Schweitzer Fachinformationen
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So stell ich es mir vor: Elf Uhr an diesem kalten, sonnigen Morgen, sie sitzt hinter dem Steuer, die Hände in der Zehn-vor-zwei-Stellung, weil sie ein braves Mädchen ist und ihr Vater, der mit einem großen schwarzen Kaffee in der Hand neben ihr sitzt, den er bei Kendall's gekauft hat, es mag, wenn sie so Auto fährt, und sie fährt vorsichtig, weil sie nicht will, dass er den Kaffee verschüttet und sich verbrüht. Der Kombi ist zwölf Jahre alt und riecht nach Hund, und wenn sie in den Rückspiegel schauen würde, könnte sie die Stelle sehen, wo wir immer ihren Autositz festgeschnallt hatten.
Bonnie Blue, unser siebenjähriger Hund und Letzter in einer langen Reihe von merlefarbenen Border Collies, fährt mit mir, weil sie immer noch wild ist und gerne vom Rücksitz aus am Ohr des Fahrers knabbert und Peter und ich besorgt sind, dass sie Jenny ablenken könnte. Bonnie und ich sind zwei Meilen hinterher und müssen noch ein letztes Mal halten, um den Schokoladenkuchen in Hoffman's Bakery abzuholen, wo Viola und Norman ihn mit Fußballtoren und einer Fünfundvierzig-Meter-Linie geschmückt haben und wissen, dass man Himbeerkonfitüre zwischen die Schichten verstreichen muss, weil Jenny die am liebsten mag.
Meine Tochter Jenny Hughes. Sie trägt den dicken Norwegerpullover, der liebenswert schief ist und den sie für Timmy aus dem Garn strickte, das noch Kletten und Zweige von der Schafswolle enthielt, und es ist typisch Jenny, ihn zu tragen, nachdem er ihn ihr vor zwei Tagen als Teil der Trennung zurückgab, zusammen mit ihrem Teleskop und dem eselsohrigen Exemplar von H. A. Reys The Stars.
Der Februartag ist eisig, und obwohl noch sehr viel Schnee vom Sturm letzter Woche übrig geblieben ist, sind die Straßen eisfrei. Jenny denkt an die Party. Ihr und mir liegt nichts daran, Sport anzuschauen, doch Peter hat an der Brown Football gespielt, und wir gehen jedes Jahr zur Super Bowl. Jenny kocht gerne, und zusammen werden wir Chili, Hühnerflügel und Guacamole machen. Letztes Jahr kam Timmy zu uns, und die beiden kuschelten sich auf dem Sofa zusammen und flüsterten und lachten, umgeben von Peter und unseren Freunden; ich glaube nicht, dass ich auch nur eine Minute von dem Spiel mitbekommen habe, so fasziniert war ich von dem Anblick meiner verliebten Tochter.
Jenny ist im November sechzehn geworden, ihr Führerschein ist ganz frisch, und beim Fahren zeigt sie wie bei allem anderen Verantwortungsgefühl. Glatte Einser im letzten Semester, ein Talent fürs Geigespielen, ein blaues Band beim Reitturnier im letzten September, die Sorge um unsere Tiere, so ein gutes Herz und eine hartnäckige und reinherzige Entschlossenheit, wie ihre Eltern auf die Brown University zu gehen, und ich frage mich, ob ihre Wahl eine Art ist zu versuchen, uns zusammenzuhalten, Peter und mich daran zu erinnern, wo wir uns kennengelernt haben, und ich weiß, sie fühlt sich schlecht, weil sie das Haus heute Morgen wütend verlassen und mich eine Heuchlerin geschimpft hat, weil ich Leute eingeladen habe und Verwandte bewirte, in genau dem Moment, in dem Peter plant, auszuziehen. Meine Tante und mein Onkel aus Kalifornien wohnen bei uns; sie sind in Connecticut, weil er Professor ist und eine Gastdozentur in Yale hat, an der ich Assistenzprofessorin für Kulturanthropologie bin. Jenny hat Angst, dass sie etwas von der Spannung mitbekommen haben könnten und Peter verurteilen.
Da ist sie also, fährt die Shore Road entlang vom Stall heim, vorbei am Moor, das braun leuchtet; die Bäche sind zugefroren und glitzern reinweiß im Sonnenschein; ihr Vater sitzt neben ihr und trinkt Kaffee und erzählt ihr, wie gut sie am Morgen geritten ist, wie sie ihre Ellbogen am Körper und die Absätze tief hielt und so Gisele über die Sprünge jagte.
Peter und Jenny beten einander an, haben es seit ihrer Geburt getan. Wenn sie als Baby nachts schreiend aufwachte und nicht mehr einschlafen wollte, beruhigte sie sich erst, wenn er sie hochnahm, mit ihr umherlief und ihr erfundene Lieder vorsang, wobei er sie hin und her im Zimmer trug, das zur Wiese hinausging, während jene stattliche einzelne Ulme im Fenster geisterhaft im Mondschein leuchtete.
