Schweitzer Fachinformationen
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Für die Politische Theorie stand bislang vor allem das Thema Freiheit und weniger die Frage nach Sicherheit im Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses: Freiheit vom Staat, vor staatlichen Eingriffen in die Privatsphären des Lebens und Wirtschaftens, die Freiheit der Bürger und Bürgerinnen ihre Meinung zu äußern, sich zu versammeln und sich politisch zu betätigen. Freiheit ist das große Thema der Politischen Theorien des Liberalismus und des liberalen Rechtsstaates. Der liberale Freiheitsbegriff hat seine Wurzeln in den Abwehrrechten der Bürgerinnen und Bürger gegen die politischen Obrigkeiten und gegen die Eingriffe des Staates in die Privatsphäre der Individuen. Die natürliche Freiheit des Menschen steht dabei im Gegensatz zu staatlicher Machtbefugnis, der durch rechtlich gesicherte Freiheiten Schranken zu setzen sind. In diesem Spannungsverhältnis von Staatsmacht und Individuum, die dem vordemokratischen Obrigkeitsstaat entspringen, entstehen in liberalen Denkfiguren gleichsam rechtlich eingehegte Schutzräume, deren „Schranken” den Einzelnen vor der Staatsmacht schützen. Freiheitsbriefe und später Freiheitsrechte schützten die Religions- und Gewissensfreiheit, die Freiheit des Eigentums, die bürgerlichen Freiheiten im Absolutismus, die Freiheit der Stände und die Freiheit der Märkte. Mit der Französischen Revolution treten in der Verbindung von Freiheit und Gleichheit jene Postulate in den Mittelpunkt, die zusammen mit der Forderung nach Gerechtigkeit heute zu den nicht hintergehbaren Legitimationsfiguren demokratischer Herrschaft gehören.
Wenn zu Beginn des 21. Jahrhunderts Freiheit vermehrt als Spannungsfeld zu Sicherheit gesehen wird, so hat dies mit der Ausweitung staatlicher Sicherheitsmaßnahmen angesichts terroristischer Bedrohungen zu tun, wie auch mit den Datenvernetzungsmöglichkeiten moderner Informationstechniken. Wenn gar von Freiheit statt Sicherheit oder umgekehrt von Sicherheit statt Freiheit gesprochen wird, so drückt dies die Sorge aus, individuelle Freiheitsrechte und die „offene Gesellschaft” könnten einer vernetzten länder- und staatenübergreifenden Sicherheitsarchitektur geopfert werden. Der Prototyp des Sicherheitsstaates von Thomas Hobbes, als totalitärer Überwachungsstaat und „großer Leviathan” interpretiert, dient dabei als Abschreckungsmuster. Neben dieser Negativfolie lassen sich allerdings Denkansätze ausmachen, die Sicherheit und Freiheit als die zwei Seiten einer Medaille und „demokratische Sicherheit” als Voraussetzung demokratischer Freiheiten sehen.
Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 zeigt sich, dass die Politikwissenschaft in der Diskussion und der Lösungssuche der oben aufgeworfenen Fragen mehr denn je auf Interdisziplinarität angewiesen ist. Vor allem an den Schnittstellen von politikwissenschaftlichen, rechtswissenschaftlichen, soziologischen und philosophischen Disziplinen entwickeln sich die für unsere Problematik relevanten Forschungsfragen. „Auf der Suche nach neuer Sicherheit” (so der Titel der 2009 in zweiter Auflage erschienenen Publikation von Hans- Jürgen Lange, H. Peter Ohly und Jo Reichertz) bilden sich Forschungskoalitionen, die den Abstand von Sicherheit und Freiheit neu zu vermessen beginnen. Historische, juristische, philosophische und politikwissenschaftliche Analysen zum Thema Sicherheit und Freiheit fließen zusammen und formulieren „Perspektiven einer demokratischen Sicherheit”. Mit „demokratischer Sicherheit” sind hier Sicherheitsgesetzgebungen bezeichnet, die transparent kommuniziert, demokratisch entschieden und gewaltenteilend kontrolliert den Raum der bürgerschaftlichen Freiheiten nicht einengen, sondern sichern (Riescher 2010: 11–24). Zudem werden aus philosophischer Perspektive Fragen nach einer neuen Sicherheitsethik gestellt, die den anthropologischen Stellenwert und ethisch legitime Maßnahmen zur Herstellung von Sicherheit diskutieren.
Namhaften US-amerikanischen Demokratietheoretikern stellte sich nach dem 11. September mit Vehemenz die Frage nach den Stärken und den Gefährdungen der demokratischen Lebensform. Während sich die erste Frage auf die Überlegungen im Hinblick einer demokratischen Friedensordnung richtete und davon ausging, dass eine weltweite Demokratisierung der beste Schutz vor Krieg und Terror und die Garantie für universale humane Werte (Freiheit, Gerechtigkeit, Toleranz, Pluralismus) sei, lenkte die zweite Frage den Blick auf die inneramerikanische Situation oder allgemeiner auf die demokratietheoretisch relevante Spannung zwischen Freiheit und Sicherheit. Richard Rorty befürchtete in einem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 8. März 2004, dass jeder neue Terroranschlag eine Kaskade von Gesetzen zur Folge haben könne, welche die Bürgerrechte weiter untergrabe und schließlich dazu führe, „dass die Demokratie zerstört wird, um sie zu retten.”
