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Eindeutig: Schlafen ist so wichtig wie Atmen. Ohne läuft gar nichts. Erst recht nicht bei einem Baby. Und doch ist zwischen Atmen und Schlafen ein himmelweiter Unterschied. Atmen passiert einfach. Aber ein Baby zum Schlafen zu bringen, ist für viele Eltern Schwerstarbeit. Ja, am Schlaf entzünden sich regelmäßig die ersten Konflikte in der jungen, nach Milch duftenden Familie. Und dann heißt es statt »Schlaf, Kindlein, schlaf« schon mal »Go the f..k to sleep!« wie in einem unter Eltern einschlägig bekannten amerikanischen Cartoon.
Der angestammte Schlafplatz für kleine Menschengeschöpfe liegt aus gutem Grund nicht einfach irgendwo draußen und ungeschützt unterm Himmelszelt. Sondern ganz nah bei einer fürsorglichen Bezugsperson, die sie schützt, nährt und wärmt, wenn es draußen kalt und dunkel ist.
Babys mögen noch über keine Sprache verfügen, aber mit ihrer emotionalen Sprache können sie sich gut ausdrücken. Und deshalb lernen Eltern auch rasch, wie Babys sich den Weg in den Schlaf vorstellen:
Als würde ein unsichtbares Gummiband angespannt, zieht es das Baby jetzt auf einmal zu seiner wichtigsten Vertrauensperson. »Es wird nähebedürftig«, sagt die Mutter. Sein »Bindungssystem wird aktiviert«, konstatiert die Entwicklungspsychologie. Und genau diese Sache mit der Bindung ist dafür verantwortlich, dass das Einschlafen eben nicht nur ein Projekt des Kindes ist. Nein, da stecken auch wir Großen drin, mit Haut und Haaren! Denn auf der anderen Seite des Gummibandes stehen wir. Dieses unsichtbare Band bedarf der Erklärung, denn praktisch ist es gewiss nicht. Wie viel einfacher wäre es, wenn ein Menschenbaby Sehnsucht nach Alleinsein bekäme, sobald es müde wird!
Das Rätsel ist nur zu lösen, wenn wir in die Vergangenheit blicken. In die Geschichte der Menschheit. Denn wie die anderen Lebewesen auch hat sich der Mensch in einem beständigen Wechselspiel mit seiner Umwelt entwickelt. Seine innere und äußere Ausstattung spiegelt die Herausforderungen wider, denen er sich immer wieder gegenübersah. Und die allermeiste Zeit bestanden die nicht darin, einen Papierstau im Drucker zu beheben oder rechtzeitig einen Krippenplatz für den Nachwuchs zu organisieren. Vielmehr waren sie auf das Leben zugeschnitten, das wir Menschen zu 99 Prozent unserer Geschichte gelebt haben: das Leben als Jäger und Sammler. Ein Leben in kleinen Clangruppen, in einer nicht sehr aufgeräumten, den Elementen und Gefahren der Natur ausgesetzten Welt. Diese Welt hat Spuren hinterlassen, die bis heute wirken.
Auch in unserem Schlaf. Der ist tatsächlich eine »seltsame Sache« (siehe Kasten auf >). Nämlich etwas, was selbst wir Großen nicht willentlich steuern können. Der Blick in die Menschheitsgeschichte verrät den Grund: Natürlich durfte der Schlaf kein Koma auf Knopfdruck sein. Schließlich wurde die Welt für den Menschen nicht sicherer, wenn er abends die Augen schloss und damit die Kontrolle über Körper und Sinne abgab. Ganz im Gegenteil, jetzt waren die im Vorteil, die im Dunkeln gut sehen und riechen konnten. Und zu denen hat der Mensch noch nie gehört. Kein Wunder also, dass auf der Brücke in den Schlaf nicht etwa »Augen zu und durch!« steht, sondern »Vorsicht!«. Kein Wunder, dass uns unsere Instinkte den Trip in den Schlaf nur gehen lassen, wenn die Bedingungen stimmen. Solange dort draußen Äste knacken oder Hyänen heulen, hält sich der Schlafengel fern.
Diese auf Sicherheit ausgerichtete Schlafformel gilt bis heute. Wer kann schon schlafen, wenn auf dem Flur die Dielen knacken? Wer kann schlafen, wenn ihm einfällt, dass der Schlüssel noch in der Tür steckt? Ja, wer kann schlafen, wenn er sich Sorgen macht? Alle negativen Gefühle wirken als zuverlässige Schlafbremsen, ob das nun Angst, Hunger, Ärger oder Eifersucht ist. Dagegen wirkt die Anwesenheit vertrauter Menschen besser als jede Schlaftablette. Auch das bis heute - was jeder bestätigen kann, dem der gewohnte Schlafpartner einmal für eine Nacht abhandenkommt. Offensichtlich sehen auch wir Großen den Schlaf gern als Gemeinschaftsprojekt.
