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Lo straniero nella cittadina - Der Fremde im Städtchen
Was für ein sanfter Morgen, dachte Luca, als er die Augen aufschlug. Das Morgenlicht floss durch die Ritzen der Fensterläden ins Schlafzimmer und durch die bei ihnen stets gekippten Fenster drang ein angenehm kühler Luftzug. Luca wandte sich zu Chiara und küsste sie sanft auf die nackte Schulter. Er liebte den Duft ihrer Haut. Sie atmete ruhig - bis er sie noch einmal küsste. Da rekelte sie sich und drehte sich zu ihm, ihre Hand auf seiner nackten Brust.
»Guten Morgen, Dottoressa«, flüsterte er, »ich glaube, Sie müssen in einer Stunde Ihre Praxis öffnen, und ich würde sehr gern vorab noch einen Caffè mit Ihnen trinken.«
Sie öffnete die Augen und lächelte ihn an.
»Ich denke, das sollte möglich sein, Commissario.« Sie gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange und flüsterte: »Obwohl, vielleicht sollten wir den Caffè lieber durch etwas anderes ersetzen .«
Er erwiderte ihren Kuss und nickte, dann umschlang er sie mit seinen Armen.
Zwanzig Minuten später standen sie beide auf, und während Chiara unter der Dusche verschwand, ging Luca zum Herd, um in seiner treuen alten Bialetti-Kanne Kaffee aufzusetzen. Dann ging er zu Emmas Zimmer und öffnete sachte die Tür. Doch das Bett war leer.
Er lächelte. Er hatte es schlicht vergessen - sie hatte die Nacht bei Emilia verbracht, ihrer besten Freundin. Also würde er sie heute nicht zur Schule bringen müssen - ein noch sanfterer Morgen.
Luca öffnete die Haustür und trat hinaus in den strahlenden Tag. Es war zum Glück noch nicht richtig heiß. Die letzten Tage waren geradezu unerträglich gewesen.
Die Wiese dampfte regelrecht, weil der Tau auf Gräsern und Sträuchern in der Morgensonne zu verdunsten begann. Luca wandte seinen Blick zum Tal. Dort unten lag Montegiardino im frühen Nebel, das kleine Städtchen, das er so liebte, es erwachte gerade. Selbst von hier oben war zu erkennen, dass die Gassen noch ruhig waren, doch das würde sich bald ändern, denn heute war Markttag. In einer Stunde würde das hektische Treiben beginnen, das diesem Tag so zu eigen war.
Als Luca den Blick über die Terrasse schweifen ließ, musste er lächeln. Auf dem Holztisch unter der Pergola standen noch die beiden Gläser und die leere Weißweinflasche des lokalen Winzers Tommaso. Sie hatten gestern Nacht lange draußen gesessen, und als sie die Lust aufeinander packte, waren sie irgendwann, weit nach Mitternacht, ins Haus geeilt, ohne aufzuräumen.
Die Kerzen am Leuchter waren nur noch Stummel, der Nachtwind hatte das Wachs auf dem ganzen Tisch verteilt.
Luca ging über die nasse Wiese, öffnete das Gatter und betrat die Weide. Sofort trabten deren drei Bewohner auf ihn zu.
»Buongiorno, meine Freunde!«, rief er lachend.
Es war wie immer Sergio, der ihn als Erster erreichte und mit seinem hellgrauen Maul anstupste. Luca streichelte dem großen Esel den Kopf und kraulte ihn ausgiebig hinterm rechten Ohr, was Sergio ganz besonders mochte. Dann begrüßte Luca Silvio und schließlich Matteo. Alle drei Esel bekamen ihre Streicheleinheiten.
»Hattet ihr eine gute Nacht?«, fragte er, und die großen, eleganten Tiere schienen zu nicken. Luca liebte ihre Klugheit. Er war davon überzeugt, dass sie ihn wirklich verstanden. Die dunkelbraunen Augen von Matteo blickten ihn so sanft an . Herrgott, er hätte nie gedacht, einmal so viel für Tiere empfinden zu können.
»Na, dann mache ich euch mal euer Frühstück«, sagte Luca und öffnete die Tür zu dem geräumigen Stall, in dem es schön kühl war. Die Esel hatten die Nacht, wie stets im Sommer, draußen auf der Weide verbracht. Sie schliefen immer nur kurze Zeit. Silvio lag dabei auf der Seite, die Beine lang ausgestreckt, während Matteo im Stehen ruhte. Sergio sonderte sich nachts immer ab, sodass ihn Luca tatsächlich noch nie schlafend auf der Wiese gesehen hatte; es war ein Phänomen. Nur im Winter hatte er Sergio dann und wann im Stall zwischen den beiden Holzbalken liegend ertappt.
Luca schüttelte mit einer großen Harke das Heu auf und gab es in die Futtertröge. Auf der Wiese fraßen die Tiere frisches Gras, doch zur Verdauung brauchten sie auch jede Menge trockenes Heu, sonst bekämen sie gesundheitliche Probleme. Deshalb achteten Luca und seine Tochter Emma immer darauf, dass die Tiere im Stall regelmäßig ihre Rationen bekamen.
