Schweitzer Fachinformationen
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Familienvater Martin Reese pflegt ein ungewöhnliches Hobby. Er spürt die lang verschollenen Opfer von Serienkillern auf, gräbt ihre Überreste aus und meldet seinen Fund dann anonym der Polizei. Martin selbst sieht sich als aufrechter Kämpfer für die Gerechtigkeit, fast schon als Held. Bis er bei seinem nächsten Streifzug eine schockierende Entdeckung macht: Offenbar ist jemand bestens informiert über ihn und sein kleines Hobby. Martin muss erkennen, wie gefährlich es ist, einem Serienkiller ins Handwerk zu pfuschen ...
Diesmal dauerte es länger, die Grabungsstelle zu säubern. Zum Schlafen blieb mir daher nur wenig Zeit. Ich legte mich in meinem Zelt noch mal zwei Stunden aufs Ohr, bevor ich pünktlich um vier Uhr früh auf den Highway nach Seattle einbog - ausgerüstet mit einer Thermoskanne Kaffee und einigen dieser legalen Energydrinks, die bei Truckern so beliebt sind.
Vierzehn Stunden später befand ich mich kurz vor meinem Ziel. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich die Sporthalle schon fünfzig Minuten früher erreicht. Nur schien es dem Verkehr in Seattle nicht ganz so wichtig zu sein wie mir, dass meine Tochter rechtzeitig vom Schwimmtraining abgeholt wurde. Ich überprüfte im Rückspiegel noch mal, dass ich die Ausrüstung richtig verstaut hatte. Ja, nichts zu sehen außer den Campingsachen. Der ganze Rest war abgedeckt, kein Teil schaute irgendwo hervor. Den Laptop hatte ich wohlweislich unter die Rückbank gelegt statt darauf. Denn dorthin würde Kylie gleich ihre Sporttasche pfeffern. Ich ließ meinen Blick über die Sitze gleiten auf der Suche nach irgendwelchen Spuren, die ich vielleicht übersehen hatte - Erde oder schlimmere Dinge. Dank dieses Manövers hätte ich fast den alten Camry übersehen, der unerlaubterweise meine Fahrbahn kreuzte. Ich tippte die Bremse an, um sie dann komplett durchzutreten. Verständlicherweise versetzte das die Fahrer hinter mir ein wenig in Aufregung. Wildes Gehupe ertönte. Ich fuhr weiter, um schließlich am Bordstein direkt vor der Sporthalle zu halten.
»Du bist zu spät«, verkündete Kylie, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Sie ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und schleuderte mit geübtem Schwung die Sporttasche über die Schulter nach hinten. Prompt erwischte mich der Riemen der Tasche am Auge. Blinzelnd beobachtete ich, wie Kylie ihrer Freundin Danielle zuwinkte, wobei ich aus der Entfernung nicht ganz sicher war, ob es sich wirklich um Danielle handelte. Ebenso gut konnte das Ramona oder ein anderes Mitglied des Schwimmteams sein. Wenn sie vom Training kamen, sahen diese vierzehnjährigen Mädchen alle beunruhigend ähnlich aus mit ihren hochgeschlagenen Jackenkragen und den feuchten Haaren, die sie unter den Mützen verborgen hatten.
Kylie ließ ihre Schultasche in den Fußraum plumpsen. Dann drehte sie sich zu mir und musterte mich kritisch.
Natürlich grenzte es an Wahnsinn, meine Tochter die halbe Woche um fünf Uhr früh zum Seattle Athletic Club zu kutschieren und sie die andere Hälfte um siebzehn Uhr abzuholen. Väterlicher Ehrgeiz hätte mich nie dazu bewegen können, das zu tun. Liebe vermutlich auch nicht - jedenfalls nicht die Art von Liebe, die ich für Ellen, meine Frau, empfand. Aber für Kylie tat ich es. Eine Tatsache, die mich manchmal selbst erstaunte. In den letzten zwei Jahren war ich nur acht Mal zu spät gekommen. Heute war das neunte Mal.
