Schweitzer Fachinformationen
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Ich hatte mich verfahren.
Ich hatte mich so was von verfahren. Vor lauter Verzweiflung darüber, wie sehr ich mich verfahren hatte, bekam ich fast keine Luft mehr. Ich hatte mich so sehr verfahren, dass ich mich schon fragte, ob ich womöglich in einer anderen Dimension gelandet war und für immer verschollen bleiben würde. Seit über einer Stunde hatte ich kein anderes Auto geschweige denn ein menschliches Wesen zu Gesicht bekommen. Vielleicht war ich der letzte Mensch auf Erden. Vielleicht waren alle anderen von Außerirdischen entführt worden. Nur ich hatte mich so gründlich verfahren, dass mich nicht einmal die Aliens finden konnten.
Egal. Paralleluniversum und kidnappende Aliens hin oder her, meine Frustrationsgrenze war inzwischen weit überschritten. Und wenn ich frustriert bin, fange ich an zu weinen.
In diesem Moment war ich ganz kurz davor. Das hasse ich an mir.
Und genau deshalb lenkte ich, als ich ein Stück vor mir einen Aussichtspunkt entdeckte, meinen winzigen Mietwagen in die dazugehörige Parkbucht und brachte ihn zum Stehen. Weinen beim Autofahren ist wie Weinen während des Essens oder beim Sex: unangenehm, feucht (und nicht die gute Art von feucht) und gefährlich.
Ich versuchte nicht weiter über den Umstand nachzudenken, dass dieser Aussichtspunkt mir verdächtig bekannt vorkam. Ich war mir relativ sicher, dass ich bereits eine Stunde zuvor an exakt derselben Stelle angehalten hatte, bei dem vergeblichen Versuch, aus der Straßenkarte schlau zu werden, die mittlerweile zusammengeknüllt neben mir auf dem Beifahrersitz lag. Jetzt würde ich ebendiese Karte ein weiteres Mal konsultieren müssen, vermutlich mit dem gleichen Ergebnis: weitere zwei Stunden Irrfahrt auf diesen gottverfluchten Bergstraßen.
Die tiefen Atemzüge, die ich nahm, um mich zu beruhigen, klangen eher wie hysterisches Japsen. Ich riss die Straßenkarte an mich und schüttelte sie aus. Das laute Rascheln des Papiers unter meinen Händen verschaffte mir ein Gefühl tiefer Genugtuung. Ich räusperte mich. Ich starrte die Karte an. Ich starrte die Karte noch ein wenig länger an.
Und kam zu dem Schluss, dass sie von sadistischen Ägyptern mit Rechtschreibschwäche verfasst worden sein musste, sie bestand nämlich komplett aus Hieroglyphen sowie irgendwelchen unleserlichen Kritzelbildchen.
Ich verfluchte die Karte. »MOTHRAS NIPPEL, WIE ICH DIESE SCHEISSKARTE HASSE!«
Eine Woge irrationalen Zorns kochte in mir hoch und ich konnte an nichts anderes mehr denken, als daran, die Karte zu vernichten. Ich würde ihr schon zeigen, wer hier der Boss war.
Ich war der Boss. Nicht irgendeine dämonische, vollkommen fehlerhafte Straßenkarte. Mir blieb gar keine andere Wahl, als das Teufelsding mehrmals gegen das Lenkrad zu schlagen. Dabei schnaufte ich und stieß eine Reihe von Flüchen aus, die meinen Vater, einen ehemaligen Seemann, mit Stolz erfüllt - und ihm womöglich die Röte in die Wangen getrieben - hätten.
Als ich damit fertig war, öffnete ich, immer noch schnaufend und tobend, die Fahrertür und stieg aus. Ich schmetterte die Karte gegen die Karosserie meines Mietwagens, schleuderte sie zu Boden und trampelte darauf herum. Ich trat und attackierte sie auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Es ist mir ein wenig peinlich, es zuzugeben, aber in meinem blinden Zorn verhöhnte ich die Karte sogar. Ich stellte ihre Männlichkeit infrage, zeigte ihr den Stinkefinger und wünschte ihr sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch die Pest an den Hals.
Das hier war mein härtester Cardio-Work-out seit über zwölf Monaten.
Du dreckige Karte, was fällt dir ein, mich zu zwingen, Cardio-Training zu machen? Ich bring' dich um!
Anfangs merkte ich gar nicht, dass ich nicht mehr allein war. Zwar hatte ich vage mitbekommen, dass während meines Straßenkarten-Breakdance-Angriffs ein Pick-up-Truck an mir vorbeigefahren war, allerdings hatte ich ihn nicht weiter beachtet. Noch vor zwanzig Minuten hätte ich ihn angehalten oder mich schleunigst wieder ins Auto geschwungen, um ihm hinterherzufahren. Aber jetzt war ich hochrot im Gesicht, mir liefen der Rotz aus der Nase und der Schweiß über den Rücken. Das Letzte, was ich brauchte, waren Fotos von meinem Ausraster im Internet . auch wenn es nicht das erste Mal gewesen wäre.
Aber dann kam der Truck zurück. Das Geräusch von Reifen auf Kies ließ mich in meiner blindwütigen Gewaltorgie innehalten.
