Psychoregulation
Kollektive Reaktion
Psycho-physische Regulation
Ein Tropfen trifft auf das Wasser und erzeugt eine Welle. Die Erschütterung verteilt und beruhigt sich, bis die Fläche wieder spiegelglatt ist. Milliardenmal am Tag, unendlich oft seit Anbeginn der Zeit. Immer wieder nach demselben, unermüdlichen Ritual.
Für die Psycho-Regulation findet sich kaum ein schöneres Sinnbild. Eine Störung, die das Gleichgewicht erschüttert hat, wird von den Kräften des Systems wieder ausbalanciert. Beim Wasser sind es Gravitation und Oberflächenspannung, die den Ausgleich rein physikalisch herbeiführen.
Der menschliche Organismus verfügt über eine Vielzahl solcher Ausgleichsund Anpassungsmechanismen: Physikalische, chemische und biologische, seelische und psychische. Wenn es uns zu warm wird, öffnet die Haut ihre Poren und verdunstet Feuchtigkeit. Wenn uns etwas bedroht, steigen Herzschlag, Atmung und Blutdruck, damit uns Kräfte für Angriff oder Flucht wachsen.
Der Organismus leistet täglich Millionen solcher Regelungen. Unermüdlich, genau und mit schlafwandlerischer Sicherheit. Beim Neugeborenen, beim Greis und beim Leistungssportler. Im vegetativen Nervensystem laufen die Informationen zusammen und werden zum Wohle ihres Betreibers der jeweiligen Situation angepasst.
Manchmal kommt es allerdings zu Unstimmigkeiten. Du bist müde, willst einschlafen, weil morgen ein wichtiger Wettkampf bevorsteht. Aber dir gehen noch alle möglichen Dinge durch den Kopf. Erst langsam, dann immer schneller. Irgendwann malst du dir die schrecklichsten Fehlschläge aus, du bist hellwach und gerätst langsam in Panik.
Hat jeder von uns schon erlebt. Du willst Ruhe und Schlaf, aber Körper und Geist machen mobil. Obwohl du die Erholung doch dringend brauchst, laufen die Vorgänge im System eindeutig kontrovers. Für viele Wettkämpfer ist diese Schlaflosigkeit vor bedeutenden Starts übrigens selbstverständlich. Falls du dazu gehörst: Macht nichts.
Ein Gewehrschütze war vor Meisterschaften besonders intensiv von Schlafstörungen betroffen. Irgendwann war er es leid, sich über verspätetes Einschlafen und verfrühtes Aufwachen zu ärgern und machte die Nacht durch. Er fühlte sich ganz ohne Schlaf nicht schlecht und kam auch zu normalen Ergebnissen.
Nachfragen bei Fachleuten ergaben, dass eine schlaflose Nacht eigentlich keine Risiken mit sich bringt. Manche Therapien zur Depression bedienen sich dieser Methode sogar systematisch. Also erhob unser Schütze den Schlafentzug vor Wettkämpfen zum Prinzip. Auch die Nacht vor seinem Olympiasieg war eine schlaflose...
Normalerweise wird man einen langen, anstrengenden Wettkampftag lieber nach einem tiefen Schlaf angehen, denn ein ausgeruhter Organismus bringt mehr Spannkraft und Reserven an den Start. Warum nur können viele Wettkämpfer vor entscheidenden Gefechten nicht abschalten?
Verhaltensforscher erklären Stressreaktionen mit den Erfahrungen aus der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Wenn die Psyche eine Bedrohung ausgemacht hat, bleibt sie mobil, um jederzeit angriffsoder fluchtbereit zu sein. Während höhere Schichten um Ruhe bitten, bleiben die unterbewussten Mechanismen lieber im Alarmzustand. Welche Ebene sich durchsetzt, ist einerseits typund erfahrungsbedingt. Andererseits lassen sich die Vorgänge durch bewusste Einflüsse wie Atemkontrolle (oder Beruhigungsmittel?) regulieren.
Startfieber: Schützen, Golfer und verwandte Sportarten werden von dieser Stressreaktionen völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Sie möchten psychomotorische Feinarbeit abliefern, finden ihre Systeme aber unter Hochdruck. Mit rasendem Herzen, vibrierenden Muskeln und rasenden Gedanken ist es nicht leicht, sauber einzulochen oder auszulösen. Zusätzliche Herzschläge im falschen Moment sind äußerst lästig und absolut kontraproduktiv.
Ähnlichen Fehl-Mobilisierungen erleben wir...