Schweitzer Fachinformationen
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Ich hätte ihn nicht bitten sollen, mich vom Flughafen abzuholen. War ich denn schon so einsam und verzweifelt? Ich nahm mein Handgepäck aus dem Gepäckfach. Jetzt war es zu spät. Er würde da sein, bei der Gepäckausgabe, und warten. Oder eben nicht.
Jetzt durchfuhr mich ein Schreck. Es war schon peinlich genug, dass ich ihm von einem Internetcafé in Irland gemailt und zugegeben hatte, ihn zu vermissen, und ihn dann noch darum gebeten hatte, mich abzuholen. Doch was, wenn er nicht da war? Was, wenn mich niemand begrüßen würde? Das Taxi nach Hause wäre nicht halb so teuer wie all die Therapiestunden, die ich bräuchte, um dieses Trauma zu verarbeiten. Ich bewegte mich durch den engen Gang des Flugzeuges, weitergeschoben von der Ungeduld der anderen Passagiere, die, so dachte ich, alle jemanden hatten, der voller Vorfreude und mit Schildern und Blumen in der Hand in der Ankunftshalle auf sie wartete, bereit, sie mit einer stürmischen Umarmung zu begrüßen. Kein Wunder, dass sie es eilig hatten.
»Sie haben wirklich einen tollen Schal«, sagte die Stewardess lächelnd. Selbst nach einem zwölfstündigen Flug sah sie noch frisch aus.
Ich blickte an meinem langen, fließend fallenden, bunten, handgestrickten Schal hinunter. »Oh, danke. Den habe ich im Laden meines Cousins in Athboy bei Dublin gekauft.« Wenn ich die Stewardess in ein langes Gespräch verwickeln könnte, müsste ich vielleicht nie aus dem Flugzeug aussteigen. Vielleicht würde sie mich nach Hause bringen können, sollte das Unausweichliche eintreten.
»Bei McElhinney’s?«, fragte sie mit demselben breiten irischen Akzent wie meine Cousins.
»Genau. Witzig, dass Sie ihn kennen«, sagte ich, während die Menge weiterdrängte und mich an ihr vorbeischob.
»Ein schönes Geschäft. So wundervolle Sachen! Und Sie sehen umwerfend aus.« Ihr Lächeln wirkte aufrichtig. »Auf Wiedersehen.«
Doch das Kompliment tröstete mich nicht. Dass ich umwerfend aussah, war kein gutes Zeichen. Vor langer Zeit hatte meine Freundin Stacey mir erzählt, sie könne meine Lebenskrisen immer daran erkennen, dass ich dann so unerschütterlich gut aussähe. Wenn ich perfekt gekleidet und frisiert war und mich der Welt gut präsentierte, wusste sie, dass ich meinen Panzer trug und gewissermaßen gegen meine eigenen Windmühlen kämpfte. Wenn ich umwerfend aussah, war gerade ein Bereich meines Lebens über den Haufen geworfen worden.
Ich war auf dem Heimflug von einer Reise mit meinem Bruder und einer Cousine nach Irland, offiziell um ihren vierzigsten Geburtstag zu feiern, doch eigentlich, um meinem Zuhause zu entfliehen, das nach meiner zweiten Scheidung und dem Tod meiner beiden alten Hunde – alles im letzten halben Jahr – recht einsam geworden war. Gemäß Staceys Theorie musste ich also in der Tat fantastisch aussehen.
Die Reise war allerdings wundervoll gewesen, und sie hatte ihren Zweck recht gut erfüllt, mich aus meinem Kopfkarussell zu befreien und in Richtung Neuanfang zu bewegen. Und meine Laune wäre so viel besser gewesen, hätte ich nicht dummerweise einen Mann, mit dem ich erst einige Monate zusammen war, gebeten, mich vom Flughafen abzuholen. Herrgott noch mal, ich sollte mit überhaupt keinem Mann zusammen sein, schließlich hatte ich mir geschworen, die Finger von Verabredungen, ja von Männern überhaupt zu lassen. Mein ganzes Leben hatte ich nun sorgfältig geplant, und Beziehungen gehörten der Vergangenheit an. Keine Bindungen mehr. Niemals.
Als ich zur Rolltreppe kam, entdeckte ich sofort Chris dort unten stehen. Selbst aus dieser Entfernung fielen seine hellen, blauen Augen auf – Wahnsinn, seine Wimpern waren so lang, dass ich sie von hier aus erkennen konnte. Er war groß und hatte dickes, grau meliertes Haar. Auch dadurch fiel er auf. Und er trug sein hellblau kariertes Hemd. Mein Lieblingshemd. Er sah so verdammt gut aus.
Unwillkürlich musste ich lächeln. Ich hatte ihn tatsächlich vermisst. Und ich hatte ihm so viele Geschichten zu erzählen, von denen ich wusste, dass wir darüber lachen würden … direkt nach einem gemeinsamen heißen Bad, einer Flasche Wein und … na ja, die Geschichten würden wohl noch etwas warten müssen. Genauso wie offenbar mein sorgfältig geplanter Lebensentwurf. Ich trat von der Rolltreppe und fiel ihm in die Arme.
***
»Nach all diesen kalten Tagen, an denen ich durch Irland gelatscht bin, tut das verdammt gut«, sagte ich und ließ mich tiefer in die Badewanne hineingleiten, sowohl weil das heiße Wasser so guttat als auch um meinen alternden Körper mit Schaum zu bedecken. Mein Haus hatte die größte Badewanne, die ich je gesehen hatte.