Meine Tochter hatte die schmale Nase und den großzügig geschwungenen Mund ihrer Mutter geerbt. Von mir hatte sie die dunklen Brauen und diese hellblauen Augen. Wenn Kylie mich, wie jetzt, leicht kritisch anstarrte, wirkte es dank der zweifachen Ähnlichkeit, als würde ich auf eine Strafpredigt meiner Frau zusteuern, während ich gleichzeitig mein eigenes enttäuschtes Gesicht im Spiegel betrachtete.
»Fahr los, Dad. Bevor noch jemand zu uns rüberkommt und dich genauer ansieht. Quietschende Reifen und so, wenn du verstehst.«
Ich fuhr in normalem Tempo los, auch wenn die Botschaft angekommen war. »Tut mir leid. Ich komme direkt vom Zelten. Natürlich hätte ich an einer Raststätte angehalten und mich gewaschen, wenn ich geahnt hätte, dass dir das derart peinlich ist.«
»Wo warst du noch mal?«
»In der Nähe von Tacoma. Wirklich schön dort.« Was der Wahrheit entsprach - zumindest der halben Wahrheit. Ich hatte tatsächlich auf einem Campingplatz in Kent nahe Tacoma die Anmeldung ausgefüllt, alle Gebühren bezahlt und ein kleineres Zelt aufgebaut. Erst danach war ich weiter nach Kalifornien gefahren. Das machte ich immer so, wenn ich auf eine Grabung ging. Falls Ellen oder jemand anderes nachfragen sollte, konnte ich auf diese Weise sofort die nötigen Belege hervorziehen.
Sobald ich den offiziellen Teil erledigt hatte, folgte der inoffizielle. Ab diesem Punkt zahlte ich nur noch in bar. Außerdem >vergaß< ich normalerweise mein Handyladegerät. Das bewirkte, dass der GPS-Tracker, den wir alle ständig mit uns herumtragen, zeitgleich mit der Batterie schwächer wurde und schließlich ganz ausging. In anderen Fällen, wenn ich wusste, dass Ellen anrufen würde, setzte ich alles außer Gefecht, wodurch sich mein Standort ausfindig machen ließ. Nach zwanzig Jahren als Chef eines High-Tech-Unternehmens besaß ich - zusätzlich zu dem Haufen Geld auf meinem Konto - gewisse Fähigkeiten.
»Du bist zu spät gekommen, und du stinkst«, erklärte Kylie schließlich.
»Du stinkst auch.«
»Chlor stinkt nicht. Das ist nur ein Geruch.«
»Tja. Und ich verströme den Geruch nach Pinien, frischer Luft und dem Zauber des Outdoor-Lebens. Ist doch besser, als nach Zeug zu stinken, mit dem sie die Pisse im Wasser neutralisieren.«
»Du riechst wie ein ungewaschener alter Mann, Dad.« Seit wir losgefahren waren, hielt meine Tochter den Blick fest auf ihr Handy gerichtet. Ich dagegen sah nach vorn und konzentrierte mich auf den Verkehr. Aber an Kylies Stimme konnte ich erkennen, dass sie nur mühsam ein Lachen unterdrückte. Was mir ebenso ging. Seit etwa einem Jahr fochten wir dieses kleine Wortduell aus - ein munterer Austausch von Beleidigungen, die keiner von uns ernst meinte. Heute war jedoch das erste Mal, dass ich Kylie direkt nach einer Grabung abholte. Daher war es neu für mich mitzuerleben, wie die beiden wichtigsten Bereiche meines Lebens nahtlos ineinander übergingen. Denn neben der Erschaffung von Kylie - an der ich zugegebenermaßen einen ziemlich kleinen Anteil gehabt hatte - waren die Grabungen das Beste und Sinnvollste, was ich je getan hatte.
Als wir kurz vor unserem Haus waren, fragte ich Kylie etwas, das ich schon längst hätte fragen sollen, am besten direkt, als sie ins Auto gestiegen war. Dann hätte ich nämlich Zeit gehabt, mich vorzubereiten.
