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2. Sachenrechtliches
2.1 Eigentum, Freiheit und Bindung
Das römische Eigentum (dominium, proprietas) ist die umfassende private Berechtigung an einem Gegenstand (res); die "privatrechtliche Vollherrschaft, die innerhalb der von der Rechtsordnung und der Privatautonomie gezogenen Grenzen jede rechtliche und tatsächliche Verfügung über die Sache gestattet"1. Der Begriff res geht weiter als unser Sachbegriff nach § 90 BGB, da er auch unkörperliche Gegenstände (z. B. eine Forderung) erfasst2; außerdem fallen auch Sklaven darunter. Dem Eigentum als a priori unbeschränkter Herrschaftsmacht an einer Sache stehen wie im geltenden Recht die beschränkten Sachenrechte gegenüber, die dem Berechtigten nur einen Teil dieser Rechtsmacht gewähren, wie Dienstbarkeiten, Nießbrauch und Pfandrecht. Die Herausarbeitung des Gedankens eines absoluten Eigentumsbegriffes ist eine der Leistungen der römischen Juristen; unser heutiger Eigentumsbegriff beruht darauf. Am Eigentumsrecht zeigen sich viele das römische Recht generell prägende Grundzüge. Es ist freiheitlich, liberal, dem Individuum verpflichtet3; das Privatrecht ist ein "monumentum aere perennius des römischen Freiheitssinns"4. Jeder, soweit er rechtsfähig ist, kann grundsätzlich an allem Eigentum haben, was des Privateigentums fähig ist. Dies fehlt insbesondere bei den Göttern geweihten Sachen (res divini iuris, wie z. B. Tempel) und Sachen des Gemeingebrauchs (wie z. B. Meeres- und Flussufer). Der Staat hält sich zurück, wo er kann; die Möglichkeit einer Enteignung zum öffentlichen Wohl besteht zwar, es wird von ihr aber nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht. Daran wird auch offenbar, dass dieses Recht im Wesentlichen ein Recht der besitzenden Klasse ist. Das verbreitete Bild des stur-egoistischen, allein individuellen Interessen dienenden römischen (Eigentums-)Rechts ist gleichwohl zu einseitig5. Der Gedanke der Gemeinwohlbindung ist auch ihm nicht fremd. So heißt es in den Institutionen:
Inst. 1, 8, 2
Expedit enim rei publicae, ne quis re sua male utatur.
Denn es ist dem Gemeinwesen förderlich, dass niemand seine Sache missbraucht.
Das Eigentum unterliegt wie heute öffentlich-rechtlichen und nachbarrechtlichen Beschränkungen (Immissionsschutz, Baurecht etc., schon die XII Tafeln enthalten entsprechende Vorschriften). Auch die Schranke des Rechtsmissbrauchs ist bekannt: Dem Gedanken, dass eine Rechtsausübung, die dem Berechtigten nichts nützt, aber anderen schadet, von der Rechtsordnung zu missbilligen sei, haben die römischen Juristen im Einzelfall über die Arglisteinrede, die exceptio doli, Wirksamkeit verliehen, bevor dies unter philosophischem Einfluss als allgemeines Prinzip Anerkennung fand6. Celsus prägt den Satz neque malitiis indulgendum est7 - "reine Bosheit ist nicht zu dulden", und schränkt ganz konkret die Befugnis des Besitzers ein, mit einem herauszugebenden Grundstück verbundene Sachen wieder zu entfernen oder zu zerstören, wenn damit nur dem klagenden Eigentümer geschadet werden soll8. Bedeutung gewinnt auch das Schutzrecht für Sklaven gegenüber der Willkür des Eigentümers in den Konstitutionen des Antoninus Pius (Mitte des 2. Jahrhunderts), von denen Gaius zustimmend berichtet: [.] et recte fit: male enim nostro iure uti non debemus9 - "und dies geschieht zu Recht, denn wir dürfen unser Recht nicht missbrauchen". Die Sklaverei wird übrigens in manchen Juristenschriften bereits als contra naturam, wider die Natur, angesehen, da alle Menschen frei geboren seien, aber als soziale Realität akzeptiert10. Immerhin wird in vielen Fällen, in denen darüber zu entschieden ist, ob eine Person frei oder Sklave sei, im Zweifel zugunsten der Freiheit entschieden (favor libertatis) - was der Sklaverei freilich wenig von der ihr anhaftenden verstörenden Unmenschlichkeit nimmt.