Die Tiefe der Wanne kam meinem Schamgefühl entgegen – der Schaum reichte bis zu meinem Schlüsselbein –, aber das war nicht alles. Die Wanne war ungefähr einen Meter achtzig lang und einen Meter zwanzig breit. Sie nahm zwei Drittel des Badezimmers ein und Chris und ich passten trotz unserer Größe leicht einander gegenüber hinein. An beiden Seiten war sogar noch genügend Platz für einen Champagnerkühler und Kerzen.
»Mir tut es auch gut, auch ohne Reisen. Bist du müde?«, fragte Chris und schenkte mir Champagner nach.
»Ein bisschen. Aber ich konnte im Flugzeug recht gut schlafen. Und es wäre sicher besser für meinen Jetlag, wenn ich noch ein paar Stunden wach bliebe.«
»Dabei kann ich dir helfen«, sagte Chris und beugte sich vor, um mich zu küssen. Ich erwiderte den Kuss. »Das glaube ich gerne.«
Chris hob die Augenbrauen und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Er lehnte sich zurück. »Erzähl mal von deiner Reise.«
Es gefiel mir, dass er meine Geschichten mochte, hatte ich doch einige davon aus Irland mit nach Hause gebracht. Ich hatte dort die Familie meines Großvaters besucht und erzählte besonders von einem Familienmitglied, das mich immer wieder zum Lachen gebracht hatte – Seamus, ein Cousin zweiten Grades. Ich wusste, dass er auch Chris zum Lachen bringen würde.
An unserem zweiten Abend in Irland traf sich ein Teil der Familie zum Dinner in einem Pub. Meine Cousine Colleen, mit der ich unterwegs war, hatte gesagt, dass ihr irischer Freund ebenfalls kommen würde. Mein Bruder hatte einige Male mit Colleen über diesen irischen Freund gesprochen und zog allmählich seine Existenz in Zweifel. Er kam nie, wenn er kommen sollte. Zahlreiche Verwandte und Freunde tauchten an diesem Abend auf, aber der mysteriöse irische Freund war nicht dabei. Wir mussten zwei Stunden warten, bis ein Tisch frei wurde, der groß genug für vierzehn Leute war. Beziehungsweise dreizehn, denn viele Telefonate und Drinks später war Colleens Freund immer noch nicht erschienen.
Als wir um elf Uhr abends endlich an unserem Tisch Platz nahmen, zog Colleen sich zurück, um noch einmal zu telefonieren.
Mein Bruder Jay fragte Claire, eine andere Cousine: »Also, ihr habt den Typen auch noch nie getroffen, stimmt’s?«
»Nein, nie. Sie verschwendet ihre Zeit.«
»Glaubst du, dass es ihn tatsächlich gibt?«
»Falls es ihn gibt, ist er ein verdammter Arsch.« Das kam von Seamus, Claires Bruder. Er war von Anfang an einer meiner Lieblinge, schon alleine, weil er mit so einem herrlich irischen Akzent fluchte, was er, wie viele meiner irischen Verwandten, ausgiebig und oft tat. Seamus war für mich der typische Ire: schlank, mit heller Haut, roten Haaren und einer Vorliebe für Alkohol und freche Kommentare.
Als Colleen zu unserem Tisch zurückkam, fuhr Seamus sie an.
»Was soll denn das, Cousine, der Bastard kommt doch sowieso nicht. Lass es doch einfach.«
»Ich mach mir aber Sorgen. Vielleicht hat er Probleme bei der Arbeit. Oder er findet nicht her.«
»Ach komm, er ist Klempner. Was sollen das für Probleme sein, dass er nicht mal anrufen kann? Es ist der einzige Pub hier, der Inn Moderation heißt. Wenn er wollte, würde er uns garantiert finden.«
Das konnte ich nur unterstreichen.
Colleen sah es anders. »Ich glaube nun mal, dass er nicht herfindet. Er ist hier nicht aufgewachsen, es ist schon spät und er ist wahrscheinlich müde, meinst du nicht? Ich weiß, dass er gerne hier wäre. Das hat er gestern Abend gesagt. Ich will ihm nur eine Wegbeschreibung durchgeben, falls er sie braucht.«
Seamus gestikulierte wild, »Cousine! Wenn ein Mann eine Frau verdammt noch mal finden will, wird er sie verdammt noch mal auch finden!«
Ich ahmte, so gut ich konnte, den breiten irischen Akzent meines Cousins nach. Meine Bemühungen wurden belohnt, denn Chris brach in schallendes Gelächter aus. »Seamus ist genial.«
»Ja, finde ich auch«, stimmte ich zu.
»Das werde ich mir merken. ›Wenn ein Mann eine Frau verdammt noch mal finden will, wird er sie verdammt noch mal auch finden.‹«
»Und findest du nicht auch, dass es so viel besser mit dem Akzent klingt? Jay und ich sagen dauernd ›verdammt‹. Wir schicken es jedem verdammten Wort voraus.«
»Absolut. Es ist zum Schießen. Aber was er sagt, stimmt ja.« Chris sah mich an. »Ich habe dich schließlich auch gefunden.«
Sobald er das gesagt hatte, entwickelte ich urplötzlich ein enormes Interesse an dem Boden meines Champagnerglases und blickte tief hinein. Ich leerte es hastig, um den Boden noch besser betrachten zu können.
Das hier war doch nur ein Liebesabenteuer. Es ging um wunderbaren Sex und gemeinsamen Spaß. Ich war nicht die, nach der er suchte. Wie könnte ich das sein? Er war neunundzwanzig, ich war einundvierzig. Er lebte...
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