Schweitzer Fachinformationen
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Die Frau blickte auf und sah mir in die Augen. Instinktiv duckte ich mich, doch sie hatte mich bemerkt. Und jetzt? Ich ging zurück zu meinem Schreibtisch, schnappte mir aber vorher einen Stoß Druckerpapier aus dem Gerät. Mein Mund war trocken. Als ich mich zögernd setzte, schwang die Tür zum Konferenzraum auf. Meine Chefin beugte sich um die Ecke und winkte mich herein.
Ich schluckte schwer und stand auf; mein Herz hatte angefangen, heftig zu schlagen. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, also ging ich zuerst auf die Toilette. Ich ließ das Wasser gute dreißig Sekunden laufen, damit es richtig kalt war, ehe ich ein paar Hände voll direkt in mein rotes, heißes Gesicht spritzte. Zuletzt schöpfte ich eine Handvoll Wasser in meinen trockenen Mund und nahm mir ein paar Handtücher aus dem Spender.
Atmen.
Ich hatte das überwältigende Verlangen, mich hinter einer Sonnenbrille zu verstecken. Aber würde die Polizei es nicht merkwürdig finden, wenn ich bei diesem Treffen eine Sonnenbrille trug?
Ich stieß die Tür zum Konferenzzimmer auf, und da saßen sie. Meine Chefin Julia, Brian, der Leiter der Finanzabteilung, und die beiden Officers, ein Mann und eine Frau.
»Hallo«, krächzte ich, »was ist denn los?«
Ein paar entsetzliche Momente lang starrten mich alle nur schweigend an.
»Das ist Will«, verkündete Julia und zog den Stuhl neben sich unter dem Tisch hervor.
Die Polizistin sah mich nur ausdruckslos an. Ihr Kollege, der eine teuer wirkende silberne Brille trug, deutete mit offener Hand auf den Stuhl. »Hallo, Will, ich bin Detective Inspector Matt Probert, und das ist Police Sergeant Sarah Kane.«
Ich nickte Kane zu und zwang mich, Probert anzulächeln. »Worum geht's?, platzte ich mit vorgetäuschter Neugier heraus. In meinem Bemühen, so zu tun, als fände ich die Sache aufregend und irgendwie lustig, schrie ich den Satz beinahe.
Probert öffnete ein kleines Notizbuch vor sich, nahm ein Foto heraus und schob es zu mir. »Sie haben vielleicht von dem Vorfall am Mittwochabend gehört, ganz in der Nähe des Bahnhofs? Wir versuchen, uns ein Bild davon zu machen, was zu dieser Zeit dort vorgefallen ist.«
So emotionslos wie möglich sah ich den Detective an. Mein Mund und meine Kehle fühlten sich an, als seien sie fest mit Baumwolle ausgestopft.
»Verzeihung . was für ein Vorfall?«
Die Officers sahen sich an, und Kane antwortete. Du meine Güte, hatte die ein hartes Gesicht. Sarkastisch blickende Augen in diesem merkwürdigen Winkel, die dir verraten, dass jemand ein harter Brocken ist. Sie sah gut aus, keine Frage. Wahrscheinlich Anfang oder Mitte dreißig. Ihre Haut wirkte frisch, und sie hatte schulterlanges, dunkelblondes Haar, das sich unten ein wenig kräuselte. Ihr Mund war perfekt geformt und rahmte eine Reihe gerader weißer Zähne ein.
»Am Mittwochabend gab es einen tödlichen Vorfall in der Gasse, die zur Bahnstation führt, zwischen 21.15 und 21.50 Uhr«, sagte sie.
Ihre wachen, braunen Augen waren direkt auf mich gerichtet, und sie hatte einen Tonfall wie eine alte ungeduldige und überhebliche Lehrerin.
»Ach ja! Ich habe das Schild gesehen, neben dem .«
»Neben dem Café Limon«, unterbrach sie mich. Sie musste gewusst haben, dass ich vorgeben würde, nicht auf den Namen des Cafés zu kommen. Irgendwie dachte ich, wenn ich so tat, als könnte ich mich nicht an den Namen des Lokals erinnern, bliebe ich vor weiteren Fragen verschont. Doch sie schien mir einen Schritt voraus zu sein.
Probert deutete mit einem Nicken auf Brian. »Sie waren an dem Abend zu mehreren in dem Pub gegenüber dem Park? Ihr Kollege hier hat erwähnt, dass Sie dabei waren. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns kurz unterhalten?«
»Oh . ja, klar! Aber ich bin mir nicht sicher, wie ich Ihnen helfen kann.« Ich lächelte verlegen und suchte den Tisch nach Wasser oder etwas Ähnlichem ab. Vor Probert und Kane stand jeweils ein unangerührtes Glas Wasser. Ich malte mir aus, eines davon zu nehmen und einen tiefen Schluck zu nehmen. Ich könnte behaupten, ich hätte gedacht, das Glas wäre übrig. Ich konnte hören, wie mein Mund sich mit einem leisen Schnalzen öffnete und schloss, und ich nahm an, dass alle anderen es ebenfalls hören konnten.
»Alles, woran Sie sich von diesem Abend erinnern, könnte hilfreich sein«, fuhr Probert fort und zog einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Jacketts. »Wissen Sie noch, um welche Zeit Sie gegangen sind?«
Ich blies die Wangen auf und hob den Blick zur Zimmerdecke. »Puh. Gegen halb elf?«
Mir schwirrte der Kopf. Warum hatte ich mir noch keine Geschichte ausgedacht? Was war meine Geschichte?
Probert schaute zu Brian. Brian blinzelte mir kurz zu, ehe er nachdenklich zur Decke schaute. Er würde mich nicht berichtigen, aber seine Miene schien zu fragen: Bist du dir sicher?
