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Der Alternative Rock, mehr dazu im entsprechenden Kapitel, schlug danach wilde Triebe: Nirvana-Drummer Dave Grohl nahm, anfangs als Ein-Mann-Projekt, das gleichnamige Debüt der Foo Fighters auf. Mit denen würde er in den folgenden Jahren zur größten und sympathischsten U50-Rockband der Welt aufsteigen und Humor in Musikvideos zurückbringen. Auch Ü50 und trotz des Todes von Drummer Taylor Hawkins im März 2022 würde sich daran mittelfristig nicht viel ändern - 2023 gingen die Foo Fighters mit ihrem elften Album But Here We Are wieder auf Tour. Nirvana-Bassist Krist Novoselic schlug übrigens keine derartige Karriere ein. Er verdingte sich in diversen kleineren Bands und Projekten und ging zwischenzeitlich in die Politik. Der sogenannte Post-Grunge von wieder testosterongeschwängerten, aber sich sensibel gebenden Breitbein-Bands wie Matchbox 20, Fuel, Creed, Three Doors Down, Nickelback, Puddle of Mudd und Staind verstopfte in den USA die Alternative Charts, während sich in Australien Silverchair als von Nirvana beeinflusste Wunderkinder aufmachten und in England Bush um Sänger Gavin Rossdale ihr an den Seattle-Sound angelehntes, aber im Rahmen dessen durchaus eigenständiges (und erfolgreiches) Debüt Sixteen Stone aufnahmen. In Deutschland hießen die Nutznießer Selig, Vivid, Jonas oder Fritten & Bier, Nilz Bokelbergs Klamauk-Duo, die Alternative-Antwort auf Die Doofen, sozusagen.
Prägend (und ebenfalls von tragischen Schicksalen gezeichnet) sollten noch jene Bands sein, die fast zeitgleich mit Nirvana unterwegs waren: Core, das im September 1992 erschienene Debüt der Stone Temple Pilots aus San Diego, wurde achtmal mit Platin ausgezeichnet. Deren Sänger Scott Weiland starb 2015 mit 48 Jahren - an einer Überdosis. Alice in Chains aus Seattle brachten im selben Monat wie Core ihr zweites Album Dirt heraus. Fünfmal Platin. Deren Sänger Layne Staley starb 2002 mit 34 Jahren - an einer Überdosis. Und die schon vor Nirvana dagewesenen Soundgarden? Fanden im Jahr 2010 wieder zusammen, tourten, brachten Platten heraus, hatten die anstrengendste Phase ihrer Karriere mutmaßlich hinter sich gelassen. Bis zum 17. Mai 2017, als ihr legendärer und an Depressionen erkrankter Sänger Chris Cornell im Alter von 52 Jahren starb - unter Einfluss verschiedener verschreibungspflichtiger Medikamente nahm er sich das Leben. Nicht zu vergessen in dieser traurigen Ahnenreihe ist Mark Lanegan, damals Sänger von The Screaming Trees und danach als Solomusiker und Schriftsteller aktiv. Er starb im Februar 2022 mit 57 Jahren. Todesursache offiziell unbekannt.
Über die Epigonen sagte Ben Gibbard, Sänger und Gitarrist der ebenfalls aus Seattle stammenden Indierockband Death Cab for Cutie, im Gespräch mit Dave Grohl für eine Folge der Foo-Fighters-Musikdoku Sonic Highways 2014:
Das war lustig. Als der Begriff >Grunge< in der Welt war, kamen Bands hierher und wollten wie die anderen sein. Das Wort glich seitdem einer Abwertung. So wie Sunny Day Real Estate eine Emoband genannt wurden, aber in Wahrheit einfach die Ersten waren, die so klangen, und ihnen beschissene Bands folgten, die sie kopierten und >Emo< waren. So auch bei Grunge: Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam, sie alle klangen wie sie selbst und hatten wenige musikalische Ähnlichkeiten. Doch plötzlich kamen all diese Kackbands aus Orten wie Temple, Arizona und kriegten Plattendeals.
Modisch erfuhr Grunge zahlreiche Revivals: 2008 und 2013 brachte Designer Hedi Slimane für Yves Saint Laurent die Outfits zurück auf den Laufsteg - diesmal mit offiziellem Support von Cobains Witwe Courtney Love als »Muse«. Sie sagte damals: »Nichts gegen Marc Jacobs, aber er hatte es nie gecheckt. So wie das hier war es wirklich. Hedi kennt seinen Scheiß.« Sie spielte damit auf Marc Jacobs' Kollektion in den 90ern an, für die er sich auch an Nirvanas Smiley-Logo bediente, das im Grunde ja bereits eine Neuauflage des britischen Rave- und Acid-House-Icons war. Angeblich verbrannten Love und Cobain Jacobs' Stücke, die ihnen 1993 geschickt wurden. 2016 fand sich Grunge durch A$AP Rocky, Rihanna und Kanye West in der Hip-Hop-Mode wieder, durch eine neue Generation aber auch in der Musik: Der Emo- und Trap-Rapper Lil Peep, Geburtsjahr 1996, brachte einen Track namens »cobain« raus. 2017 starb er mit 21 Jahren - an einer angeblich versehentlichen Überdosis Schmerzmittel.
