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Für Fans von Mario Vargas Llosa und Gabriel García Márquez
Philippinen, Ende des 19. Jahrhunderts: Der junge, idealistische Ibarra kehrt nach sieben Jahren Studium aus Europa in seine Heimat zurück - voller Erneuerungsdrang für sein Land und im Liebesrausch für die schöne María Clara. Doch seine Hoffnungen werden schnell zerschlagen, denn die von ihm so geliebte Gesellschaft ist zerfressen von Korruption, Unterdrückung und religiösem Dogmatismus. Nicht das philippinische Volk hält die Zügel in der Hand, sondern die spanischen Kolonialherren mitsamt ihrem machtbesessenen katholischen Klerus. Ibarras Vorhaben, eine Schule zu bauen, eskaliert zu einer Spaltung zwischen Kirche, Gouverneuren und dem einfachen Volk, und viel zu spät erkennt er, wie sich seine private Fehde mit dem Gemeindepfarrer in eine infernale Intrige verwandelt. Erst als sich auch María Clara von ihm abwendet, wird Ibarra bewusst, welch mächtigem Gegner er sich gegenübersteht.
Noli me tangere ist ein revolutionärer Widerstandsroman und eines der frühesten literarischen Zeugnisse der Kritik am Kolonialismus. José Rizal musste die Veröffentlichung mit dem Leben bezahlen und wurde zum Märtyrer der Philippinen. Mit seiner erzählerischen Opulenz, seinem Humor und seinem unhintergehbaren Glauben an die Menschlichkeit strahlt der Roman weit in die Gegenwart hinein.
3.
Jele jele bago quiere
Bruder Sybila schien sehr zufrieden. Sein Gang war gelassen, und von seinen schmalen, verkniffenen Lippen war der Ausdruck der Verachtung gewichen. Er ließ sich sogar herbei, mit dem hinkenden Doktor de Espadaña zu sprechen, der nur einsilbige Antworten gab, da er ein wenig stotterte. Der Franziskaner war grässlicher Laune, er schob die Stühle mit dem Fuß aus dem Wege und stieß einem Kadetten sogar den Ellbogen in die Seite. Der Teniente war ernst, die andern plauderten angeregt und lobten die prächtige Tafel. Nur Doña Victorina rümpfte verächtlich die Nase, aber gleich darauf fuhr sie wütend herum und zischte wie eine Schlange: »Haben Sie keine Augen im Kopf?«
Der Teniente war ihr auf die Schleppe ihres Kleides getreten.
»Doch, Gnädigste, und sogar bessere als Sie, aber ich habe mir nur eben Ihre Löckchen da angesehen«, erwiderte der Offizier nicht gerade galant und ließ sie stehen.
Instinktiv und vielleicht aus Gewohnheit gingen die beiden Geistlichen auf das obere Ende der Tafel zu, und es kam, wie es kommen musste - wie bei den Bewerbern um einen Lehrstuhl, die den Gegner in höchsten Tönen preisen, aber das Gegenteil zu verstehen geben und dann sehr ungehalten sind, wenn sie den Lehrstuhl nicht ergattern.
»Nach Ihnen, Bruder Dámaso!«
»Nach Ihnen, Bruder Sybila!«
»Der älteste Freund des Hauses . Beichtvater der Verstorbenen . Alter, Amt und Würden .«
»Nun ja, so alt auch wieder nicht, aber dafür sind Sie der Pfarrer von Binondo«, entgegnete Bruder Dámaso säuerlich, ohne jedoch den Stuhl loszulassen.
»Da Sie es befehlen, gehorche ich«, beendete Pater Sybila den Disput und machte Anstalten, sich zu setzen.
»Ich befehle es durchaus nicht«, ereiferte sich der Franziskaner, »ich befehle es durchaus nicht.«
Bruder Sybila überhörte den Einwand und wollte gerade Platz nehmen, als er dem Blick des Teniente begegnete. Auf den Philippinen steht nach geistlicher Auffassung selbst der höchste Offizier noch unter dem geringsten Laienbruder. >Cedant arma togae<, Zivilgewalt vor Militärgewalt, sagte Cicero im Senat. >Cedant arma cottae<, Priesterrock vor Soldatenrock, sagen die Geistlichen auf den Philippinen. Aber Bruder Sybila war ein höflicher Mensch, deshalb meinte er: »Señor Teniente, wir sind hier in der Welt und nicht in der Kirche, der Platz gebührt Ihnen.«
Aber seinem Tonfall war zu entnehmen, dass ihm der Platz auch in der Welt gebührte. Der Teniente, sei es, weil ihm das Ganze lästig war, sei es, weil er keine Lust hatte, zwischen zwei Klosterbrüdern zu sitzen, winkte ab.
Keiner der Ehrenplatzanwärter hatte an den Hausherrn gedacht. Ibarra sah, wie er zufrieden schmunzelnd die Szene beobachtete.
»Wie, Don Santiago, setzen Sie sich nicht zu uns?«
Aber alle Plätze waren schon besetzt: Lukullus ging leer aus in seinem eigenen Hause.
