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Wo andere Urlaub machen, deckt Mafalda Cinquetti Verbrechen auf
Auf der malerischen Insel Murano geht es erneut nicht mit rechten Dingen zu: Immer mehr Souvenirläden verkaufen angebliche authentische Meisterwerke aus Muranoglas. Doch ein Blick genügt, und die Polizistenwitwe Mafalda Cinquetti weiß genau: Dieser billige Plunder ist niemals echt! Gleichzeitig muss sie sich damit herumschlagen, dass das Haus, in dem sie wohnt, nach dem Tod ihrer unbeliebten Vermieterin an eine anonyme Immobilienfirma verkauft wurde, die etwas zu verbergen scheint. Jetzt stehen ihre Nachbarin Maria und deren Tochter Anna kurz vor dem Rauswurf. Zusammen mit ihren Freundinnen Lucia und Alma macht sich Mafalda auf, das Geheimnis hinter den beiden Machenschaften zu lösen und stößt dabei auf eine mysteriöse Bruderschaft ...
Ich kann dein Ohr sehen.«
»Was? Wie?«, stotterte Mafalda komplett verwirrt. Sie nahm ihr telefonino vom Kopf wieder weg, wischte den Sand und eine Spur Sonnencreme vom Gerät, dann schaute sie von der Sonne geblendet mit zusammengekniffenen Augen unsicher auf das verschwommene Display.
»Ich bin es, Pietro. Das ist ein Videotelefonat. Und du hattest die Kamera an dein Ohr gehalten!«, antwortete ihr Enkel mit Engelsgeduld.
Eben noch hatte Mafalda in der Brandung gestanden, als sie das Klingeln aus ihrer Handtasche gehört hatte, und war dann schnell zu ihrem Liegestuhl geeilt. Sie versuchte, den nassen Sand von ihren Füßen abzuklopfen, und drehte das telefonino unschlüssig in den Händen hin und her, konnte ohne Brille aber so gut wie nichts auf dem Display erkennen. Fast verlor sie das Gleichgewicht, als sie auf einem Bein stehend das telefonino scheinbar ziellos mit wildem Tippen und Wischen traktierte. »Ist es jetzt besser?«, fragte sie Pietro, immer noch reichlich verunsichert.
»Besser. Aber falsch herum.«
Mafalda betrachtete ihr telefonino und fing an, an sich selbst zu zweifeln. Es war nicht wirklich hilfreich, dass drei Kinder laut schreiend um sie herumrannten, sich abwechselnd einen triefnassen Gummiball zuwarfen und Mafalda dabei nur um Zentimeter verfehlten. Sie schaute entnervt zu den Kindern, doch die störten sich nicht daran. Schließlich drehte sie ihr telefonino komplett herum.
»Jetzt kann ich den Sand sehen. Aber der Himmel ist wenigstens oben.« Noch immer war keine Spur von Ungeduld in Pietros Stimme zu hören. Diese Art Gespräche mit seiner Großmutter schien er gewohnt zu sein.
»Ich suche schnell meine Brille«, sagte Mafalda, legte das Handy auf den Liegestuhl und kramte in ihrer Handtasche nach der Lesehilfe. Als sie sie endlich gefunden hatte, nahm sie die Tasche von ihrem Schoß und das telefonino wieder in beide Hände.
»Oh, salve, Pietro! Jetzt kann ich dich sehen«, sagte sie freudig.
»Bene«, antwortete Pietro artig. In seiner Stimme war eine Spur von Erleichterung zu hören.
»Wir sind in Jesolo, Lucias Geburtstag feiern. Alma, Lucia und ich«, sagte Mafalda. Sie wedelte mit ihrer Handykamera wild in der Gegend herum, um Pietro den Strand zu zeigen. »Weshalb rufst du an?«
Sie sah, wie Pietros Lippen sich bewegten, konnte aber nichts hören, weil die Kinder so schrien.