»Wie geht es Mom? Seid ihr gut klargekommen, während ich weg war?«
»Nö«, nuschelte Kylie und steckte sich das vierte Bio-Kaugummi in den Mund. Obwohl die Dinger nach nichts schmecken, kauft Ellen sie massenweise, um Zucker und Aspartam aus dem familiären Blutkreislauf fernzuhalten.
»Oh«, erwiderte ich.
Im gleichen Moment entdeckte ich Ellens Wagen, einen VW, der sich unserem Haus aus der entgegengesetzten Richtung näherte. Die untergehende Sonne sandte orangefarbene Strahlen durch das Rückfenster und verwandelte den Kopf meiner Frau in einen schwarzbraunen Schattenriss. Ich bremste und ließ den VW zuerst in die Garage fahren, bevor ich auch in die Auffahrt einbog.
Ellen wartete auf uns. Sie stand auf der kleinen Treppe, die von der Garage direkt ins Haus führte, und hielt in beiden Händen eine prall gefüllte Einkaufstüte. Den Riemen ihrer Handtasche hatte sie zwischen die Zähne geklemmt. Ich stieg schnell aus dem Jeep, während Kylie sich in der Kunst übte, möglichst lange für das Einsammeln ihrer Sachen zu brauchen. Als ich die beiden Stufen hochhoppelte, bemerkte ich, wie steif meine Arme und Beine waren. Kein Wunder, schließlich hatte ich die ganze Nacht gegraben und dann stundenlang hinter dem Steuer gesessen. Ich nahm Ellen ihre Tüten ab. Sie lächelte mir zu und griff nach dem Schlüssel für die Haustür.
»Hey«, sagte ich. »Laut unserer Tochter muss ich mit einer spannungsgeladenen Woche rechnen.« Ich sprach leise, obwohl Kylie noch immer im Auto saß. Vermutlich plante sie, dort zu bleiben, bis Ellen und ich in der Küche waren, um dann wortlos im oberen Stockwerk zu verschwinden.
»Oh«, erwiderte Ellen. »Mir war gar nicht klar, dass es hier um dich geht, Martin. Tut mir leid. Du Armer, du musst ganz schön unter uns leiden.« Noch während sie mich zurechtwies, begann meine Frau zu lächeln. Dann trat sie auf mich zu und küsste mich.
Ellen hielt die Rolle der genervten Mutter und Ehefrau nie lange durch. Dabei hätte sie eigentlich genug Übung darin haben sollen, denn inzwischen war es achtzehn Jahre her, dass sie aufgehört hatte, meine Freundin zu sein, und meine Frau geworden war.
»Du stinkst übrigens«, setzte sie hinzu.
»Das hat unsere Tochter auch gesagt.«
»Apropos unsere Tochter: Kylie und ich hatten am Samstag einen kleinen Streit. Eigentlich hätte es nur eine kurze Diskussion sein sollen. Aber wir waren beide müde, und dann ist das Ganze ausgeufert. Sie wollte mit Jhoti essen gehen und danach bei ihr zu Hause übernachten. Die Verabredung zum Essen hatte ich schon genehmigt. Aber das mit dem Übernachten war eine spontane Idee. Also habe ich Nein gesagt.«
»Im Sinne von: ausgeschlossen?« Wir betraten die Küche, und ich stellte die Tüten auf dem Tresen ab. Als ich die klebrigen Milchglasringe und die Tomatensoße-Spritzer auf der Arbeitsfläche bemerkte, begann ich, die Einkäufe einzeln rauszuziehen, um sie direkt in die Schränke zu stellen. Die Sauberkeit, speziell in der Küche, ließ häufig nach, wenn ich für einige Tage im Wald verschwand.
Als ich aufsah, bemerkte ich, dass Ellen mich beobachtete. Also änderte ich rasch meine Vorgehensweise und leerte die Tüten aus, damit wir die Einkäufe sortieren konnten. Ich war gut darin vorzutäuschen, dass mir gewisse Dinge gar nichts ausmachten.
»Wenn Kylie...
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