»So eine Kacke!«
Ich holte tief Luft und versuchte mich zu beruhigen. Gegen die Seite meines Wagens gelehnt schloss ich die Augen. Ich musste mich so schnell wie möglich sammeln, mein Lächeln aufsetzen und meinen berühmten Charme entfesseln.
Inzwischen bereute ich fast, dass ich meiner Schwester - die darüber hinaus auch noch meine überaus kompetente Managerin war - nicht erlaubt hatte, mich zu begleiten. Aber nein, ich hatte ja unbedingt allein sein wollen. Ein bisschen Ruhe und Frieden genießen. Die Welt war mir zu laut geworden, die Studios zu dreist, die Paparazzi zu aufdringlich.
Vergangenen Monat war in meinem Haus in L.A. viermal eingebrochen worden. Dreimal waren es übermütige Fans gewesen, aber ein Einbruch ging auf das Konto einer Reporterin, die auf der Suche nach schmutziger Wäsche meine privaten Sachen durchwühlt hatte. Erfolglos, denn ich besaß keine schmutzige Wäsche. Nicht das kleinste Fitzelchen. Mein Leben war ein offenes Buch. Wie auch immer. Jedenfalls hatte ich meine Schwester dieses eine Mal nicht dabeihaben wollen. Und meine Leibwächter waren noch in Knoxville. Und jetzt hatte ich mich verfahren. Ich hatte eine Auszeit von meinem Leben als Sienna Diaz gewollt. Und wäre ich im Besitz einer anständigen Straßenkarte gewesen, hätte ich die vielleicht auch bekommen. Aber so .
Ich schielte zur Seite und versuchte durch den Vorhang meiner dunkelbraunen Haare einen Blick auf den Fahrer des Trucks zu erhaschen - in erster Linie, um herauszufinden, ob ich gefilmt wurde. In dem Moment fielen mir die Signalanlage auf dem Wagendach sowie das Emblem an Tür und Motorhaube auf.
Es war also ein offizielles Fahrzeug. Und der Mann darin - der nun ausstieg und die Sonnenbrille abnahm - war ebenfalls in offiziellem Auftrag unterwegs, denn er trug eine Uniform inklusive Hut und Gürtel, an dem allerlei Gerätschaften befestigt waren. Ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst.
DANKE, UNIVERSUM.
Ich warf mir die Haare aus dem Gesicht, wischte mir mit dem Handrücken notdürftig über Wangen und Stirn und war heilfroh, meinen Charme wider Erwarten nun doch nicht bemühen zu müssen. Polizisten und andere Staatsdiener machten für gewöhnlich keine Amateurvideos mit dem Handy. Und wenn doch, wurden sie dafür gefeuert. Ich konnte also meine professionelle Maske zusammen mit Satans zerfledderter Straßenkarte getrost im Staub liegen lassen.
Als ich mich aufrichtete und zu dem Mann umdrehte, sah ich, wie dieser automatisch seine Schritte verlangsamte. Er wirkte verblüfft und unverhohlene Neugier erhellte sein Gesicht. Ich war erkannt worden. Ich schenkte ihm ein kleines, schmallippiges Lächeln, damit er Zeit hatte, seinen ersten Schock zu überwinden. Doch diese Zeit brauchte er gar nicht, denn seine Verblüffung machte gleich darauf einer Art wohlmeinender Belustigung Platz. Seine linke Augenbraue wanderte ein kleines Stückchen in die Höhe, während sein Blick über meinen Körper glitt. Seine Lippen waren zusammengekniffen, als müsse er krampfhaft ein Schmunzeln unterdrücken. Irgendwann gab er den Kampf auf und grinste. »Abend, Ma'am«, grüßte er. Er hatte einen aufregenden Akzent und eine wunderschöne tiefe Stimme. Er tippte sich sogar an den Hut.
Und das war der Moment, in dem mir auffiel, dass Officer Grins-a-lot richtig süß war. Annähernd eins neunzig groß, funkelnde, von dichten Wimpern umkränzte Augen und ein markanter Kiefer, an dem ein dunkelbrauner Bart spross. Die meisten Menschen hätten ihn vermutlich nicht als süß beschrieben. Ich bin mir sogar relativ sicher, dass die Mehrheit der Frauen ihn als ultraheiße Schnitte bezeichnet hätte. Aber nach fünf Jahren in Hollywood hatte ich alle gut aussehenden Männer pauschal auf süß heruntergestuft.
In meiner Anfangszeit als Schauspielerin war ich mit vielen heißen Typen ausgegangen. Kleinen heißen Typen, großen heißen Typen, muskulösen heißen Typen, dünnen und kräftigen heißen Typen . Ich hatte heiße Typen jeder Art und Größe klargemacht. Doch im Lauf der Jahre hatte ich eins feststellen müssen: Je heißer der Typ, desto mehr glich sein Verhalten dem eines verzogenen, unselbstständigen Kindes. Außerdem konnte ich es mir gar nicht leisten, mich mit Männern abzugeben. Meine Karriere ging vor. Wie meine Schwester nicht müde wurde zu betonen: Wenn ich Erfolg haben wollte, durfte ich meine Zeit nicht mit heißen Typen verplempern. Und mit anderen Typen auch nicht.
Ich quittierte seinen höflichen Gruß mit einem Nicken, während ein Windstoß mich zwang, mir meine langen Haare aus dem Gesicht zu halten. »Howdy, Partner.«
Im nächsten Moment...
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