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Kapitel 2
Zeit für Fragen bleibt mir keine, denn jetzt geht in der Cafeteria ohne Vorwarnung das Licht aus. Mein Herz setzt für ein paar Schläge aus. Das auch noch? Gerade als ich geglaubt hatte, das Schlimmste läge hinter mir! Mein Leben zieht vor meinen inneren Augen vorbei. Alles, was ich erlebt, alles, was ich versäumt habe . Heute ist wirklich kein guter Tag, um zu sterben!
Ich höre, wie die anderen sich durch den Raum bewegen. Schritte. Gegenstände, die über den Boden gerückt werden. Dann JCs Stimme - er ist unser mehr oder weniger selbst ernannter Chef: »V, wir brauchen Strom! Schnell!«
Strom, Strom! Sehr witzig. Ein paar Sekunden verharre ich wie festgefroren und als ich mich endlich in Bewegung setze, stoße ich mich an allem Möglichen, unter anderem an der Wand. Dieses verflixte Raumschiff! Aus der Ferne spöttelt JC: »Na komm, V, du bist doch kein blutiger Anfänger mehr. Wie ein Sicherungskasten funktioniert, weißt du, oder?«
Natürlich weiß ich das. Ich weiß auch, wie er aussieht. Aber im Dunkeln in diesem Labyrinth von einem Raumschiff, auf dem ich mich immer noch nicht auskenne, gestaltet sich die Sache zwangsläufig etwas schwierig. Ich muss mich beherrschen, um nicht sauer zu werden. Aber bestimmt wartet JC auf nichts anderes, damit er mir eins auswischen kann. Also hole ich tief Luft und konzentriere mich auf die Suche.
»Links von dir, glaube ich.« Ein leises, aber deutlich vernehmbares Murmeln. Das ist Docs Stimme. Sie ist immer zur Stelle, wenn ich mal Hilfe brauche. Ich folge ihrem Rat und voilà, da ist der Sicherungskasten. Der Hauptschalter klemmt und ich muss ein wenig Gewalt anwenden, aber dann kippt er endlich. Ein Klacken ertönt, der Strom geht wieder an - und es ward Licht. Ich grinse über beide Ohren und finde, ich kann stolz auf mich sein.
Als ich mich umdrehe, steht die Crew hinter einem der Kantinentische. Durch mein klebriges Visier erkenne ich, dass die Mehrzahl von ihnen bunte, lächerlich aussehende Hütchen aufgesetzt hat. Neben JCs schwarzem Raumanzug entdecke ich Ballons in allen Farben. Auf der Tischdecke stehen Getränke. Was soll dieser Hokusp.
»Alles Gute zum Geburtstag, lieber V!«, erschallt es im Chor.
Ich schwankte zwischen Freude und blanker Wut. Einerseits bin ich hin und weg, dass meine Kollegen an mich gedacht und mir sogar eine kleine Überraschung vorbereitet haben. Andererseits könnte ich sie allesamt erwürgen. »Der ganze Stress DAFÜR?«, möchte ich schreien. Weil mir aber sehr wohl bewusst ist, dass mir diese Reaktion nichts als Scherereien bringen würde, entscheide ich mich für die sanftmütigere Variante.
»Wow . Danke. Wenn ich das geahnt hätte!«, bringe ich schließlich hervor.
In Wahrheit fühle ich mich beschämt. Wenn meine Kollegen wüssten, was mir alles durch den Kopf geschossen ist! Immerhin war ich bis vor fünf Minuten davon überzeugt, Aliens hätten die Kontrolle über das Schiff übernommen oder einer von uns hätte einen Rappel gekriegt und würde mit einer Axt auf die anderen losgehen. Etwas Katastrophales in dieser Größenordnung jedenfalls. Zum Glück kann ich meine verworrenen Theorien für immer in den Tiefen meiner Hirnwindungen verschwinden lassen, dort, wo sie niemand findet.
»Habe ich es nicht gesagt?«, kommentiert JC. »Er sieht nicht gerade beglückt aus.«
»Doch, doch. Ich freue mich. Wirklich.«
»Echt?«, fragt Flavius. »Es wirkt aber nicht so.«
»Doch, na klar. Es ist nur .«
»Wir haben dir ganz schön Angst eingejagt, was?«, grinst Janelle.
»Kein bisschen!«, kommt meine Antwort wie aus der Pistole geschossen - viel zu schnell, als dass mir irgendjemand glauben würde.
»Du kannst es ruhig zugeben, V. Ich habe genau gesehen, wie mulmig dir zumute war, als wir uns auf der Brücke begegnet sind.«
»Als du mich im Frachtraum gesehen hast, warst du auch misstrauisch«, fügt Flavius hinzu.
»Mann!« Jetzt werde ich doch laut. »Ist heute mein Geburtstag oder wollt ihr mir hier den Prozess machen?«
So bin ich. Wenn ich mich gehänselt fühle, gehe ich an die Decke. Das ist mit Sicherheit eine meiner größten Schwächen. Ich arbeite dran, okay? Aber es ist nicht immer ganz leicht, sich seinem Naturell zu widersetzen.
»Jetzt essen wir erst mal den Kuchen, ehe die Glasur noch völlig schmilzt«, unterbricht uns Doc.
Ein Glück gibt es Doc. Ich weiß gar nicht, wie ich die Jahre überlebt habe, in denen wir uns aus den Augen verloren hatten. Es hat mir wahnsinnig gefehlt, jemanden zu kennen, auf den ich mich zu hundert Prozent verlassen kann.
Janelle schneidet den riesigen Kuchen an (er wird uns garantiert tagelang reichen) und Henry, der Älteste von uns, macht sich in seinem blütenweißen Raumanzug daran, die Stücke auf Teller zu stürzen und an uns zu verteilen.