Ich beschloss, ihm zuvorzukommen. »Nein, warten Sie, es muss früher gewesen sein. Das Fußballspiel lief noch. Eher halb zehn, viertel vor zehn.«
Probert nickte; Kane notierte sich etwas.
»Genau, ich bin ja vor dir gegangen, oder?«, sagte ich und nickte Brian zu, als würde es mir gerade erst wieder einfallen.
»Ja, ich glaube, wir haben den Pub um halb elf verlassen«, erwiderte Brian.
»Welchen Weg haben Sie nach Hause genommen?«, fragte Kane. »Sind Sie zum Bahnhof Farringdon gegangen?«
Probert ging dazwischen. »Tut uns übrigens leid, Sie bei Ihren Aufgaben zu stören. Es wird nicht lange dauern, wir versuchen nur, die Einzelteile zusammenzusetzen und uns ein Bild vom gesamten Abend zu machen. Der Wirt vom Three Kings meinte, Sie seien zu der Zeit dort gewesen, und wir müssen nur wissen, ob irgendjemand von Ihnen etwas Ungewöhnliches gesehen hat und welche Richtung jeder von Ihnen vom Pub aus eingeschlagen hat . Jedes Detail, das Ihnen einfällt, könnte uns helfen, uns ein besseres Bild zu machen.«
Meine gesamte Stimmung hellte sich plötzlich auf. Er entschuldigt sich bei mir für diese Unannehmlichkeit. Er belästigt einen gesetzestreuen Bürger (mich), deshalb entschuldigt er sich. Ich fühlte mich wie befreit. Ich bin nur ein weiterer gesetzestreuer Bürger, der mit allem hilft, was er weiß. Hier gibt es nichts zu sehen. Bitte gehen Sie weiter.
»Irgendetwas Ungewöhnliches .« Ich rieb mir den Kopf und tat, als würde ich mir das Hirn zermartern.
Diesmal funkte Kane dazwischen. »Es würde uns wirklich helfen, wenn Sie Ihren Fußweg für uns beschreiben könnten. Sind Sie zum Bahnhof Farringdon gelaufen?«
Ich bin ein gesetzestreuer Bürger.
»Ja, das bin ich«, antwortete ich. »Ich fahre immer von dort aus nach Hause.«
Ich beschloss, meinen gesamten Weg zurück zum Bahnhof genauso zu schildern, wie es gewesen war, nur ohne den Versicherungstypen. Ich erzählte ihnen von der Abkürzung, ich erzählte ihnen, dass ich dort abgebogen sei und über WhatsApp mit meinem Kumpel Jack Wade gechattet hatte. Um zu zeigen, wie hilfsbereit ich war, ging ich zurück zu meinem Schreibtisch und holte mein Telefon. Ich zeigte ihnen die Unterhaltung zwischen Jack und mir, zeigte ihnen die genauen Zeiten der Nachrichten, während ich die ganze Zeit wusste, dass diese Unterhaltung ein paar Minuten vor dem Tod des Versicherungstypen stattgefunden hatte. Wenn sie irgendwann seinen genauen Todeszeitpunkt ermitteln, wird meine Unterhaltung mit Jack genau zur selben Zeit stattgefunden haben. Das ist im Grunde ein Alibi. Niemand bringt jemanden um, während er mit einem Kumpel über WhatsApp chattet.
Julias Mobiltelefon klingelte. Sie entschuldigte sich, als sie aufstand, um ranzugehen, und erklärte, dass später noch jemand kommen würde, um den Drucker zu reparieren.
Ich fuhr mit meiner Geschichte fort und erzählte ihnen, dass ich nichts und niemanden gesehen hätte, aber dass ich nicht besonders aufmerksam gewesen sei, weil ich in mein Smartphone getippt und gleichzeitig einen Podcast gehört hatte. Ich war jetzt richtig in Erzähllaune, schmückte meine Geschichte mit kleinen Details aus, um diese parallele Version der Wahrheit zu festigen. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde ich sicherer.
Dann war ich fertig, ich konnte nichts Nützliches mehr beisteuern. Ich trug etwas dicker auf, stellte Fragen, die eine neugierige, unschuldige Person vielleicht stellen würde.
»Was ist mit der DNA und so was? Konnten Sie etwas sicherstellen? Tut mir leid, ich schaue mir eine Menge Dokus an.«
Probert lächelte verlegen, doch weder er noch Kane beantworteten meine Frage. Kane starrte mich nur weiter unbeirrt an.
Ich lächelte.
Julia kam wieder herein.
»Ist das der Drucker, der kaputt ist?«, fragte Kane und deutete auf das riesige Teil, dessen Umrisse sich vage durch das Milchglas erkennen ließen.
»Ja«, sagte Julia. »Und er wird noch unser Untergang sein, fürchte ich. Er ist jetzt schon seit fast einer Woche defekt, dabei sollte er auf vollen Touren arbeiten.«
Nach und nach standen wir alle auf und suchten unseren Krimskrams zusammen. Das Meeting ist vorbei. Wir gehen zum Smalltalk über.
Nicht jedoch Kane. Sie blieb sitzen und sah immer noch nachdenklich aus.
»Haben Sie dort vorhin nicht etwas ausgedruckt, Will?« Sie lächelte halb und deutete durch die Milchglasscheibe auf den Drucker.
Alle sahen mich an.
»Nein«, antwortete ich.
Kane blickte mich weiter an.
»Na ja, ich habe etwas zum Drucken geschickt, und erst danach ist mir eingefallen, dass er kaputt ist.«
»Ich verstehe«, sagte...
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