Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Bevor Charlotte aus dem Wagen stieg, klappte sie die Sonnenblende herunter und warf einen prüfenden Blick in den daran befestigten Spiegel. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte sie sich am Morgen sorgfältig geschminkt: Ein leichtes Makeup und etwas Rouge ließen ihr Gesicht frischer aussehen. Schwarze Mascara bewirkte, dass ihre Wimpern länger und dichter erschienen; ein mattroter Lippenstift betonte den Mund. Dem Friseurbesuch vom vergangenen Samstag verdankte ihr von grauen Strähnen dominiertes Haar den ursprünglichen Blondton und einen neuen Schnitt.
Zufrieden schob sie eine große Sonnenbrille auf die Nase und stieg aus dem Wagen. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick auf ihr Spiegelbild in einer Schaufensterscheibe, bevor sie die Straße überquerte. Nun waren es nur noch wenige Schritte bis zum Präsidium. Kaum hatte sie den Eingangsbereich betreten, schaute ihr ein älterer uniformierter Beamter, der hinter dem Tresen stand, neugierig entgegen.
»Guten Tag«, sprach er sie freundlich an. »Kann ich etwas für Sie tun?«
»Ich möchte zu Hauptkommissar Bremer.«
»Werden Sie erwartet?«
»Nein, ich möchte ihn überraschen«, erwiderte sie und schob die Sonnenbrille nach oben in ihr Haar.
»Frau Stern!«, rief er erstaunt aus. »Ich habe Sie gar nicht erkannt. Sie sehen toll aus. Der Ruhestand scheint Ihnen gut zu bekommen.«
»Darauf können Sie wetten, Herr Welsch. Rufen Sie bitte oben an und sagen Herrn Bremer, dass hier jemand auf ihn wartet? - Aber nicht verraten, dass ich es bin.«
»Mit Vergnügen.«
Schon griff er zum Hörer. Während er telefonierte, schlenderte Charlotte die wenigen Schritte zum Wartebereich, trat ans Fenster und schob die Sonnenbrille wieder auf die Nase.
Die Besucherin musste nicht lange warten, bis sie Schritte in ihrem Rücken vernahm. Langsam drehte sie sich herum.
»Hauptkommissar Bremer«, stellte sich der ehemalige Kollege im Näherkommen vor.
Sie bemerkte, dass er sie in Sekundenschnelle taxierte. Sein Blick glitt von ihrem Gesicht über das elegante, beigefarbene Kostüm und blieb etwas länger auf ihren Beinen haften, ehe er auf Augenhöhe zur Ruhe kam. Charlotte wusste jedoch, dass er die dunklen Gläser nicht durchdringen konnte.
»Sie wollten mich sprechen?«
Auf ihren hohen Pumps schritt sie ihm entgegen.
»Warum denn so förmlich, Hannes?«
Seine Brauen hoben sich überrascht.
»Charly? Bist du das wirklich?«
»Live und in Farbe«, erklärte sie lachend, wobei sie die Sonnenbrille von der Nase zog. »Überrascht?«
»Aber hallo! Du siehst umwerfend aus. Hast du einen neuen Verehrer? - Ich meine, außer unserem Schnippler?«
»Das erzähle ich dir später. Können wir in dein Büro gehen? Ich muss was mit dir besprechen.«
Der Lift brachte sie in die vierte Etage.
»Kannst du das Riesenteil noch mal aufsetzen?«, bat Hannes im Flur. »Ich möchte mal testen, wie die Kollegen reagieren, wenn ich mit so einer heißen Braut angerauscht komme.«
»Kindskopf«, tadelte sie ihn, kam seiner Bitte aber nach.
Hannes legte seinen Arm um ihre Schultern und führte sie in sein Arbeitszimmer. Er warf nur einen kurzen Blick durch die große Glasscheibe, die sein Büro von dem der beiden Teamkollegen trennte.
»Pia und Martin beobachten uns.«
»Dann sollten wir ihnen etwas bieten«, sagte Charlotte, setzte sich auf die Schreibtischkante und schlug die Beine dekorativ übereinander.
»Ich glaube, das genügt schon, Charly, sonst fallen ihnen noch die Augen aus dem Kopf. Ich hole uns mal einen Kaffee.«
Durch die Verbindungstür betrat er das Büro der Kollegen.
»Wer ist die Klassefrau?«, fragte Martin sofort. »Eine Zeugin?«
Mit stoischer Gelassenheit griff Hannes nach der Warmhaltekanne und schenkte zwei bunte Keramikbecher voll.
»Negativ«, sagte er dabei. »Die Dame ist aus privaten Gründen hier.«
»Kennst du sie schon länger? Ist sie deine neueste Flamme?«
»Wir sind alte Freunde.«
»Und warum trägt sie eine Sonnenbrille?«, wollte Pia wissen. »Möchte sie nicht erkannt werden?«
»Sie ist ein Promi!«, warf Martin ein, bevor Hannes antworten konnte. »Habe ich recht?«
»Im gewissen Sinne . ja.« Mit ernster Miene griff er nach den Kaffeebechern. »Kommt mit, ich stelle euch vor.«
Zusammen betraten sie sein Büro. Dort setzte er die Tassen auf dem Schreibtisch ab.
»Das sind meine Kollegen Pia Wagner und Martin Drews.«
Freundlich nickte Charlotte beiden zu, sagte aber kein Wort.
