Schweitzer Fachinformationen
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von Manja Plehn
Nur bei einer ausreichenden und ausgewogenen Ernährung kann erreicht werden, dass Kinder das Potenzial ihrer körperlichen und auch geistigen Leistungsfähigkeit entfalten und nutzen können. Wie eine gute und gesunde Ernährung aussehen sollte, die den physiologischen Bedürfnissen der Kinder im Grundschulalter entspricht, war Thema des ersten Kapitels dieses Buches.
Die folgenden Kapitel rücken die pädagogische Gestaltung der Mittagessenssituation in Hort und Angeboten ganztägiger Bildung und Betreuung in den Fokus. Wobei die Mittagszeit über den Aspekt der Nahrungsaufnahme hinaus verstanden wird als ein Lern- und Lebensraum, denn das (gemeinsame) Essen hat auch soziale und kulturelle Dimensionen:
Menschen müssen essen, um zu überleben. Menschen können alles essen, was nicht giftig ist. Jedoch fehlt ein internes Steuerungssystem, das die Nahrungswahl leitet. Daher sind für die alltägliche Ernährungsversorgung ess-kulturelle Systeme entstanden, die zeigen, was üblicherweise in einer bestimmten örtlichen und kulturellen Region gegessen wird, was als "normal" gilt (vgl. Barlösius 1999, MethfesseI 2005). In allen Kulturen gibt es solche Systeme, die nicht nur regeln, was, sondern auch wie gegessen werden soll. Dies sind soziale Normen mit hohem Verbindlichkeitsgrad. Auch sie bestimmen das gemeinsame Essen: "Durch diese Vorstellungen und Erwartungen wird das ursprüngliche triebhafte Bedürfnis, zu essen, kultiviert bzw. zivilisiert" (Leonhäuser et al. 2009: 21).
Was und wie gegessen und getrunken wird, ist also abhängig von den Kulturkreisen der Lebensgemeinschaften. Es ist gleichzeitig Ausdrucksmittel der Menschen und dient damit der symbolischen Kommunikation. Dieses spiegelt sich in Gerichten, Rezepten und Ritualen wider und dient als individuelles und gemeinschaftliches Verständigungsmittel (vgl. Heindl, Methfessel & Schlegel-Matthies 2011: 195). Das gemeinsame Essen ist gemeinschaftsbildend. Kulturübergreifend lässt sich festhalten: "Gleichgültig welche Funktion man (der gemeinsamen Mahlzeit) zuordnet (...), unbestritten ist, dass es keine andere soziale Institution gibt, die in ähnlicher Weise Gleichheit, Gemeinschaft, Zugehörigkeit symbolisiert" (Barlösius 1999: 166).
Die Regeln und Strukturen, denen das gemeinsame Essen unterliegt, das Ernährungsverhalten, wird im Laufe des Sozialisationsprozesses erlernt. Nicht selten ergeben sich dabei Konflikte zwischen Erwachsenen und Kindern, denn nicht immer stimmen die Normen und Werte der Erwachsenen überein mit den Vorstellungen der Kinder. Und so ist das gemeinsame Essen ein durchaus streitbarer Schauplatz, auf dem es auch um gemeinsame Absprachen, Kompromisse und Angleichungsprozesse geht.
Der Einkauf von Lebensmitteln, die Zubereitung von Nahrungsmitteln, das gemeinsame Essen sind Erfahrungsfelder - und somit zugleich Lernfelder. Hort, Ganztagschule und Schulkindbetreuung können diesen ganzen Komplex als pädagogisches Handlungsfeld verstehen. Für pädagogische Kontexte führt dies zum Auftrag der Ernährungsbildung.
Kinder haben prinzipiell das Recht "auf eine Bildung, welche ihnen die Erlangung und Sicherung einer zufriedenstellenden Lebensqualität und die gestaltende Teilhabe an der gemeinsamen Kultur ermöglicht" (Heindl, Methfessel & Schlegel-Matthies 2011: 191). Ernährungs- und gesundheitspädagogisches Handeln rund um die Schulverpflegung ist damit ein demokratisches Gebot.
Zunehmend mehr Kinder können Ernährungskompetenzen weniger in der Familie erlernen, da sie ein bis drei Mahlzeiten täglich nicht mehr zu Hause einnehmen, sondern sich in einer pädagogischen Institution aufhalten. "Im häuslichen Umfeld wird weniger gekocht und diese Entwicklung führt zu einem schleichenden Wissensverlust um Auswahl, Einkauf und Zubereitung von Lebensmitteln" (Kuttenkeuler 2018: 76). Daher bekamen (Ganztags-)Schulen (bereits vor ca. zehn Jahren) die gesellschaftliche Verantwortung übertragen, die Kinder bei ihrer Entwicklung von Allgemeinbildung und Alltagskompetenzen zur Ernährungs- und Verbraucherbildung zu unterstützen.
Das Themenfeld Ernährung ist angesiedelt im Kontext der Verbraucherbildung: Verbraucherbildung will aufklären und Bewusstsein schaffen für eine selbstbestimmte, verantwortungsvolle und gesundheitsförderliche Lebensführung. Dies ist ein lebenslanger Lernprozess, der darauf abzielt jeden Einzelnen zu befähigen, verantwortungsbewusst zu handeln und sinnvolle Entscheidungen zu treffen (https://www.verbraucherbildung.de/ernaehrung-und-gesundheit).