Verdient heute, über 30 Jahre nach dem großen Grunge-Boom und Cobains Tod, noch irgendjemand Geld damit? Der grüne Cardigan, den Cobain beim MTV Unplugged-Konzert trug, wechselte bei einer Auktion 2019 für 334 000 Dollar den Besitzer. Nirvana-Shirts hängen in den H&M-Filialen, gleich neben solchen von den Ramones, AC/DC und Guns N' Roses. Die Kids von heute nehmen Kurt Cobain und Nirvana etwa so wahr, wie Angehörige der Generationen X und Y in den 80er und 90er Jahren Jim Morrison und die Doors. Der als Nevermind-Baby berühmt gewordene Spencer Elden verklagte 2021 erfolglos die Nachlassverwalter der Band. Der Vorwurf lautete, sein nackiges, tauchendes Baby-Ich auf dem Cover von Nirvanas berühmtestem Album sei im Grunde Kinderpornographie gewesen. Von der habe er psychischen Schaden davongetragen. Ein unglaubwürdiger Versuch von Geldmacherei, so die öffentliche Mehrheitsmeinung, weil Elden über die Jahre hinweg durchaus immer wieder ein paar Dollar mit seinem Image machen wollte, indem er das Foto nachstellte. Das für die Geschichte des Grunge so wichtige Label Sub Pop aus Seattle hat sich einen neuen Namen durch Indie- und Singer-Songwriter-Platten gemacht. Mudhoney sind immer noch around, ihr elftes Album Plastic Eternity ist 2023 erschienen - so erfolgreich wie die berühmteren Söhne ihrer Stadt werden sie auch damit nicht mehr werden. Eddie Vedder ist der einzige überlebende Frontmann der Big Three. Geschafft haben dürften er und seine Rockband das unter anderem deshalb, weil sie sich frühzeitig von ihrem zugeschriebenen Genre emanzipierten, nicht aber von ihren Einflüssen, ihrer Spielfreude und ihren Fans, die ihnen auf ihren regelmäßigen Welttourneen treu hinterherreisen, so wie es einst die Fans von Grateful Dead taten.
Der eigentliche Paradigmenwechsel Anfang der 90er war ein anderer. Kurt Cobain war nicht nur Aktivist, Feminist und - 20 Jahre vor Erfindung des Begriffs der toxischen Männlichkeit - Kritiker des Patriarchats. Er war im Grunde der erste Emo, der den Mainstream jemals schief angelächelt hat. Vorher sah man auf den Bühnen Axl Rose, Jon Bon Jovi, Steven Tyler, all diese auf Monitorboxen mit aufgestelltem Knie posierenden Typen. Und plötzlich kam da ein Schluffi mit ungewaschenen Haaren und ausgewaschenem Pulli daher und schrie irgendwas von Depressionen und Mulattos, Albinos, Mosquitos sowie seiner Libido ins Mikro. Die eigentliche Emo-Szene fußt eher in Washington, D.C. und im Hardcore, siehe das Alternative-Rock-Kapitel. Dass es aber auch Cobains Verdienst war, dass heute, 30 Jahre später, Mental Health, Sucht und Depressionen unter Rock- und Popstars ernstgenommen werden, dürfte unstrittig sein. Streitbar bloß, weshalb dies so lange dauerte und wieso auch außerhalb des Grunge so viele Tote folgen mussten: Elliott Smith, Vic Chesnutt, Chester Bennington, Avicii, Keith Flint, Aaron Carter. Und so weiter.
Damals, am 8. April 1994, sagte Sabine Christiansen in den Tagesthemen über Kurt Cobain außerdem, dass er die »Stimme einer Generation« gewesen sei, die sich »auf der Suche nach neuen Werten« befand. Dass das nur in Teilen stimmt, wissen wir heute: Als Reaktion auf die Lebensverneinung von Cobain und seinesgleichen entwickelte sich diesseits des Atlantiks eine ganz andere Spielart der Rockmusik. Und damit schalten wir rüber zu Britpop.
1. Green River: »Swallow My Pride« (1985)
2. Malfunkshun: »With Yo' Heart (Not Yo' Hands)« (1986)
3. Mudhoney: »Touch Me I'm Sick« (1988)
4. Mother Love Bone: »Chloe Dancer / Crown of Thorns« (1989)
5. Temple of the Dog: »Hunger Strike« (1991)
6. Nirvana: »Smells Like Teen Spirit« (1991)
7. Pearl Jam: »Alive« (1991)
8. Screaming Trees: »Nearly Lost You« (1992)
9. Alice in Chains: »Would?« (1992)
10. Stone Temple Pilots: »Creep« (1992)
11. The Smashing Pumpkins: »Today« (1993)
12. Melvins: »Lizzy« (1993)
13. Soundgarden: »Black Hole Sun« (1994)
14. Hole: »Violet« (1994)
15. Mad Season: »River of Deceit« (1995)
Mit Nilz Bokelberg kann man stundenlang über Grunge (und viele andere Genres) in seiner Tiefe und Breite sprechen. Zum Beispiel über Eddie Vedders Grinsen, die Schönheit Evan Dandos, Chris Cornells sogenannte »Belting«-Gesangstechnik, den Singles-Soundtrack, Musikfernsehen und über Nilz' Teenie- und...
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