In der Bundesrepublik Deutschland sind es vor allem die juristischen Diskurse, die aus verfassungs- und staatsrechtlicher Sicht das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit in den Blick nehmen. Die Entscheidungen des Bundestags und die Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) geben nicht selten Anlass zu Kontroversen (z. B. Luftsicherheitsgesetz, Fragen der informationellen Selbstbestimmung, „BKA-Gesetz” u. a.). Die Rechtsprechung des BVerfG zur informationellen Selbstbestimmung beispielweise wirft unter Staatsrechtlern die Frage auf, inwieweit die Entscheidungen aus dem Jahr 1983 den heutigen Informationstechniken noch gerecht werden (z. B. Middel 2007). Die Frage nach einem Grundrecht auf Sicherheit (Isensee 1983) wird nach wie vor ebenso kontrovers diskutiert wie die Frage nach der Bemessung des Abstands von Sicherheit und Freiheit, nach der Ausgewogenheit ihres Verhältnisses, dem Übermaß und Untermaßgebot und dem Vorrang in konkreten Situationen. Dies wird dann als eine „politische Entscheidung” deklariert, die „von der Politik” gelöst werden müsse. Michael Ignatieff entwickelt für politische Entscheidungssituationen einen dem Utilitarismus nahen Lösungsansatz zwischen demokratisch-pragmatischem Handeln und moralischem Perfektionismus. Mit einem normativ abwägenden Testverfahren versucht er schließlich die Diskrepanz zwischen kollektiver Sicherheit und individuellen Freiheitsrechten in konkreten Gefährdungssituationen zu entscheiden (vgl. Ignatieff 2004). Offen bleibt dabei allerdings, welchen Prämissen politische und damit parteipolitische Entscheidungen folgen können, wenn sie ihre Mehrheiten nicht allein auf empirisch gefundenen Sicherheitsbedürfnissen oder den seit den Anfängen des Liberalismus unverrückbaren Freiheitsformeln gründen wollen. Letztere laufen Gefahr, sich den Herausforderungen des IT-Zeitalters nicht mehr ständig neu stellen zu können, während empirische Beurteilungen sich der Gefahr aussetzen, die je aktuelle und die subjektive Stimmungslage zum Trend zu machen. Christoph Gusy spricht zu Recht davon, dass „gefühlte” Sicherheit in den Freiheits- und Sicherheitsdiskurs eingetreten sei. Freiheit von Furcht wird dann ein notwendiger Bestandteil von Freiheitsrechten. Wer Freiheit als ausübbare Freiheit garantieren will, muss die Abwesenheit von Furcht, also das Sicherheitsgefühl, mit garantieren (Gusy 2009: 322 ff.).
Dabei gilt es im Folgenden herauszuarbeiten, wo in der Politischen Theorie, ausgehend von Hobbes’ Leviathan bis hin zu den aktuellen Theoriediskursen, die Spannungen, aber auch die Schnittmengen von Freiheit und Sicherheit liegen. In der politikwissenschaftlichen Freiheitsrhetorik hat sich die Unterscheidung von positiver und negativer Freiheit als sinnvoll erwiesen. Von dieser Unterscheidung ausgehend gilt es zum einen zu klären, warum und in welchen Politikbereichen Freiheit und Sicherheit (seit Hobbes) konfliktäre Begriffe sind, um andererseits zu zeigen, dass Freiheit ohne ein gewichtiges Maß an Sicherheit nicht verwirklicht werden kann. Wie der Abstand zwischen beiden zu bemessen ist, wird sich in Einzelfällen erweisen müssen.
Um politische Freiheit zu beschreiben, wird in der Politikwissenschaft heute meist jene Differenzierung verwendet, die man vor allem Isaiah Berlin zuschreibt: negative und positive Freiheit oder Freiheit „von” und Freiheit „zu”. Positive Freiheit ist die Freiheit zu etwas, die Freiheit etwas zu tun, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Man fasst darunter z. B. das freie und gleiche Wahlrecht, eine Errungenschaft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, das Bürgern und später auch Bürgerinnen die Möglichkeit gab, die Politik eines Landes mitzugestalten. Dazu gehören notwendig auch die Informations- und Partizipationsfreiheit, das Versammlungsrecht und die Freiheit zur Bildung politischer Vereinigungen. Die Bedeutung von positiver Freiheit als bürgerschaftliche Selbstverwirklichungsrechte zeigt sich vor allem dann, wenn sie...
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