"Im Bildungssystem (institutionelle Bildung) wird unter Ernährungsbildung die Initiierung und Begleitung eines Lernprozesses zur Gestaltung einer individuell erwünschten und gesellschaftlich sinnvollen Ess- und Ernährungsweise verstanden. Diese beinhaltet vor allem gesundheitliche, soziale, kulturelle, ökonomischeundökologischeDimensionen. Ernährungsbildung soll Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei der Entwicklung einer eigenverantwortlichen Ess- und Ernährungsweise unterstützen und begleiten. [.]" (D-A-CH-Arbeitsgruppe zur Ernährungs- und Verbraucherbildung 2015, S. 11).
Die einzelnen Säulen der Ernährungsbildung sind
die Qualität der Schulverpflegung,
die Mahlzeitengestaltung,
gezieltdurchgeführteernährungsbezogeneLehr-Lern-Arrangementsimformalen sowie im non-formalen Bildungsbereich der Ganztagsschule.
Die Ernährung ist weltweit mit bis zu 30 Prozent an den Klimagasemissionen beteiligt. Wie wir uns ernähren, beeinflusst also nicht nur unser eigenes Wohlergehen, sondern auch das Wohl heutiger und zukünftiger Generationen. Eine nachhaltigere Ernährung
1.gewährleistet die sozialen Mindeststandards entlang von Wertschöpfungsketten,
2.ist umwelt- und klimaschützend und passt zu den mittel- und langfristigen Nachhaltigkeitszielen Deutschlands,
3.unterstützt mehr das Wohl von Tieren und wird damit den sich wandelnden ethischen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht,
4.isteine gesundheitsförderndeErnährung, die zu einerhöherenLebenserwartung, mehr gesunden Lebensjahren und mehr Wohlbefinden für alle beiträgt
(vgl. DGE 2020: 25).
Viele Lebensmittel tragen einen erheblichen Fußabdruck in Hinblick auf Umwelt, Klima, soziale Aspekte und Tierschutz, da sie zunehmend in komplexen und globalen Wertschöpfungsketten produziert werden. Die DGE hält es daher für unerlässlich, die Schulverpflegung so zu gestalten, dass nicht unnötig Ressourcen verbraucht werden (DGE 2020: 26), ein Aspekt, den bereits Perry in den Fokus gerückt hat ( Kap. 1.7). Der aktuelle Qualitätsstandard für die Schulverpflegung zeigt querschnittsmäßig in allen Schritten vielfältige Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit - von der Planung über Einkauf, Verzehr und Entsorgung bis hin zur Reinigung (DGE 2020: 10).
Eine bedarfsgerechte und ernährungsphysiologisch ausgewogene Schulverpflegung ist die Basis für das pädagogische Handlungsfeld Ernährungsbildung, das Kindern im Grundschulalter die Chance bieten kann, einen gesunden Ernährungs- und Lebensstil zu entwickeln (vgl. Kuttenkeuler 2018: 7).
Essen soll aber vor allem Spaß machen, ein Gefühl des Genusses vermitteln und als "Qualitätszeit" dienen: Beispiele dafür, wie pädagogische Fachkräfte in Hort und Angeboten ganztägiger Bildung und Betreuung dazu beitragen können, zeigen die folgenden Kapitel.
Die konkreten Vorschläge zur Ausgestaltung der pädagogischen Praxis gehen aus von den Bedürfnissen der Kinder im Grundschulalter. Im Fokus stehen die Fragen: Welche altersspezifischen Entwicklungsbedürfnisse haben Kinder im Grundschulalter? Was treibt sie an in ihrem Leben? Womit beschäftigen sie sich am liebsten und welche Zusammenhänge gibt es zur Essenssituation? ( Kap. 4).
Die verschiedenen Situationen im Themenbereich Essen beinhalten ein großes Potenzial dafür, dass Kinder ihre entwicklungsspezifischen Bedürfnisse und Lebensthemen ausagieren können. Werden sie dabei von den pädagogischen Fachkräften begleitet und unterstützt, kann dies die Entwicklung und Bildung der Kinder positiv beeinflussen ( Kap. 5 und 6).
Die soziale Situation ist eingebettet in rahmende Strukturen, die sie beeinflussen. Hiermit sind organisatorisch-strukturelle Aspekte angesprochen, die von der Gestaltung des Raums, der zeitlichen Abläufe bis hin zur Gestaltung der Übergänge im Tageslauf reichen ( Kap. 7).
In einer bundesweiten Erhebung zur Qualität der Schulverpflegung bestätigten nur 12,3 Prozent der befragten Kinder, dass sie an der Gestaltung des Verpflegungsangebotes in irgendeiner Form beteiligt sind. Die Perspektive der Kinder - der Nutzenden bzw. Kunden - wird damit bislang bedeutend vernachlässigt (vgl. BMEL 2015: 71). Aber Kinder wollen beteiligt werden. Sie wollen teilhaben am "wahren" Leben. Will pädagogisches Handeln zu eigenverantwortlichem Leben befähigen, geht das nur, indem Kindern genau dazu Raum gelassen wird. Dies ist zudem verbrieftes Recht in der UN-Kinderrechtskonvention. Aus diesem Grunde wird der Partizipation ein eigenes Kapitel gewidmet ( Kap. 8).
Ein erfolgreiches Konzept der Essensverpflegung in Hort und Angeboten ganztägiger Bildung und Betreuung muss eine...
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