Und selbst in jenen Jahren, als Jenny elf und zwölf war und ich endlich wieder die Schulbank drückte, um meinen Master zu machen, Unterricht in New Haven nahm, studierte und über die Anthropologie der Bewegung schrieb, als meine Bücher und Papiere jeden Abend ausgebreitet auf dem Esszimmertisch lagen, kam Peter vom Büro nach Hause, und er und Jenny nahmen ihr Abendessen mit ins Arbeitszimmer und aßen vor dem Fernseher, lachten, und Jenny kreischte; sie liebten beide Komödien und Zeichentrickfilme, vor allem französische - Asterix und Tintin waren große Favoriten in unserem Haus.
Sie fährt nach Hause, und die Wiese, die von verkrustetem Schnee glänzt, die gerade und leere Straße, in beiden Richtungen kein Verkehr, der Bürgersteig gestreut und eisfrei, Baumkronen, die sich über ihnen vereinen und morgendliche Schatten werfen, und ihre Ulme - sie sieht sie als ihre - kommt ins Blickfeld. Die Shore Road biegt scharf nach links ab, eine Bumerangkurve, genau da, wo unsere Einfahrt nach rechts abgeht.
Alte Steinmauern, die von Connecticuts Siedlern errichtet wurden, die im 17. Jahrhundert aus England kamen - noch ein Beweis mehr für Migration und Wanderungen und dafür, dass die Geschichte der Welt daraus besteht, dass Menschen einen Ort für einen anderen verließen, weil sie nach mehr Nahrung, religiöser Freiheit, einem besseren Leben suchten -, säumen den Weg. Als Jenny klein war, liebte sie es, oben auf den Mauern zur Bushaltestelle und zurück zu laufen, und manchmal versteckten wir Nachrichten füreinander in einer mit Flechte überwucherten Spalte, die wir unseren Briefkasten nannten. Sie erinnert sich an unser geheimes Versteck, an das freudige Beben darüber, eine Nachricht zu finden, und sie trägt Timmys Pullover, sein Geruch ist untrennbar verbunden mit dem Gefühl, verliebt zu sein, und in diesem Moment tritt sie aufs Gas.
Die Sonne wird vom Schnee reflektiert, von hellem Glimmer und Quarz, die sich durch die Granitmauern ziehen und sie nur eine Sekunde lang blenden. Die Straße ist frei, sie kennt den Weg, sie ist eine gute Fahrerin, ihr Vater ist bei ihr, er hat ihr selbst das Fahren beigebracht, sie würde ihm niemals weh tun, sich selbst nie weh tun, sie liebt ihre Familie, sie liebt ihr Leben, es gibt also keine Erklärung.
Zehn Minuten später schlendern Bonnie und ich herbei, haben unsere Erledigungen beendet. Wir haben noch ein paar Stunden, bevor unsere Freunde auftauchen werden, um sich das Spiel anzuschauen, und ich sehne mich nach Zeit mit Jenny - ihr Vater hatte den Morgen, und ich werde den frühen Nachmittag haben, um unsere Tochter und ihr gebrochenes Herz zu pflegen, um einfach bei ihr zu sein, weil ich schlau genug bin, um zu wissen, dass Worte nicht helfen, dass es keine Erklärung gibt, dass alles besser werden wird, dass es ihr wieder gutgehen wird, dass die Zeit vergeht und der Tag kommen wird, an dem es nicht mehr so weh tun wird.
Black Hall ist eine Kleinstadt, und wenn man Sirenen hört, sackt einem der Magen nach unten, weil man sich ziemlich sicher ist, dass, was immer es ist, es jemanden betreffen wird, den man kennt. Als ich die Shore Road entlangfahre, verlangsame ich das Tempo, um die Feuerwehr vorbeizulassen. Bonnie marschiert auf dem Rücksitz hin und her. Ich sage ihr, sie soll sich beruhigen, alles sei gut, wir werden in einer Minute zu Hause sein. Ich schalte den Blinker ein, um von der Hauptstraße abzubiegen und in unsere Einfahrt zu fahren, und da sehe ich blitzende Lichter.
Manche Gedanken sind zu unerträglich, als dass man sie zulässt. Ich sehe, wie der Stadtpolizist dem Verkehr Zeichen gibt, umzudrehen, in die andere Richtung zu fahren, und ich drehe das Fenster herunter, um ihm zu sagen, dass ich hier wohne, und trotzdem weigere ich mich zu denken, dass dieser Unfall uns betrifft. Doch Bonnie bellt jetzt, und sie weiß es, und als der Polizist mich erkennt und sich dem Auto mit jenem Blick in den Augen nähert, den kein Mensch sehen will, bleibt mein Herz stehen, weil mein Herz es weiß.
Ich öffne die Autotür, er versucht, mich aufzuhalten, aber nichts auf dieser Welt kann mich zurückhalten. Ich bin direkt hinter Bonnie, die an der langen Reihe von Streifenwagen, Feuerwehrwagen und Ambulanzen vorbeiläuft. Ich höre jemanden sagen: »Sie ist...
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