Eine wichtige Erkenntnis in diesem Zusammenhang besteht zudem darin, dass die römische Gesellschaft dem Recht keineswegs die Aufgabe zuweist, jedwede Frage des Zusammenlebens abschließend zu regeln11. Neben dem ius stehen die mores, die überlieferten ethischen Sittengebote, und beide sind ineinander verschränkt. Recht ist nicht Allheilmittel, nicht "umfassendes Instrument der Sozialgestaltung"12. Es bestehen vielfache moralisch-gesellschaftliche Bindungen des Einzelnen (die officia), die die römische Gesellschaft an allen Stellen durchwirken und vom Recht schlicht vorausgesetzt und daher nicht als Norm formuliert werden. Die fides, die Treue, die Bindung an das Wort, ist nicht nur Grundlage des Rechts, sondern generell der römischen Gesellschaftsordnung (als Ideal). Die Treueverhältnisse in der römischen Gesellschaft sind sehr zahlreich und mit einer Fülle von außerrechtlichen Verpflichtungen verbunden; besonders gilt dies für die amicitia13, die Freundschaft. "Das Privatrecht ist von den Römern individualistisch gestaltet worden im Vertrauen auf die Fülle und Stärke außerrechtlicher Bindungen und im Vertrauen auf das magistratische Imperium"14. Betrachtet man nur das eine ohne das andere, ist das Gesamtbild notwendigerweise unvollständig, oder in den Worten Horaz': Quid leges sine moribus vanae proficiunt15 - "Was nützen die bloßen Gesetze, wenn sittliche Gebote fehlen?"
2.2 Die Herausgabeklage: Rei vindicatio
Fall 2
Aulus hat von Numerius einen Sklaven namens Pamphilus gekauft. Numerius übergibt ihm den Sklaven, Aulus zahlt den Kaufpreis. Nach wenigen Tagen trifft Numerius den Pamphilus zufällig und überredet diesen, wieder zu ihm zurückzukehren, weil er dessen Dienste doch nicht entbehren will. Als Aulus dies entdeckt, fordert er Numerius umgehend auf, den Sklaven ihm als seinem Eigentümer unverzüglich zurückzugeben.
Um sein Begehren erfolgreich durchsetzen zu können, muss Aulus als nichtbesitzender Eigentümer eine Klage gegen den besitzenden Nichteigentümer16 auf Herausgabe haben. Dies ist, wie bei uns heute § 985 BGB, die rei vindicatio. Die Formel dieser actio lautet folgendermaßen17:
Titius iudex esto. si paret hominem, quo de agitur, ex iure Quiritium Auli Agerii esse, neque ea res arbitrio tuo Aulo Agerio restituetur, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito.
Titius soll Richter sein. Wenn es sich erweist, dass der streitgegenständliche Sklave nach quiritischem Recht dem Kläger gehört, und er nicht nach Aufforderung des Richters dem Kläger herausgegeben wird, dann sollst du, Richter, den Beklagten zugunsten des Klägers zur Zahlung derjenigen Summe verurteilen, den die Sache wert sein wird; wenn es sich nicht erweist, sollst du freisprechen.
Die rei vindicatio ist eine alte und ehrwürdige, noch auf das Legisaktionsverfahren zurückgehende Klage18 des ius civile. Sie ist actio in rem, eine dingliche Klage, im Gegensatz zur actio in personam, der schuldrechtlichen Klage (wie z. B. die Kaufklage oder die Klage aus Delikt). Diese Unterscheidung hat eine hohe prozessuale Bedeutung. Der römische Prozess kann durch die litis contestatio nur zustande kommen, wenn sich beide Parteien dem Richterspruch vorab unterwerfen (wie bei der Übersicht über den Zivilprozess bereits angedeutet). Auch das ist etwas, was wir im modernen Prozess nicht kennen: wir sagen, dass man in einen Rechtsstreit "hineingezogen" oder mit einer Klage "überzogen" wird, die man letztlich nicht verhindern kann. Der römische Prozess ist dagegen auf Streitschlichtung durch Übereinkunft ausgelegt (v. Jhering19). Bei den actiones in personam besteht Einlassungszwang. Verweigert sich der Beklagte gleichwohl, weist der Prätor dessen gesamtes Vermögen direkt dem Kläger zu, der es dann im Wege der Zwangsvollstreckung versteigern lassen kann (missio in bona). Angesichts dieser extremen Folge ist es für den Beklagten angeraten, sich auf den Prozess einzulassen. Anders sieht der Weg dagegen bei den actiones in rem, den dinglichen Klagen, aus. Diese richten sich nicht gegen die Person, sondern eigentlich gegen den Gegenstand, auf den der Berechtigte zugreifen darf, wo immer er ihn antrifft, daher auch die Bezeichnung in rem. Erst mit der litis contestatio wird dieses Recht zu einem Anspruch gegen den Beklagten. Dies lässt sich gut an der Klageformel erkennen: Denn folgerichtig erscheint der Name des Beklagten dort nicht in der intentio, dem Klagebegehren (wie bei der schuldrechtlichen Klage gegen die Person), sondern erst im Verurteilungsbefehl, der condemnatio. Daher kann der Beklagte nicht gezwungen werden, an der Streiteinsetzung mitzuwirken: Es besteht Einlassungsfreiheit (invitus nemo rem cogitur defendere20). Aber auch hier hat das römische Recht Mittel gefunden, dem Kläger auf indirektem Weg zu helfen. Verweigert sich der Beklagte, kommt der Prozess nicht zustande. Der Prätor gibt dem Kläger aber die actio ad...
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