Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Chunk #8: Menschliche Informationsverarbeitung fügt Sinneseindrücke aus der Umwelt und Erfahrungen aus dem Langzeitgedächtnis zusammen. Das geschieht in einer unendlichen Schleife (solange wir leben).
Unsere Welt ist ein fast unendlich großer Entscheidungsbaum und wir leben unser Leben, indem wir uns durch ihn hindurch bewegen, von der Geburt bis hin zum Tod. Es gibt Milliarden mögliche Wege, aber nur einen davon nehmen wir tatsächlich - er ist eine lange Kette von großen und kleinen Entscheidungen und wir tun gut daran, möglichst viele möglichst gute Entscheidungen zu treffen. Dazu brauchen wir entweder Glück oder Informationen. Nun, für Glück und seine Beeinflussung sind esoterische Ratgeber zuständig, hier geht es um Information und deren Beeinflussung, also um Kommunikation.
Alle Informationen, die wir für eine Entscheidung heranziehen, können nur aus zwei Quellen kommen: Aus der Umwelt oder aus unserem Langzeitgedächtnis. Das sind zwei Datensätze: Einer beschreibt die Gegenwart durch jene Informationen, die wir über die Sinnesorgane aufnehmen; der andere die Vergangenheit durch jene Informationen, an die wir uns erinnern. Gefiltert und neu verknüpft werden sie im Arbeitsgedächtnis, dort entscheiden wir uns an der aktuellen Kreuzung für einen Weg, dort geschieht die Navigation (mehr dazu im nächsten Abschnitt).
Kommunikation bedeutet, dass diese Datensätze von anderen Menschen beeinflusst werden. Und zwar entweder sofort, im Moment kurz vor unserer Entscheidung, oder langfristig, indem wir etwas gelehrt werden und es in unserem Langzeitgedächtnis verankert wird.
Grafik 2.1: Die zwei Quellen
Diese Signale prasseln aber nicht wahllos und durcheinander auf unser Arbeitsgedächtnis ein. Wir erinnern uns: Damit Wissen aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden kann, muss es zuvor gespeichert werden, und dazu muss es zuvor mit den Sinnesorganen aufgenommen werden. Auch mit der Umwelt entsteht ein Kreislauf. Kommunikation ist Interaktion, und wie das Wort sagt, reagieren wir nicht nur auf Signale. Wir agieren auch aktiv und senden Signale, auf die wiederum andere Menschen reagieren.
Systematisieren wir das:
Zunächst nehmen wir aktuelle Informationen über unsere Sinnesorgane wahr und leiten sie ans Arbeitsgedächtnis weiter.
Im Arbeitsgedächtnis filtern wir aus der Fülle der Eindrücke alle heraus, die uns gerade relevant erscheinen. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf das, was wir für wichtig halten.
Diesen gefilterten Teil der Informationen senden wir weiter ans Langzeitgedächtnis. Dort sollen die Eindrücke gespeichert und für später aufbewahrt werden.
Damit aktivieren wir auch bereits erlerntes Wissen und schicken es als Assoziationen oder Erinnerungen zurück ins Arbeitsgedächtnis.
Dort haben wir nun die Informationen aus den Sinnesorganen (Umwelt, Gegenwart) und dem Langzeitgedächtnis (Erfahrung, Vergangenheit) zusammengeführt. Mit diesen Informationen - und NUR mit diesen Informationen - treffen wir nun eine Entscheidung.
Dann handeln wir und setzen diese Entscheidung um (oder versuchen es zumindest).
Daraufhin passiert in der Umwelt etwas. Selbst wenn das Resultat nur darin besteht, dass sich nichts ändert, ergibt sich wieder eine Situation, die wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen und an unser Arbeitsgedächtnis weiterleiten. Wir sind erneut im ersten Schritt angelangt.
Die menschliche Navigation ist also eine unendliche Schleife: wahrnehmen, filtern, lernen, erinnern, entscheiden, handeln, wahrnehmen, filtern, lernen, erinnern, entscheiden und immer so weiter.
Grafik 2.2: Die unendliche Schleife der menschlichen Informationsverarbeitung
Der linke Teil der Schleife versinnbildlicht jene Informationen, die von außen hereinkommen. Was immer die Umwelt an Informationen liefert, erreicht uns über die Sinnesorgane. Der rechte Teil der unendlichen Schleife stellt unser Langzeitgedächtnis dar, in dem das, was wir bereits als wissenswert abgespeichert haben, für spätere Verwendung aufgehoben wird. Doch ohne das zentrale Mittelstück, an dem sich die beiden Schleifenteile berühren und austauschen, würden uns diese beiden Quellen nicht das Geringste nützen. Das Mittelstück ist unser Arbeitsgedächtnis. Es ist der entscheidende Knoten, an dem alles zusammenkommt.
Auf einfache Reize können Menschen in etwa 0,15 bis 0,2 Sekunden mit einfachen Handlungen reagieren. Das wird natürlich von verschiedenen Rahmenbedingungen beeinflusst, wie Alter, Müdigkeit und auch, welches Sinnesorgan angesprochen wird, aber für unsere Zwecke reicht das als Angabe. Daraus ergibt sich, dass zwischen dem Aufnehmen einer Information im ersten Schritt der unendlichen Schleife und der Handlung im sechsten Schritt in etwa dieser Zeitraum vergeht. Das bedeutet: Pro Sekunde durchlaufen wir diese Schleife also fünf bis sieben Mal.
