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Die wichtigste politische Kraft der deutschen Revolution 1918/19 war die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), deren Gründung auf das Jahr 1875 zurückgeht. Damals vereinigten sich in der thüringischen Residenzstadt Gotha der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein von Ferdinand Lassalle und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei unter der Führung August Bebels und Wilhelm Liebknechts zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), die 1890 in SPD umbenannt wurde und auch heute noch so heißt. Der Ort Gotha wird später, 1917, noch einmal eine bedeutende Rolle in der Parteigeschichte spielen. Die SPD war den Gedanken und Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels verpflichtet, die eine Überwindung des kapitalistischen Systems durch eine Revolution prophezeiten.
Diese Ideologie prägte die Partei besonders in der Zeit ihres Verbots durch das »Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« von 1878, besser bekannt als Sozialistengesetz. Dieses Gesetz verbot die SPD und untersagte allen Mitgliedern die politische Betätigung außerhalb eines bereits errungenen Mandats. Die Sozialdemokraten waren massiven Repressalien ausgesetzt, und viele Mitglieder emigrierten. Nach Bismarcks Entlassung als Reichskanzler wurde das Gesetz im Jahr 1890 nicht verlängert, und so konnte die SPD zwölf Jahre später wieder legal in Deutschland arbeiten und zu Wahlen antreten.
In einer sich seit den 1890er-Jahren innenpolitisch stabilisierenden Lage forderte Eduard Bernstein, der 1891 noch zusammen mit Karl Kautsky das revolutionäre Erfurter Programm verfasst hatte, bald eine neue, zukunftsweisende Ausrichtung der Partei und entfernte sich von marxistischen Grundlagen. In seinem Londoner Exil hatte er gründlich die Entwicklung während der vergangenen Jahrzehnte untersucht und bescheinigte der kapitalistischen Wirtschaft eine große Wandlungsfähigkeit. Sie sei in der Lage, durch Zugeständnisse seitens der Arbeitgeber die zuvor sehr hohen Belastungen der Arbeiter zu mindern. Nach Bernstein musste es demnach auch zukünftig möglich sein, auf diesem Weg die Verhältnisse der Beschäftigten spürbar zu verbessern und somit langfristig einen gesellschaftlichen Ausgleich herbeizuführen. Dieses Konzept, 1899 erstmals formuliert, stieß auf heftigen Widerstand innerhalb der Partei und wurde auf dem Dresdner Parteitag 1903 abgelehnt. Durch die damit verbundene Abkehr von revolutionären Prinzipien bekam es die Bezeichnung »Revisionismus«. Besonders um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die einer strengen marxistischen Richtung in der Partei angehörten, fand sich eine Gruppierung, die bis in die Revolution von 1918/19 hinein die traditionelle Position vertrat.
Ein Blick auf die deutsche Innenpolitik um die Wende zum 20. Jahrhundert schien aber der Programmatik Bernsteins in der Praxis Recht zu geben. Stellte sich in einem wirtschaftlich gefestigten, hochindustrialisierten und militärisch starken Staat unter monarchischer Führung tatsächlich noch die Frage einer Revolution, zumal die Arbeiter durch sichere Arbeitsplätze und steigende Löhne ebenfalls profitierten? Gewiss, vieles lag noch im Argen, wenn man nur an die Wohnverhältnisse in den Ballungszentren denkt, an die trotz der Sozialversicherungen immer noch schwierige Lage bei Krankheit oder im Alter - aber ließen sich diese Fragen nicht doch eher durch einen Dialog lösen?
Ein Blick in das Großherzogtum Baden scheint diese Annahme zu bestätigen. In dem durch den liberalen und beliebten Großherzog Friedrich I. regierten Bundesstaat hatte sich die SPD schon vor 1900 auf eine praktische Zusammenarbeit mit den liberalen Parteien und dem katholischen Zentrum verständigt. Obwohl von der Parteizentrale kritisiert, hielten die badischen Sozialdemokraten an ihrem Kurs fest, da aus Berlin keine praktikable Alternative aufgezeigt werden konnte. Aber auch in anderen Staaten - das Kaiserreich bestand aus 22 Bundesstaaten und den drei freien Städten Hamburg, Bremen und Lübeck sowie dem Reichsland Elsaß-Lothringen - spielte sich eine Zusammenarbeit in den jeweiligen Landesparlamenten ein. In dem kleinen Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt bekleidete der Sozialdemokrat Franz Winter von 1912 bis 1920 sogar das Amt des Landtagspräsidenten. Hier schien die in dem Erfurter Programm formulierte Ausrichtung nur noch als theoretische Grundlage zu bestehen. Die politische Praxis hingegen sah ganz anders aus, auch wenn die SPD sich programmatisch noch nicht dazu bekannte.
