Schweitzer Fachinformationen
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Dr. Matthias Riedl - Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe, ärztlicher Leiter des medicum Hamburg und Gründer der my-FoodDoctor-App.
Lieber Herr Dr. Riedl, fast die Hälfte aller Deutschen nehmen Nahrungsergänzungsmittel ein. Freut Sie das als Arzt nicht, dass so ein großes Interesse daran besteht, sich gesund zu ernähren?
Vermutlich hat tatsächlich jeder von uns schon mal irgendein Präparat eingenommen. In gewisser Weise ist das verständlich, allein wenn man bedenkt, was die Hersteller so alles versprechen. Es kommt einem fast wie eine Art einfacher »Ablasshandel« vor: Vitamine supplementieren und dafür ansonsten weiter so (ungesund) ernähren wie bisher. Da steht man im Drogeriemarkt vor einem Riesenregal und kann sich, ohne mit einem Arzt gesprochen zu haben, quasi selbst behandeln. Das ist in gewisser Weise auch ein Gefühl der Selbstermächtigung. Ob sich das tatsächlich auf den Gesundheitszustand auswirkt oder man so Krankheiten vorbeugen kann, sei mal dahingestellt. Eine gesunde Ernährung ersetzen solche Supplemente auf keinen Fall.
Aber Vitamine und Co. sind doch wichtig!
Schon, aber nicht in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Isolierte Nährstoffe sind nie so wirksam wie die aus echten Lebensmitteln. Die kommen schließlich immer im Verbund mit unzähligen anderen gesunden Stoffen daher, die sich zum Teil sogar noch gegenseitig in ihrer Wirksamkeit steigern. Wer etwas für seine Gesundheit tun will, muss sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren, mit Fokus auf viel Gemüse. Es gibt tatsächlich nur sehr wenige Situationen, wo sich die vorsorgende Versorgung in Form von Nahrungsergänzungsmitteln als günstig erwiesen hat. Speziell die Schwangerschaft ist hier zu nennen - wobei man auch nicht erst als Schwangere z. B. mit der Einnahme von Folsäure beginnen sollte, sondern schon früher, wenn man den Kinderwunsch hat bzw. wenn man versucht, schwanger zu werden.
Trotzdem gibt es mit der sogenannten orthomolekularen Medizin einen ganzen Zweig, der sich nur mit Nährstoffen als Medizin beschäftigt.
. der aber überhaupt nicht evidenzbasiert arbeitet. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Studien, die belegen, dass eine Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen über die üblichen Empfehlungen hinaus einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Daher wird die orthomolekulare Medizin auch nicht von den Krankenkassen bezahlt. Das Ganze basiert im Grunde auf Behauptungen von Linus Pauling, quasi dem Vater der Orthomolekular-Medizin. Er war der festen Überzeugung, er wäre nur deshalb so alt geworden, weil er täglich fast 20 g Vitamin C eingenommen hat. Ich sehe es eher so, dass er vielmehr Glück hatte, trotzdem so alt zu werden.
Was ist denn nun so schlecht daran, viele Vitamine einzunehmen?
Die Gleichung »viele Vitamine = langes Leben« geht nicht auf. Es ist nicht wie bei Gold, bei dem am Ende ein größerer Barren herauskommt, wenn man oben mehr flüssiges Edelmetall hineingießt. Wir müssen endlich weg von diesem mechanistischen Mensch-Maschine-Denken. Unser Körper ist ein biologisches System, in dem idealerweise alles genau austariert ist. Mehr noch: Wir wissen ja noch nicht einmal, wo Vitamine und Co. überall andocken und wie sie dort genau wirken.
Aber ist nicht längst erwiesen, dass Vitamine wichtig sind für die Gesundheit?
Ja, aber zu viel kann auch schaden. Nehmen wir z. B. das Vitamin B3, Niacin. In Studien ist aufgefallen, dass es sich gut zur Behandlung sonnenbedingter Hautschäden eignet, der sogenannten aktinischen Keratose, einer Vorstufe des weißen Hautkrebses. Allerdings kann ein Vitamin-B3-Überschuss auch für unser Gefäßsystem ungünstige Effekte bereithalten.
Gibt es noch andere Nährstoffe, die im Übermaß ungesund werden können?
Es gibt keine gezielten Studien zur Frage, was eine Überdosierung bewirken kann - das wäre unethisch. Es kommt immer durch Zufall heraus, wie bei Vitamin B3 oder Vitamin B6, wo dauerhafte Überdosierungen im schlimmsten Fall zu Leberschäden und neurologischen Störungen führen können. Oder bei Vitamin C, das unter Umständen die Entstehung von Nierensteinen begünstigt. Dabei dachte man lange, dass man diese wasserlöslichen Vitamine nicht überdosieren kann. Wobei ich sagen muss: So eine Überdosierung ist nur mit isolierten Nährstoffen möglich, also Supplementen. Mit »echten« Lebensmitteln können Sie nicht in eine Schieflage geraten. Auch wenn Sie noch so viele Paprika oder Zitrusfrüchte essen würden, um beim Vitamin C zu bleiben.
Sind dann Nahrungsergänzungsmittel komplett überflüssig?
Man sollte unterscheiden: Zum einen kann man klar sagen, dass ein gesunder Mensch keine Supplemente braucht - das wäre reine Geldverschwendung. Bei sehr kranken oder alten Menschen mit manifestierter Mangelernährung schaut das anders aus.