Doch wir handeln ja oft sehr viel langsamer, denken mehrere Sekunden, Minuten oder gar Stunden über eine Entscheidung nach - oder lesen in einem Text weiter und informieren uns besser, bevor wir entscheiden. Auch in diesen Fällen durchlaufen wir die Schleife fünf bis siebenmal pro Sekunde, denn unser Körper hält in dieser Zeit ja die Arbeit nicht an. Sowohl Sinnesorgane als auch Gehirn arbeiten.
Jedes Mal treffen wir dabei in Schritt 5 eine Entscheidung und setzen in Schritt 6 eine Handlung und bekommen in Schritt 1 Informationen über unsere Sinnesorgane. Diese Entscheidung kann eben auch lauten »Ich denke weiter nach« oder »Ich lese weiter«, und die Handlung ist dann die entsprechende. Im Entscheidungsbaum steht man in dieser Zeit quasi auf der Stelle.
Wenn wir eine Sekunde regungslos vor der Kaffeemaschine stehen und sie ansehen, sind das eben fünf bis sieben Schleifendurchläufe, in denen wir nachgedacht und die Maschine angesehen haben. Erst wenn wir entschieden haben, den Knopf zu drücken oder nicht, gehen wir einen Schritt weiter im Entscheidungsbaum.
Diese unendliche Schleife der menschlichen Informationsverarbeitung erfüllt eine zentrale Funktion im Navigationsmodell, wir werden intensiv mit ihr arbeiten.
Faszinierend dabei ist, dass die beiden Schleifenhälften in ihrem Übertragungsvolumen nahezu unlimitiert sind. Es fühlt sich im alltäglichen Informationsüberfluss oft nicht so an, aber es ist so: Sowohl unsere Sinne als auch unser Langzeitgedächtnis sind prinzipiell unlimitiert. Das heißt im Umkehrschluss leider nicht, dass wir alle Informationen auch abrufen können, schon gar nicht zu jedem gewünschten Zeitpunkt. Sie kennen das.
Das Arbeitsgedächtnis als die Schnittstelle der beiden Schleifenhälften ist dagegen, wie erwähnt, winzig. Dort können wir gleichzeitig nur fünf bis neun Informationsblöcke, so genannte Chunks, verarbeiten. Wir werden uns gleich noch im Detail damit beschäftigen. Die Existenz des Arbeitsgedächtnisses, dieses mikroskopische Herzstück unserer Informationsverarbeitung, macht im Grunde erst die Relevanz des Modells aus.
Alles, was durch die schmale Stelle des Arbeitsgedächtnisses passen soll, muss beim zweiten Schritt der unendlichen Schleife gefiltert und beim fünften Schritt für die Entscheidung bearbeitet werden. Für beides nutzen wir Heuristiken, diese kognitiven Strategien mit Mustern, Faustregeln und Abkürzungen, mit denen wir zu unseren Zielen navigieren. Sie helfen uns auch und vor allem, wenn wir weder genug Wissen noch genügend Zeit zur Verfügung haben, um uns alles immer bis ins Letzte ausrechnen zu können. Heuristiken wie die Verlustvermeidung im vorigen Kapitel sind keine Fehler, keine Abweichungen, keine Irrtümer der Natur, sondern großartige Mechanismen, die uns im Laufe der Evolution das Überleben eben ohne vollständige Information ermöglicht haben. Sie sind der Kern unserer menschlichen Intelligenz.
Unsere Gesprächspartner ticken daher genauso wie wir. Sie nehmen die Umwelt wahr, filtern diese Informationen im Arbeitsgedächtnis, lernen daraus, erinnern sich an frühere Ereignisse, fügen all das zusammen zu ihrem entscheidenden Wissen und reagieren dann.
Und diese Reaktion können wir beeinflussen, indem wir dafür starke Signale senden, die sie verarbeiten. Denn wir sind die Umwelt unserer Gesprächspartner, sie nehmen wahr, wie wir kommunizieren und handeln. Sie haben sich oft noch gemerkt, wie wir zuvor gehandelt, was wir früher gesagt haben, und können das abrufen.
Unsere Wahrnehmung ist oft gleichzeitig die Handlung eines anderen Menschen, umgekehrt sind unsere Handlungen wiederum die Wahrnehmung anderer. Wie wir gesehen haben, sind diese Wahrnehmungen nicht objektiv, sie sind auch nicht neutral. Sie sind beeinflussbar durch starke Signale.
Ihre Erinnerungen sind beeinflussbar. Ihre Aufmerksamkeit ist beeinflussbar. Ihre Heuristiken im Moment der Entscheidung sind beeinflussbar. All das sind keine Fehler, sondern jeweils ureigener Zweck menschlicher Informationsverarbeitung. Wenn man Menschen die »richtigen« Daten liefert oder vorenthält, wirkt sich das aus. Wir erinnern uns: Wenn unser Gegenüber es schafft, mit seiner Kommunikation eine der relevanten...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.