Schweitzer Fachinformationen
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»Zur Hölle mit Doctor Mo und seinem dämlichen Gruppentherapiegewäsch«, sagte sie und genoss den Anblick des Objekts ihrer Begierde. Endorphine schossen durch ihr Blut. Der Rausch einer Eroberung war immer eine Droge, die ihr schlechtes Gewissen betäubte, das ihr beharrlich zu verstehen gab, dass sie dabei war, ihren Schnellzug zurück in eine lebenswerte Zukunft zum Entgleisen zu bringen. Sie sah kurz auf die mit edwardianischen Reihenhäusern gesäumte Straße und fuhr über eine Bodenschwelle, sodass der Wagen schwankte und ihre Zähne aufeinanderschlugen. Okay, vielleicht war sie etwas zu schnell unterwegs. Ihr Blick wanderte zurück zu ihrer Beute. »O Mama. Ich kann es kaum erwarten, dich zu Hause auszupack .«
Als das Allradfahrzeug in sie hineinkrachte, schlingerte Beverley Saunders' kleiner VW Polo so weit nach rechts, dass er den Audi, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte, nur um wenige Zentimeter verfehlte. Ihr Airbag öffnete sich.
»Herrgof pft.« Ein erstickter Aufschrei war alles, was sie herausbringen konnte, ehe das Aufprallkissen wieder in sich zusammenfiel. Ihre zitternden Hände umklammerten das Lenkrad derart fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Fassungslos starrte sie den Airbag an, der mittlerweile wie ein übergroßes gebrauchtes Kondom aussah. »Welcher Volltrottel .?«
Adrenalin rauschte durch ihren Körper. Sie zog die Handbremse an, schaltete das Warnblinklicht ein und stieg aus dem Wagen. Aus einem Range Rover blickte eine Frau auf sie herab. Mit offenem Mund starrte sie auf Bev, als könnte sie nicht so recht glauben, was gerade geschehen war.
Bev begutachtete den Schaden, den ihr geliebter kleiner VW durch die unnachgiebige Masse des aufgemotzten Hausfrauenschlittens in dieser überteuerten Ecke von Cheshire davongetragen hatte. Wütend marschierte sie zur Fahrerseite des Allradfahrzeugs und erwartete, auf eine abgehalfterte, in Seifenopern spielende Schauspielerin oder auf die Frau eines Fußballers zu treffen.
»Steigen Sie aus Ihrer verdammten Karre aus!«, schrie Bev.
Die Hand der Fahrerin schnellte zum Mund, doch sie rührte sich sonst nicht.
Sie schien kein Promi zu sein, aber Bev kannte den Typ Frau sehr gut. Hoch angesetzter blonder Pferdeschwanz. Perlenohrringe. Eine teuer aussehende Pelzweste, die die spindeldürren Arme der Trägerin zur Geltung brachte, und ein grässlicher braungrauer Seidenschal, der perfekt mit den Farben harmonierte, in denen die Türen und Fensterrahmen der umliegenden Häuser gestrichen waren. An den knochigen Fingern steckten Ringe mit fetten Steinen, die den Haushalt eines Entwicklungslands hätten finanzieren können. So viel konnte Bev durch die Scheibe erkennen.
»Ich rede mit Ihnen, Sie blöde Kuh!«
Bev betrachtete die eingedrückte Fahrerseite ihres Autos und bemerkte, dass der Reifen in einem Winkel nach innen zeigte, der nichts Gutes verhieß. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich, denn dieser karmische Unfall schien die Bestrafung dafür zu sein, dass sie schwach geworden war. Trotzdem entschuldigte dies nicht das Verhalten dieser dummen Ziege. Bev klopfte auf die Motorhaube des Range Rovers.
»Sie haben meinen Wagen zu Schrott gefahren!«
Zu beiden Seiten der Straße wurden Fensterläden aufgerissen. Putzfrauen und Kindermädchen spähten hinaus und fällten zweifellos ihr moralisches Urteil, während Bev fluchte und die Blondine schließlich ausstieg. Sie nestelte nervös an den Bändern ihrer Weste herum.
»Das tut mir schrecklich leid. Mein Fuß ist vom Pedal abgerutscht und das Auto einfach nach vorne geschossen.« Die Blondine blickte bedauernd hinter sich auf das Vorfahrtzeichen in der Straße.
»Sie sind nicht verletzt, nehme ich an«, sagte Bev und beäugte den blütenweißen Overfinch Range Rover, der keine einzige Delle aufwies. Klar. Nur der Polo sah aus, als hätte er mit Godzilla gekämpft. »Ihre Kontaktdaten!«, blaffte sie die Frau an. Mit wild pochendem Herzen hielt sie ihr einen braunen Umschlag hin, in dem sie vor Kurzem ein grässliches Schreiben der Steuerbehörde erhalten hatte, und einen Bleistift, den sie von IKEA hatte mitgehen lassen. »Wir werden die Polizei rufen müssen, um eine Schadensnummer zu bekommen, denke ich, aber zuerst tauschen wir die Kontaktdaten aus.«
»Ja. Natürlich.« Aufgeregt suchte die Frau nach etwas, worauf sie sich aufstützen konnte. Sie entschied sich für die Motorhaube ihres Wagens. »Angela Fitzwilliam«, schrieb sie mit zitternder Hand.