Lediglich in dem größten deutschen Staat Preußen war die SPD durch ein ungerechtes Dreiklassenwahlrecht weitgehend chancenlos. Das Wahlrecht unterteilte alle Wähler (Frauen besaßen weder das aktive noch das passive Wahlrecht) in drei Klassen, die nach dem Steueraufkommen bestimmt wurden. So konnte es in einigen Kreisen dazu kommen, dass zwei oder drei Wähler in der ersten Klasse so viele Stimmen hatten wie tausende Wähler aus der dritten Klasse. Da die erste Klasse fast ausschließlich aus Fabrikanten und Gutsbesitzern und die zweite Klasse überwiegend aus dem gut verdienenden Bürgertum bestand, fielen die Stimmen aus beiden Gruppen den liberalen oder konservativen Kandidaten zu. Die SPD als Partei der dritten Klasse war somit im preußischen Staat stark unterrepräsentiert. Das Wahlrecht für den Reichstag hingegen war liberaler. Es war ein direktes, gleiches und geheimes Wahlrecht für Männer. Auch hier blieben die Frauen außen vor.
Frauen durften erstmals nach der Novemberrevolution, bei der ersten reichsweiten Wahl zur Verfassunggebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 wählen. Diese Wahl zu Beginn der Weimarer Republik war auch die erste reichsweite Wahl im Verhältniswahlrecht. Ein großer Nachteil im damaligen Wahlsystem bestand in den durch die Industrialisierung völlig veränderten Wahlkreisen. So waren für den Gewinn eines Mandats aus den Ballungszentren hunderttausende Stimmen erforderlich, während es in entlegenen Provinzen ausreichte, einige zehntausend Stimmen zu erringen. Trotzdem gelang der SPD ein enormer Aufschwung, der zwar durch einzelne Rückschläge gekennzeichnet war, aber auf lange Sicht stetig verlief. So erreichte die Partei bei den letzten Reichstagswahlen vor dem Weltkrieg im Jahr 1912 mehr als ein Drittel der Stimmen und stellte durch 110 direkt gewonnene Mandate die meisten Abgeordneten. Hier bewahrheitete sich in der politisch-parlamentarischen Praxis die Idee Bernsteins. Die SPD war zu einem innenpolitisch äußerst wichtigen Faktor geworden, an dem über kurz oder lang kein Weg vorbeiführte. Allein die Mitgliederzahl, die 1914 erstmals über einer Million lag, war herausragend. Keine andere politische Partei hatte auch nur annähernd vergleichbare Zahlen vorzuweisen.
Das Bild der Partei prägte kurz vor dem Weltkrieg vor allem ein Mann: Friedrich Ebert. Er stieg bis zum Vorsitzenden auf und führte die Partei zusammen mit Hugo Haase. Ebert war durch seine Geburt in Heidelberg Bürger des Großherzogtums Baden. Aus einfachen Verhältnissen als Sattlermeister arbeitete er sich hoch und führte, wie zuvor der berühmte, 1913 verstorbene Vorsitzende August Bebel, einen Handwerksbetrieb. In der Partei ragte Ebert vor dem Krieg in den großen Debatten nicht heraus, da seine Stärke eher auf organisatorischem Gebiet lag. Er führte die Partei in modernen Strukturen weiter und legte großen Wert auf Disziplin. Diese Eigenschaften, verbunden mit einer erheblichen Durchsetzungsfähigkeit und auch Beharrlichkeit, ließen ihn zum unumstrittenen Vorsitzenden der Partei und maßgebenden Politiker der Revolutionszeit werden.
Hugo Haase war von seiner Persönlichkeit her das Gegenteil von Ebert. Er war studierter Jurist, ein kluger Kopf, blieb aber stets der abwägende Charakter; Entschlüsse fielen ihm schwer. In der Partei wurde es für ihn zusehends schwieriger, seine im klassisch sozialdemokratischen Denken verhafteten Prinzipien durchzusetzen. Besonders der 4. August 1914 war für Hugo Haase ein schwarzer Tag. In der Probeabstimmung konnte er sich mit der von ihm befürworteten Ablehnung der Kriegskredite nicht durchsetzen. Dennoch fiel ihm die Aufgabe zu, am nächsten Tag die Zustimmung seiner Partei zu eben diesen Krediten zu verlesen. Die weitere Entfremdung im Rahmen der Burgfriedenspolitik (dem Verzicht auf innenpolitische Auseinandersetzungen während der Kriegszeit) ließ eine Trennung zwischen Ebert und Haase fast schon zwangsläufig werden. Im April 1917 wurde Hugo Haase Vorsitzender der sich abspaltenden USPD. Rund eineinhalb Jahre später aber gab es ein Wiedersehen zwischen Haase und Ebert auf höchster politischer Ebene in der Revolution. Die alte Machtfrage stellte sich erneut.
Ein weiterer Mann darf nicht unerwähnt bleiben: Gustav Noske. Er nahm sowohl in der innerparteilichen Ausrichtung der SPD vor dem Weltkrieg, in entscheidenden Situationen während des Krieges und des Ausbruchs der Revolution als auch - und dadurch ist er durchaus noch im deutschen Bewusstsein gegenwärtig - in der Revolutionszeit selbst zentrale Positionen ein. Geboren 1868 in Brandenburg an der Havel entstammte er kleinen Verhältnissen und lernte als...
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