Wie lässt sich feststellen, ob man gut versorgt ist oder doch besser »nachjustieren« sollte?
Einen Anhaltspunkt gibt so ein Test wie der auf > im Buch. Man kann aber auch generell sagen: Wer unheimlich viel hochverarbeitete Lebensmittel und wenig Gemüse isst, bei dem ist eine Unterversorgung relativ wahrscheinlich. Das gilt umso mehr, wenn sich derjenige auch noch oft schlapp fühlt oder kränkelt. Sicherheit gibt aber immer nur eine Blutanalyse beim Arzt.
Und das hieße dann grünes Licht für Supplemente?
Bestätigt sich der Verdacht eines Mangels, kann ein entsprechendes Präparat durchaus helfen, schnell wieder in den grünen Bereich zu kommen. Es sollte dann aber auch nur gezielt dieser Nährstoff eingenommen werden, nicht irgendein Multivitamin-Präparat. Es gibt hier keine Lösung nach dem Prinzip One-size-fits-all - also eine Nährstoffmischung, die jedem hilft. Es geht hier um den individuellen Bedarf. Und auch der lässt sich so gut wie immer beheben, indem man ein wenig an seiner Ernährung arbeitet. Das ist in jedem Fall nachhaltiger und gesünder, als einfach ein Mittelchen zu nehmen und weiterzumachen wie bisher. Übrigens ist gerade wieder eine Studie veröffentlicht worden, die klar zeigt, dass man mit Multivitamin-Präparaten nicht länger lebt.1
Inwieweit kann Ihre Power-Nährstoffkur in der Situation helfen?
Die Rezepte im Buch helfen, eine Unterversorgung wieder auszugleichen - eine mögliche oder eine tatsächlich diagnostizierte. Die Kur fungiert dabei wie eine Art Refill-Phase, allerdings ohne Supplemente. Der Körper bekommt in 28 Tagen eine Extraportion von allen wichtigen Nährstoffen. Schon nach ein paar Tagen fühlt man sich zusehends fitter und wacher - und das Gefühl nimmt im Lauf der Kur immer mehr zu.
Dass sich alles ohne Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen lässt, erstaunt sicher. Wenn man sich das Angebot anschaut, könnte man ja meinen, man würde in einem Land leben, in dem es hinten und vorne an allen Nährstoffen mangelt. Alles nur ausgedacht?
Das wäre schön, aber ganz so ist es nicht. Leider entwickelt sich Deutschland z. B. wieder zurück zu einem Jodmangelgebiet. Zudem hat über die Hälfte der jungen Mädchen bei uns einen Magnesiummangel. Es gibt also Mangel, aber eben nicht da, wo die meisten denken. Und wir decken den daher auch nicht mit der Multivitamin-Brausetablette aus dem Drogeriemarkt.
Dabei gelten gerade die als eine Art gesunder Limonadenersatz. Kann man mit den Sprudeltabletten etwas falsch machen?
Auf jeden Fall! Sie enthalten z. B. extrem viel Natrium. Das ist für Leute mit Bluthochdruck sehr schlecht. Wobei »gesunde Limonade« ohnehin ein Widerspruch in sich ist. Wer ein gesundes Getränk sucht, sollte einfach Wasser trinken, das hierzulande von guter Qualität ist. Wobei das auch schon wieder so eine Sache ist: Viele Menschen trinken zu wenig Wasser, obwohl das auch wichtig ist für die Nährstoffversorgung: nämlich um alles dorthin zu transportieren, wo es gebraucht wird.
Also Jod, Magnesium, Wasser . Was fehlt denn noch so?
Bei Vitaminen und Mineralstoffen sind es gar nicht mehr so viele. Vitamin D würde ich hier nennen. Allerdings kann man das kaum über die Nahrung aufnehmen. Wer sich vegan ernährt, bei dem sieht es oft kritisch aus mit Vitamin B12 und Eisen. Folsäure ist, wie gesagt, v. a. für schwangere und stillende Frauen wichtig. Daneben gibt es noch ein paar Substanzen, an denen es tatsächlich den meisten Menschen mangelt, die aber nicht alle auf dem Schirm haben: Ballaststoffe etwa. Sie zählen ebenfalls zu den Mikronährstoffen und regulieren genau wie diese biologische Abläufe im Organismus und stoßen bestimmte Vorgänge an. Der starre Blick auf Vitamine ist falsch.
Fördern Ballaststoffe nicht einfach nur die Verdauung?
Das stimmt, Ballaststoffe kurbeln die Verdauung an. Aber sie sind v. a. wichtig für ein gesundes Darmmikrobiom - einen maßgeblichen Gesundheitsfaktor. Dieser Kosmos im Darm beeinflusst unser Immunsystem sowie den Hormonhaushalt und hat sogar Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Es besteht ein direkter Draht vom Darm zum Gehirn. Die Darmbakterien sind also für uns wichtig, auch weil sie Substanzen produzieren, die wir gut gebrauchen können. Eine Symbiose also! Neben den Ballaststoffen sind ebenso unbedingt die Omega-3-Fettsäuren zu nennen. Die fehlen in der modernen Ernährung auch, genauso wie verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe. Alle drei stehen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen in nichts nach, was ihre gesundheitsfördernde Wirkung angeht.
Was soll man Ihrer Meinung nach essen?
In erster Linie Gemüse und gesundes Eiweiß - das sollten die...
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