»Nicht doch, bleiben Sie sitzen«, sagte Capitán Tiago und legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Ich gebe das Fest ja eigens, um der Jungfrau für Ihre Heimkunft zu danken.« Er befahl, die Tinola aufzutragen. »Die Tinola habe ich Ihretwegen bestellt, Sie haben sicherlich schon lange keine mehr gegessen.«
Eine große dampfende Terrine wurde hereingebracht. Der Dominikaner murmelte das Benedicite, auf das fast niemand richtig zu antworten wusste, und begann dann, die Suppe auszuteilen. Aber sei es aus Versehen oder welchem Grund auch immer, Pater Dámaso bekam einen Teller, wo zwischen reichlich Kürbis in dünner Suppe ein fleischloser Hals und ein zäher Flügel schwammen, während die anderen Brust und Keulen aßen, besonders Ibarra, dem die besten Stücke zufielen. Dem Franziskaner entging das nicht, er zerdrückte den Kürbis, nahm ein wenig von der Suppe, ließ klirrend den Löffel fallen und schob den Teller mit einem Ruck von sich. Der Dominikaner unterhielt sich angelegentlich mit dem Blonden.
»Wie lange waren Sie von zu Hause fort?« fragte Laruja.
»Fast sieben Jahre«, antwortete Ibarra.
»So lange, da haben Sie Ihr Heimatland wohl schon ganz vergessen?«
»Ganz im Gegenteil, und obwohl mir schien, meine Heimat hätte mich vergessen, habe ich immer an sie gedacht.«
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte der Blonde.
»Ich will sagen, dass ich seit einem Jahr keine Nachrichten mehr von hier erhalten habe, sodass ich jetzt wie ein Fremder bin, der nicht einmal weiß, wie und wann sein Vater gestorben ist.«
»Ach!« rief der Teniente aus.
»Aber wo waren Sie denn, dass Sie nicht telegrafiert haben?« wollte Doña Victorina wissen. »Bei unserer Heirat haben wir nach Spanien telegrafiert.«
»In den letzten zwei Jahren war ich im nördlichen Europa, in Deutschland und Polen, Señora.«
Doktor de Espadaña, der es bis jetzt nicht gewagt hatte zu sprechen, hielt es für angebracht, etwas zu sagen. »In Spanien ka.kannte ich einen Polen aus Wa.Warschau, Sta.Statnitzky mit Namen, wenn ich mich recht entsinne, haben Sie ihn zu.zufällig getroffen?« fragte er schüchtern und fast errötend.
»Das ist gut möglich«, gab Ibarra liebenswürdig zurück, »aber im Augenblick kann ich mich nicht erinnern.«
»Er war bestimmt nicht zu ver.verwechseln«, fügte der Doktor, mutiger geworden, hinzu. »Er hatte goldblondes Haar und spra.sprach sehr schlecht Spanisch.«
»Das mag wohl sein, aber leider habe ich drüben kaum ein Wort Spanisch gesprochen, außer auf ein paar Konsulaten.«
»Ja wie haben Sie sich dann verständigt?« fragte Doña Victorina erstaunt.
»In der Sprache des Landes, Señora.«
»Sprechen Sie auch Englisch?« wollte der Dominikaner wissen, der in Hongkong gewesen war und gut Pidgin-Englisch konnte, diese Verballhornung der Sprache Shakespeares durch die Söhne des Reiches der Mitte.
»Ich bin ein Jahr in England gewesen, unter Leuten, die nur Englisch sprachen.«
»Und welches Land in Europa gefällt Ihnen am besten?« fragte der Blonde.
»Nach Spanien, meinem zweiten Vaterland, jedes Land des freien Europa.«
»Und, da Sie doch so weit herumgekommen sind . sagen Sie, was fanden Sie am bemerkenswertesten?« wollte Laruja wissen.
Ibarra dachte nach.
»Bemerkenswert, in welcher Hinsicht?«
»Zum Beispiel, was das Leben in diesen Ländern angeht, das gesellschaftliche, politische, religiöse Leben, das Leben dort überhaupt, in seinem Wesen, in seiner Gesamtheit .«
Ibarra überlegte eine Weile.
»Offengestanden, bemerkenswert in diesen Ländern, wenn man vom jeweiligen Nationalstolz absieht . Bevor ich ein Land bereiste, suchte ich seine Geschichte kennenzulernen, seinen Werdegang sozusagen, und danach fand ich alles eigentlich ganz natürlich. Ich habe immer gesehen, dass Wohlstand oder Elend eines Volkes in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Freiheiten oder Vorurteilen stehen, folglich also mit den Opfern oder dem Egoismus seiner Vorfahren.«
»Und sonst hast du nichts gesehen?« fragte höhnisch lachend der Franziskaner, der seit dem Beginn der Mahlzeit kein Wort mehr gesprochen hatte - vielleicht, weil er durch das Essen abgelenkt war. »Da hast du dein Vermögen umsonst vergeudet! So viel weiß schon jeder Bala in der Schule.«
Ibarra starrte ihn an und wusste nicht, was er sagen sollte. Die übrigen Gäste blickten bestürzt vom einen zum andern und befürchteten eine Szene. - Das Essen ist bald vorüber, und Hochwürden haben sich wohl den Magen überladen, hätte der junge Mann am liebsten erwidert, er hielt jedoch an sich und sagte nur: »Meine Herrschaften, die Vertraulichkeit, mit der unser früherer Pfarrer mich behandelt, darf Sie nicht verwundern, so sprach er schon mit mir, als ich noch ein Kind war, und für Seine Hochwürden zählen die Jahre nicht. Ich bin ihm aber dankbar dafür, denn es erinnert mich lebhaft an die Zeit, als Seine Hochwürden in unserem Haus aus und ein ging und dem Tisch meines Vaters Ehre erwies.«
Pater Sybila beobachtete verstohlen den Franziskaner, der zu zittern begonnen hatte. Ibarra erhob sich und fuhr fort: »Sie gestatten, dass ich mich zurückziehe, denn da ich eben erst...
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