Mein Puls nähert sich allmählich wieder einer gesunden Frequenz an. Es wäre in meinem eigenen Interesse, wenn Situationen wie eben nicht allzu häufig vorkämen. Ich weiß nämlich nicht, ob mein Herz das auf Dauer verkraften würde. Ich bin von Natur aus ein ängstlicher Mensch. Überraschungen und unvorhergesehene Zwischenfälle stressen mich. Ich vermeide sie, wo ich nur kann. Genau deshalb habe ich auf einem Patrouillenschiff angeheuert. Bei diesem Job passiert nichts Aufregendes. Alles ist Routine. Ich erfülle jeden Tag meine Aufgaben und lebe in aller Ruhe mein Leben, ganz einfach. Klar, wenn man sich ein Raumschiff mit der dazugehörigen Crew teilt, dann birgt das Potenzial für Reibereien. Ganz zu vermeiden ist das wohl nie. Es sei denn, man lebt allein wie ein Einsiedler, wozu ich mich dann doch wieder nicht in der Lage fühle. Im Leben muss man Kompromisse schließen, stimmt's?
»Sorry. Esch war meine Idee.« Doc setzt sich neben mich, die Backen voller Kuchen. Sie hat das Visier ihres braunen Raumanzugs hochgeklappt, während sie isst. Meines ist, wie mir dabei auffällt, noch immer geschlossen und verschmiert. Dieser blöde Alarm!
»Hm?«, mache ich schließlich.
»Die Überraschung. Entschuldige. Es war meine Schuld. Ich dachte, du freust dich«, sagt sie zwischen zwei Bissen.
»Ach, mach dir bitte keinen Kopf. Das ist total lieb von euch, wirklich. Es ist bloß .« Ich breche mitten im Satz ab.
Dann seufze ich. »Ich bin es einfach nicht gewohnt.«
»Oh. Hattest du keine Geburtstagsfeier mehr, seit .?«
Ich nicke.
»Es tut mir echt leid. Ich wollte keine hässlichen Erinnerungen wecken.«
»Schon okay, Doc, ehrlich. In Wirklichkeit tut es sogar gut, sich wieder auf die schönen Dinge einzulassen, glaube ich. Und selbst damals haben wir meinen Geburtstag eigentlich nie gefeiert. Sie waren ja kaum da.«
Doc legt ihren Löffel auf den Teller und dann ihren linken Arm um mich. Ich lächle unter meinem Helm, um nicht zu weinen. Mit dem verdreckten Visier könnte ich zwar unbemerkt ein paar Tränen vergießen, aber ein kleiner Rest an Selbstachtung bleibt mir noch. Doc drückt mich beinahe unmerklich noch etwas fester an sich. Ich glaube, in gewisser Weise fühlt sie sich schuldig. Schuldig, weil sie in den schweren Jahren nicht für mich da war. Sie konnte es ja nicht wissen .
Ich erinnere mich an ihr Gesicht, als ich es ihr ein paar Tage nach unserem großen Wiedersehen an Bord des Raumschiffs gesagt habe. Zuerst war sie ganz aus dem Häuschen, wollte mir unbedingt alles erzählen, von ihrem Biomedizinstudium, von ihrem erfolgreichen Abschluss, was ihre Eltern inzwischen machen . Als sie mich dann schließlich fragte: »Und du?«, da ist etwas in mir kaputtgegangen. Ich? Tja, mich hat man von Onkel zu Tante zu entfernten Bekannten weitergereicht, nachdem meine Väter bei einer Mission ums Leben gekommen sind. Diese Information habe ich ihr vor den Latz geknallt, einfach so, ohne Warnung oder Vorrede. Selbst nach all den Jahren weiß ich nie so recht, wie ich das Thema anschneiden soll. »Hallo, ich bin seit acht Jahren Waise«, das eignet sich als Aufhänger für ein Gespräch nur so mittelprächtig. Ich bin nicht gut darin, die Story spannend aufzubereiten oder mich gestelzt auszudrücken.
Doc stand der Schock ins Gesicht geschrieben, das habe ich selbst durch den Helm erkannt. Sie war wie erstarrt. Ihr fehlten die Worte. Das letzte Mal, als sie mich gesehen hatte, war ich der gewitzte elfjährige Nachbarsjunge, der ihr überall hinterherlief und für sie wie ein kleiner Bruder war. Sie kannte meine Väter damals gut. Na ja, sofern man sie gut kennen konnte - sie waren mal länger, mal kürzer, mal öfter, mal seltener weg.
Docs Fassungslosigkeit war bei unserem Wiedersehen trotzdem nur von kurzer Dauer. Sie hatte sich schnell wieder im Griff. Und seitdem sind wir Freunde, wie damals. Als wäre nichts gewesen, als hätten wir uns nie aus den Augen verloren, als wären keine acht Jahre vergangen.
Unser Schweigen, merke ich, ist auf einmal bleiern. Ich muss was sagen, um die Stimmung aufzulockern.
Ich versuche es mit: »Deiner Meinung nach muss man für eine gelungene Geburtstagsüberraschung also das Raumschiff sabotieren und den Alarm auslösen?«
Doc lässt den Arm sinken. »Nicht unbedingt. Ich wollte dir einfach nur eine Überraschung organisieren. Also habe ich bei den anderen nachgefragt und auch gleich ein paar willige Komplizen gefunden.«
»Flavius und Janelle?«
»Unter anderem. Es waren alle eingeweiht. Aber Janelle hat unser kleines Projekt erst so richtig in Gang gebracht.«
»Ich kann kaum glauben, dass JC euch das hat machen lassen«, sage ich matt.
»Dir ist schon klar, dass JC nicht wirklich unser Chef ist, oder? Er hat...
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