»Warte einen Moment. Der ganze Strand ist leer, aber diese Gören müssen direkt um mich herum Ball spielen, als gäbe es keinen anderen Platz! Ich gehe schnell zum Garten vor dem Hotel hoch. Da ist es ruhiger.«
Sie sah nur, wie Pietro nickte. Daraufhin schnappte sie sich mit der Linken ihre Handtasche und ging durch die wie mit dem Lineal gezogenen Liegestuhlreihen nach oben. Nach dem kleinen Strandkiosk, dessen Besitzer beinahe schlafend hinter dem um diese Jahreszeit ansonsten verwaisten Tresen stand, nahm sie die schmale Treppe in den Hotelgarten hinauf, über die Wiese mit den mächtigen Palmen hinweg und durch den Garten des Hotels.
Schnaufend sagte sie: »Jetzt ist es besser! Ich bin gleich für dich da.«
»Kein Problem, nonna!«, antwortete Pietro noch immer ganz die Ruhe selbst. So wie Mafalda im Stillen froh war, überhaupt den richtigen Knopf gefunden zu haben, um das Gespräch anzunehmen, schien Pietro schon zufrieden zu sein, dass er seine nonna kurz sehen und hören konnte. Alles Weitere würde sich fügen.
»Was wird denn da gebaut?«, fragte er. Mafalda hatte das telefonino so gehalten, dass der Hotelgarten seitlich liegend zu sehen war. Pietro war schon oft mit Mafalda hier gewesen und musste den Hotelgarten wiedererkannt haben. Jedem anderen wäre durch das verwackelte Bild übel geworden. Doch ihm scheinbar nicht, und wenn doch, dann wäre es Mafalda nicht aufgefallen. Zu sehr war sie damit beschäftigt, mit telefonino und Handtasche bewaffnet die Stufen zur Hotelterrasse zu erklimmen.
Auch sie hatte zuvor schon die Berge von Steinen und die Betonsäcke am Rande des Gartens gesehen. »Sie wollen ein Schwimmbad bauen, Pietro, denk dir nur! Ein Schwimmbad vor einem Hotel direkt am Meer. Was für ein Unsinn!«
»Die Kundschaft wird danach verlangen«, sagte Pietro ungerührt. Er hatte seine Großmutter schon oft damit aufgezogen, wie sehr sie jede Veränderung verabscheute. Auch jetzt wieder meinte Mafalda, einen spöttischen Unterton in seiner Stimme bemerkt zu haben, entschied sich jedoch, diesen zu ignorieren.
»Ich habe mich immer noch nicht an die neue Deckenvertäfelung in der Lobby gewöhnt«, sagte sie. »Die wurde doch auch erst vor kurzem eingebaut. Wann war das nochmal?«
»1993?«, antwortete Pietro feixend. »In jedem Fall vor meiner Zeit.«
»Doch schon so lange!«, antwortete Mafalda verblüfft. Es war ihr viel kürzer vorgekommen. »Ja, jedenfalls habe ich mich an die immer noch nicht gewöhnt!«
Sie hatte inzwischen an einem der Bistrotische auf der Hotelterrasse Platz genommen und ihr telefonino auf den Tisch gestellt, was Pietro vom schwankenden und wankenden Videobild erlöste. Schweiß lief über ihre Stirn. »Schieß los!« forderte Mafalda ihn auf weiterzureden.
»Was ich dir erzählen wollte«, sagte Pietro, »deine Vermieterin ist gestorben.«
Mafalda bekreuzigte sich flüchtig, faltete ihre Hände zusammen, legte ihr Gesicht leicht zur Seite und bemühte sich, einen leidenden Gesichtsausdruck zu machen. So, wie das in solchen Fällen eben erwartet wird. Lange hielt sie das nicht durch. »Die alte Schreckschraube!«, rief sie erbost. »Geizig war sie ohne Ende. Durch das Dach tropft es, und wir dürfen alles mit Eimern auffangen, wenn es regnet. Und als mein Boiler kaputt war, musste ich Beppe bitten, mir den zu richten. Kostenlos. Denn sie hätte nichts bezahlt!«
»War sie nicht schon über hundert?«, fragte Pietro. Als Carabiniere kam er eigentlich gut auf Murano herum, aber offenbar nicht gut genug, um Mafaldas Vermieterin zu kennen. Was nur verständlich war, denn außerhalb ihres Hauses hatte Mafalda sie zuletzt vor zwanzig Jahren gesehen. Da war Pietro sieben.
