat er gefrühstückt, und er . ach, egal. Wenn Sie nicht mitkommen, bringt er Julie um. Ich habe ganz vergessen, dass ich Ihnen noch was sagen soll. Und zwar: >Damit läutet er die zweite Runde ein.< Bitte, er hat ein Messer. Er wird sie damit in Stücke schneiden. Wenn Sie sich nicht innerhalb von einer Stunde blicken lassen oder jemand anderes an Ihrer Stelle kommt, bringt er Julie um.«
»Wo sind die beiden jetzt?«
»In meiner Wohnung. Unserer Wohnung, meine ich.«
»Und wo ist Ihre Wohnung, Tray?«
»258 Murray Street.«
Die Adresse sagte ihr etwas. Plötzlich drehte sich ihr Magen um. »Apartment 303?«
»Ja, genau.« Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. »Woher wissen Sie .«
»Bleiben Sie hier, Tray.«
»Aber .«
»Bleiben Sie sitzen, ja?«
Sie ging hinüber in ihr Dezernat und sah sich suchend um.
»Peabody, Baxter, Trueheart, Carmichael, Sanchez. Egal, was Sie gerade machen, hören Sie damit auf und kommen Sie mit. Ein gewisser Isaac McQueen hat eine Frau als Geisel. 258 Murray Street, Apartment 303. Der Verdächtige ist bewaffnet und extrem gefährlich. Weitere Informationen gibt es unterwegs, da uns der Verdächtige ein Zeitlimit gesetzt hat. Carmichael, Sanchez, holen Sie den Zeugen aus meinem Büro und nehmen Sie ihn in Ihrem Wagen mit. Peabody, Sie fahren mit mir. Auf geht's!«
»Isaac McQueen?« Peabody musste fast rennen, um nicht hinter Eve zurückzufallen. »Der Sammler? Aber der sitzt doch in Rikers....
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