»Sie wollen wissen, mit wem sie es hier zu tun haben.«
»Als gute Kriminalisten sollten sie das eigentlich selbst rausfinden können.«
»Nee, oder?« Verblüfft blickte Martin sie an. »Charly! Deine dunkle Stimme würde ich unter Tausenden erkennen.«
»Wenigstens mal ein Ermittlungserfolg«, meinte Hannes trocken, während Charlotte die Brille abnahm. »Ich war genauso überrascht wie ihr. Allerdings kenne ich den Grund für ihre Veränderung auch noch nicht.«
Langsam rutschte Charlotte vom Schreibtisch und entfernte sich einige Schritte.
»Was seht ihr?«, fragte sie und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Wie würdet ihr mich beschreiben, wenn ich eine Fremde wäre?«
»Elegant«, sagte Pia. »Eine elegante Dame.«
»Schlank«, fügte Martin hinzu, wobei er sie musterte »Und gepflegt.« Sein Blick wanderte tiefer. »Seit wann hast du diese tollen Beine?«
»Lenk nicht ab«, tadelte sie ihn. »Was fällt euch sonst noch auf? Hannes?«
»Ich würde sagen: eine Frau aus besseren Kreisen, wohlhabend, geschmackvoll, aber nicht übertrieben auffällig gekleidet, legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres, treibt Sport, um in Form zu bleiben.« Seine Augen glitten noch einmal über ihre Gestalt. »Warum trägst du eigentlich sonst immer Hosen?«
»Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie ich«, antwortete Pia an ihrer Stelle. »Um euch Machos nicht auf dumme Gedanken zu bringen.«
»Okay, okay«, winkte Hannes schmunzelnd ab, bevor er wieder Charlotte ansah. »Verrätst du uns jetzt dein Geheimnis?«
»Ich habe mich zum Probewohnen angemeldet - in der Seniorenresidenz Eichengrund. Da kann ich doch nicht in Jeans und T-Shirt auftauchen.«
Allmählich begriff er, was sie vorhatte.
»Das kommt überhaupt nicht infrage!«
»Wie willst du mich daran hindern?«
»Hast du vergessen, wie brandgefährlich deine eigenmächtigen Ermittlungen das letzte Mal waren? Du hast dein Leben riskiert, um das kleine Mädchen zu retten.«
»Mir kann doch gar nichts passieren. Ihr habt schließlich rausgefunden, dass die beiden alten Herren durch Unfälle zu Tode kamen.«
»Was willst du dann dort?«
»In meinem Alter sollte man darauf vorbereitet sein, dass man irgendwann ohne Hilfe nicht mehr zurechtkommt«, erwiderte sie prompt. »Da ist es gut, sich beizeiten zu informieren, welche Möglichkeiten es gibt.«
»Du bist besser in Form als die meisten von uns.« Dicht trat er vor sie hin. »Ich kenne dich, Charly. Du witterst ein Verbrechen und willst deine Nase unbedingt in Dinge stecken, die dich absolut nichts angehen. Aber so läuft das nicht.«
Natürlich hatte sie geahnt, wie er auf ihre Pläne reagieren würde. Sie hätte es ihm auch verheimlichen können und sich diese Diskussion dadurch erspart. - Aber sie waren seit fast 20 Jahren befreundet. Sie hätte es nicht fertiggebracht, hinter seinem Rücken zu ermitteln.
»Ich habe sogar das Okay der Staatsanwaltschaft«, spielte sie ihren letzten Trumpf aus. »Frau Dr. Pauli hat - wenn auch inoffiziell - nichts dagegen, dass ich mich ein bisschen umhöre. Immerhin sind eure Ermittlungen abgeschlossen. Sie haben keinen Hinweis auf Fremdverschulden ergeben.«
»Was mache ich nur mit dir?« Mit einem Seufzer ließ sich der Hauptkommissar in seinen Schreibtischsessel fallen. Er zog aus der Ablage eine Fallakte hervor und legte sie vor sich hin. »Wenn ich dich schon nicht umstimmen kann, solltest du wenigstens umfassend informiert sein. Zu dumm, dass ich dir keine Akteneinsicht gewähren darf.« Damit erhob er sich und blickte seine Teamkollegen an. »Wir verpassen unseren Termin.«
»Welchen .«, begann Martin, aber Hannes unterbrach ihn streng.
»Nun kommt schon! Wir haben schließlich noch einen Fall zu lösen.« Er scheuchte die beiden hinaus. »In einer halben Stunde sind wir zurück«, sagte er noch über seine Schulter, bevor er die Tür hinter sich schloss.
Sofort setzte sich Charlotte an den Schreibtisch und schlug die Akte auf. Zuerst betrachtete sie die Fotos des ersten Unfalltoten, die auch die Lage der Leiche dokumentierten. Danach las sie den Autopsiebericht, konnte aber zunächst nichts Ungewöhnliches entdecken. Nun nahm sie die Fotos des zweiten Unfallopfers zur Hand, betrachtete sie und las anschließend den Bericht des Rechtsmediziners. Auf einer Seite des Obduktionsprotokolls befanden sich auf der rechten Seite zwei gezeichnete menschliche Körper, die Vorder- und Rückansicht. Auf den Zeichnungen waren die Verletzungen des Toten durch Kreuze markiert. Ein faustgroßes Hämatom auf dem rechten Schulterblatt erregte Charlottes Interesse. Sie nahm noch einmal die Fotos zur Hand und sah sich den Bluterguss genauer an. Er könnte tatsächlich - wie die anderen zahlreichen Hämatome - durch den Treppensturz...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.