Der Unfall drohte Bev endgültig in einen Abgrund zu reißen, an dessen Rand sie sich kaum noch hatte festhalten können, geschweige denn, ihn erklimmen. Sie wollte gerade eine weitere Tirade von Kraftausdrücken auf die Frau niedergehen lassen, als ihr schlechtes Gewissen wieder aufflackerte, heller und andauernder dieses Mal, wie ein Suchscheinwerfer, der ihre Unzulänglichkeiten beleuchtete. Insgeheim gestand sie sich ein, dass sie eigentlich auch nicht richtig aufgepasst hatte, weil sie zu sehr damit beschäftigt gewesen war, auf das äußerst seltene, funkelnagelneue Origami-Set zu starren, das sie dem alten Kerl in Rusholme abgekauft hatte. In einem Augenblick von eBay-Wahnsinn hatte sie genau dem Zwang nachgegeben, dem zu widerstehen sie geschworen hatte. Dr. Mo würde sie daran erinnern, dass sie auf ihrem persönlichen Schlangen-und-Leitern-Spiel des Lebens vier Schritte zurück gemacht hätte und eine weitere verdammte Schlange zurückgleiten würde, wo sie doch schon gehofft hatte, die nächste Leiter zu erklimmen. Aber das müsste der selbsternannte Retter der Zwangsneurotiker und gewohnheitsmäßig Gestörten erst einmal herausfinden.
Möglich, dass ihr auch Unaufmerksamkeit vorzuwerfen war. Doch diese Frau sah stinkreich aus. Sie konnte es sich bestimmt leisten, ihren Schadenfreiheitsrabatt zu verlieren und den Selbstbehalt zu bezahlen. Anders als Bev, auf die ein Stapel ungeöffneter Rechnungen in ihrer Bruchbude wartete. Von dem Steuerbescheid ganz zu schweigen. Was soll's.
»Also geben Sie zu, dass Sie an dem Unfall schuld sind?«
Die Frau schloss ihre großen, tief liegenden Augen und hielt ihre wunderschön manikürten Hände hoch. »O ja, natürlich.«
Ein repariertes Auto, ein oder zwei Monate wunderbare Physiotherapie, in der ein Muskelprotz sie mit warmen Ölen durchknetete - anders würde Bev an keine Massage herankommen, jetzt, da sie ständig pleite war. Ein paar Tausender als Schadenersatz würden einige dieser Schulden begleichen. Auf einmal. Bev rieb sich in Gedanken die Hände und dankte Gott für den Silberstreifen am Horizont.
Den Polo zurück zur Wohnung zu fahren stellte eine Herausforderung dar. Mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen pro Stunde kroch Bev die Straße entlang und studierte die Worte ein, mit denen sie ihrer Versicherungsgesellschaft den Unfall am Telefon erklären wollte: Die andere Autofahrerin hat nicht aufgepasst, wo sie hinfuhr. Mein Wagen ist hinüber. Wird die Versicherung der Unfallgegnerin mir einen Leihwagen bezahlen? Kann ich einen Alfa Romeo bekommen?
Sie schaffte es gerade noch, auf Sophies gekieste Einfahrt einzubiegen, ehe ihr Auto sein Leben aushauchte. Als sie den Range Rover erblickte, der bereits vor dem frei stehenden viktorianischen Herrenhaus parkte, zuckte sie zusammen. Ein weißer Overfinch mit schwarzen Alufelgen. Der Gedanke, sich in ihre schimmelige Souterrainwohnung zurückzuziehen, um sich mit dem seltenen verbotenen Origami-Stück zu trösten, war längst aus ihrem Kopf verschwunden.
»Das ist ja wohl nicht wahr. Was zum Teufel .?«
Die Buntglashaustür wurde aufgerissen, und Sophie tauchte im Eingang auf, ein Zahnpastalächeln auf den Lippen. Mütterlich legte sie einen Arm um die Schulter ihres weiblichen Gasts. Die Frau, die eine Pelzweste trug, tippelte auf Beinen, die so dünn waren wie die eines Rehs, scheu ein Stück weiter vor. »Bev, das ist meine Freundin, Angela Fitzwilliam. Sie ist mit einem früheren Kollegen von Tim verheiratet. Angie, das ist Beverley Saunders, meine älteste Freundin aus der Studentenzeit und eine außergewöhnliche Privatdetektivin.«
Angie Fitzwilliam schaute Bev an, als würde sie einen Geist erblicken. »Sie?«
»Wir hatten bereits das Vergnügen miteinander«, sagte Bev und verzog demonstrativ das Gesicht in Richtung ihres demolierten Wagens. »Was willst du, Sophie? Ich habe keinen fahrbaren Untersatz, dank ihr. Wie soll ich ohne eine verdammte Karre fremdgehende Mistkerle observieren? Möglicherweise habe ich nächste Woche einen Auftrag in Warrington.«
»Komm schon, Bev! Das ist kein Grund, derart unfreundlich zu sein«, erwiderte Sophie.
»O doch, ist es!«
Lernen Sie, Stresssituationen aus dem Weg zu gehen, wenn diese Sie zu überfordern drohen, hatte Dr. Mo zu ihr gesagt. Greifen Sie nicht auf schlechte Angewohnheiten zurück, um wieder die Kontrolle zu bekommen. Vergessen Sie nicht, was auf dem Spiel steht!
Sie musste weg von hier.
Bev drängte sich an den beiden Frauen vorbei und bahnte sich einen Weg durch die Kinderwagen, Kindersitze und das übrige Kinderzubehör, das in Sophies ansonsten makelloser, geräumiger viktorianischer Diele herumstand, und ging die schmale Steintreppe hinunter zu ihrer winzigen Wohnung im Keller. Sophie hatte sich dazu herabgelassen, sie ihr günstiger zu vermieten, wobei der Rabatt verschwindend gering war dafür, dass sie miteinander befreundet waren. Bev konnte den Schlüssel gar nicht schnell genug ins Schloss bekommen. Sie schlug die Tür hinter sich zu...
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