Und die Kleinen? Auch bei denen ist der Schlaf natürlich eine Antwort auf die Bedingungen der Vergangenheit. Auch bei Kindern regiert ein Sicherheits-, ja sogar ein Hochsicherheitsprogramm. Denn im Gegensatz zu uns Großen haben sie mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen: Ohne Hilfe können sie sich nicht einmal die Decke über die Ohren ziehen! Oder eine Mücke verscheuchen! Von den wilden Tieren, die da ums Lager schlichen, ganz zu schweigen. So ein leckeres Menschengeschöpf konnte unter den evolutionären Bedingungen den nächsten Morgen tatsächlich nur erleben, wenn es sich Geleitschutz organisierte. Nette Menschen aus Fleisch und Blut, die bei Bedarf alles stehen und liegen ließen, um es zu beschützen. Anders wäre ein Baby ganz schnell ein totes Baby gewesen - es wäre von Hyänen verschleppt, von Nagetieren angeknabbert oder bei einem nächtlichen Temperatursturz unterkühlt worden. Gut also, dass die Kleinen stattdessen auf dieses unsichtbare Gummiband gesetzt haben!
Alle Primaten, der Mensch eingeschlossen, stehen vor einem Dilemma: Sie können ihren Nachwuchs nicht wie Nesthocker verstecken. Die Kleinen können ihrer Mama aber auch nicht wie Fohlen hinterherlaufen. Menschenaffen setzen deshalb auf eine dritte Strategie: Sie haben die Kleinen bei sich, Tag und Nacht.
Schlaf ist eine seltsame Sache
Noch für alle Babys, für alle Kleinkinder, alle Jugendlichen und Erwachsenen, die jemals auf dieser Erde gelebt haben, stand über dem Tor zum Schlaf dieses eine gemeine Wort: Entspannung. Der Schlaf fällt aus dem Rahmen. Er funktioniert einfach nach anderen Gesetzmäßigkeiten als unser alltägliches Leben, in dem wir es gewohnt sind, die »Macher« zu sein. Geht es nicht bei vielen menschlichen Angelegenheiten darum, den eigenen Willen durchzusetzen? Zu planen und zu organisieren, damit wir unsere Ziele erreichen? Wir erledigen unsere Angelegenheiten vernünftig, logisch und planvoll. Und das ist gut so - schließlich muss der Laden laufen.
Der Schlaf ist ganz anders. Er ist partout nicht an die Leine unseres Willens zu kriegen. Er gehorcht nicht der Anspannung, sondern der Entspannung. Ihn beeindruckt nicht das Festhalten, sondern das Loslassen. Ja, es ist zum Haareraufen: Man kann uns das Glück auf Erden versprechen oder ein nigelnagelneues Haus mit Porsche vor der Tür, wenn es uns gelingt, in zehn Minuten einzuschlafen, und trotzdem stellt sich der Schlaf nicht auf Kommando ein. Man kann uns die schwersten Strafen androhen: Der Erfolg wird trotzdem ausbleiben. Kurz, man kann den Schlaf nicht machen - er muss sich ergeben. Ja, es mag dort oben einen Schlafengel geben. Aber wir können ihn nicht einfach zu uns herunterziehen. Er muss uns finden.
Und damit passt der Schlaf eigentlich am wenigsten in die Welt, wie wir sie uns geschaffen haben. Wir haben unser Leben auf Effizienz getrimmt, auf Produktivität, auf Tempo und Anspannung. Der Laden läuft, wenn wir funktionieren. Die Kinder aber zeigen uns gleich ganz zu Beginn ihres Lebens, dass sie nach einem anderen Programm laufen. Nirgends ist das deutlicher zu erkennen, als wenn es ums Schlafen geht. Per Knopfdruck ist da nichts zu machen. Schlafanzug anziehen, Bad, Vorlesen, Licht aus und aus die Maus? Frischgebackene Eltern lernen schnell, dass an dieser Idealvorstellung nichts dran ist. Denn Schlafen funktioniert bei Kindern ganz anders. Kinder brauchen Beziehungen, sie brauchen Zeit, sie brauchen Begleitung. Ja, vielleicht ist das am Ende die Grundfrage der Erziehung: Wie, um alles in der Welt, sollen diese unterschiedlichen Welten je zusammenfinden?
Und als wäre es nicht schon Zumutung genug, dass Kinder zum Schlafen unsere Nähe fordern, gibt es eine weitere Besonderheit, die am Kinderschlaf klebt wie Schokolade am Kindermund. Und diese führt uns zum Essen der Kleinen,
Es geht schon mit der Geburt los. Für den menschlichen Nachwuchs geht es jetzt darum, eine Schwachstelle auszubügeln, und zwar rasch. Denn verglichen mit den anderen Menschenaffen muss das Menschenkind den Mutterleib in einem noch sehr unreifen Stadium verlassen. Also aufholen. Das Gehirnvolumen des Neugeborenen wird sich in nur einem Jahr verdoppeln. Und dann bis zum dritten Geburtstag noch einmal. Über 100 Billionen Verknüpfungen werden dabei zwischen den Nervenzellen angelegt, die insgesamt auf eine Gesamtlänge von über 100 000 km anwachsen (das ist mehr als zweimal am Äquator entlang rund um die Erde!). Das bedeutet Hochleistung - auch in Sachen Ernährung. Nervenzellen sind die hungrigsten Zellen überhaupt. Kein Wunder also, dass Säuglinge...
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