Während die Esel zu fressen begannen, streichelte Luca sie alle noch einmal, dann nahm er die Bürste vom Hocker in der Ecke und striegelte sie. Als das geschafft war, verabschiedete er sich.
»Ciao, meine Lieben«, sagte er, »macht es gut. Emma kommt nach der Schule her, dann könnt ihr mit ihr Spaß haben.«
Zurück im Haus nahm Luca den Caffè vom Herd und trug die Kanne nach draußen. Er füllte zwei Tassen, während Chiara im Bademantel und mit einem Handtuch auf dem Kopf aus dem Bad kam.
»Ein richtig herrlicher Morgen«, sagte sie seufzend und setzte sich.
»Und was für einer«, erwiderte Luca. »Sehr passend nach dieser sehr, sehr schönen Nacht.«
»Wie geht es den Eseln?«, fragte Chiara.
»Mir geht es eigentlich recht gut«, erwiderte Luca. Sie mussten beide grinsen. Die Ärztin stand auf und drückte dem Polizisten einen Kuss auf den Mund. »Weißt du eigentlich, dass ich dich echt gern hab?« Sie schob sich von ihm weg und sah ihn liebevoll an.
»Letzte Nacht hatte es durchaus den Anschein, dass dem so sein könnte«, gab Luca zurück. »Und ich kann diese Zuneigung von ganzem Herzen erwidern.«
»Na, dann sind die Verhältnisse ja geklärt«, sagte Chiara und setzte sich wieder, ohne seine Hand loszulassen. Sie tranken beide einen Schluck Caffè und betrachteten in stummem Einverständnis die Landschaft, die sich in sanften Hügeln hinunterwand ins Tal, wo die Dächer der alten Häuser einander flüsternd anzustupsen schienen.
Hier oben aber war Natur pur: Die Weide, auf der die Esel nun wieder grasten, war mit hellgrünem Gras bewachsen, mit Bergkräutern und Stauden von Rosmarin und Thymian. Der Duft wehte zu ihnen herüber, vor allem jetzt, da die Sonne den Tau trocknete und lichter Nebel in der Luft hing.
Die Straße hinunter ins Tal war auf beiden Seiten von Zypressen gesäumt, die hoch und edel in den Himmel aufragten. Hier oben vor dem Haus hingegen standen vier alte Platanen, deren Rinden sich schälten. Sie spendeten an diesen heißen Tagen herrlichen Schatten. Zwischen ihnen befand sich der alte Brunnen, der sanft vor sich hin plätscherte. Nebenan lagen die Weinfelder des Winzers, und dahinter erstreckten sich die Olivenhaine der jungen Bauernfamilie Garaviglia. Wobei nebenan relativ war - Lucas nächster Nachbar war mindestens zehn Gehminuten entfernt.
Dies waren die Hügel über Montegiardino - es war ein Paradies.
»Ich glaube, ich muss hinunter«, sagte Chiara nach einem Blick ins Tal. »Da rollen schon die ersten Marktwagen an.«
»Und bevor du dich hinter denen anstellst . Du hast recht. Ist heute viel los?«
»Du weißt ja«, erwiderte Chiara, »Donnerstag ist mein langer Praxistag. Und dann ist es wie montags: Die Alten kommen vorm Markt noch schnell bei mir vorbei, weil ihnen irgendwo der Schuh drückt .«
». und sie aber eigentlich nur quatschen wollen.«
»Du sagst es.«
»Na, dann viel Spaß beim Klatsch. Wenn es etwas ganz Wichtiges zu wissen gibt - du weißt ja, wie du mich erreichst.«
»Und ob ich das weiß, Commissario«, erwiderte Chiara und ließ seine Hand los. Sie küssten sich zum Abschied, bevor sie ins Haus verschwand, um sich umzuziehen. Fünf Minuten später stieg sie in ihrer weißen Arbeitskluft und mit einer Arzttasche bewaffnet in das kleine Fiat-500-Cabrio, ließ den Motor an und fuhr winkend den Berg hinunter. Luca sah ihr eine Weile nach, bis nur noch ein sanftes Motorengeräusch zu hören war. Dann ging er ins Haus, um ebenfalls zu duschen und sich umzuziehen.
In der Dusche schloss er die Augen und genoss das kühle Wasser, das über seinen Körper rann. Es machte morgens seinen Kopf klar - zumal dieser Tag erneut sehr heiß werden sollte. Die ganze Toskana ächzte unter einer enormen Hitzewelle.
Immerhin durfte er dadurch annehmen, dass es für ihn wieder ein sehr ruhiger Tag würde. Die Hitze machte die Menschen so träge, dass sie nicht einmal mehr in der Lage waren, mit ihren Autos zu schnell über die Hauptstraße zu rasen. Seit Tagen versuchte jeder im Städtchen überflüssige Bewegungen zu vermeiden, möglichst nicht das Haus zu verlassen und sich - wenn es doch sein musste - dann wenigstens lange und entspannt im Schatten aufzuhalten, am besten auf der Terrasse von Fabios Bar. Dessen Eiswürfelverbrauch durfte ihm in den letzten Wochen die höchsten Einkaufskosten beschert haben.
Natürlich war es auch an kühleren Tagen nicht so, als triebe der Job des Polizisten von Montegiardino Luca in den...
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