»Nicht ganz. Siebenundneunzig«, korrigierte ihn Mafalda.
»Dann wird es wohl keinen Kranz vom Bürgermeister zur Beerdigung geben«, bemerkte Pietro trocken.
»Den hätte sie auch nicht verdient!«, antwortete Mafalda. »Seit sie vor zwanzig Jahren gestürzt ist, hatte ich nur noch telefonisch mit ihr Kontakt. Und immer, wenn ich etwas wollte, war ihre Antwort nein. Sempre no!«
Pietro nickte. Mafalda erzählte ihm nicht zum ersten Mal von Ärger mit ihrer Vermieterin. Diese Litaneien kannte er schon sein ganzes Erwachsenenleben lang. Mindestens. »Jedenfalls«, sagte er, »das ist der eigentliche Grund für meinen Anruf, denn ich wollte, dass du es zuerst von mir erfährst .« Er machte eine theatralische Pause. Fast wäre ihm Mafalda ins Wort, nein, ins Schweigen gefallen. »Dein Mietvertrag ist sicher.«
Mafalda stutzte. »Wieso sollte er das nicht sein?«, fragte sie irritiert zurück.
»Nun, du kennst den Immobilienmarkt in Venedig .«, sagte Pietro bedeutungsvoll.
»No. Was sollte ich da wissen?«, hakte sie nach. Sie war 1961 mit ihrem Salvatore in ihre Wohnung eingezogen. Sie hatte sich danach nie wieder um neuen Wohnraum kümmern müssen und beschwerte sich auch heute noch, dass ihre Miete bei der Umstellung von Lira auf Euro aufgerundet worden war, weil die Regierung in Rom sowie die Bürokraten in Brüssel das so bestimmt hatten.
Jetzt schien Pietro ungeduldiger zu werden. Zumindest konnte sie auf dem Display sehen, wie sich seine Wangen röteten und diese kleinen roten Flecken an seinen Schläfen sichtbar wurden, die er immer bekam, wenn ihn etwas sehr beschäftigte.
Er nahm die Brille ab und rückte näher an die Kamera. »Dio mio, nonna! Jede freiwerdende Wohnung wird in eine Ferienwohnung umgewandelt. Einheimische finden praktisch nichts mehr zum Mieten. Und wenn jemand eine vermietete Wohnung erbt .« Er machte wieder eine Kunstpause.
Aber diesmal wollte Mafalda ihn nicht damit davonkommen lassen. »Dann was? Meine Güte, ich bin über siebzig! Lass mich doch nicht so lange warten!«, fuhr sie ihm dazwischen.
»Dann werden die gerne mal an Urlauber vermietet, sobald die alten Mieter rausgesetzt worden sind«, antwortete er.
»Ich auch?«, fragte Mafalda ein wenig erschrocken. »Ich meine, kann das mit meiner Wohnung auch passieren?«
Pietro schüttelte energisch den Kopf. »Eben nicht«, sagte er. »Deswegen rufe ich ja an. Dein Mietvertrag ist ordnungsgemäß bei der Stadt angemeldet. Dir können sie gar nichts.«
Diese Antwort stellte Mafalda zufrieden. »Bene, dann ist ja alles gut und sicher«, antwortete sie. »Aber was ist in Italien schon sicher?«, fügte sie gekünstelt lächelnd hinzu. »Gibt es sonst noch Neuigkeiten?«
»In den knapp vierundzwanzig Stunden, seitdem du weg bist?«, fragte Pietro zurück und kicherte leise. Mafalda dagegen fand ihre Frage kein bisschen abwegig und rührte keine Miene. Wenn etwas Wissenswertes auf Murano geschah, wollte sie sofort davon erfahren, nicht erst nach ihrer Rückkehr.
»Jemand hat die Schaufenster des Souvenirladens vorn am Rio dei Vetrai beschmiert.«
»Des Souvenirladens?«, fragte Mafalda stirnrunzelnd. Die Ufer des schmalen Kanals im vorderen Teil von Murano bestanden...
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